Mercury-Programm

Amerikas Antwort auf Gagarins ersten Flug eines Menschen ins All.

Autor: Michael Stein. Vertont von Dominik Mayer.

Die „Glorreichen Sieben“ Astronauten des Mercury-Programms.
(Foto: NASA)

Am 7. Oktober 1958 wurde das Mercury-Projekt offiziell von der erst sechs Tage vorher gegründeten amerikanischen Raumfahrbehörde NASA ins Leben gerufen. Die Ziele des Projekts waren: erfolgreiche Durchführung bemannter Orbitalflüge, Gewinnung von Erkenntnissen über das Verhalten und die Leistungsfähigkeit von Menschen in der Schwerelosigkeit und die erfolgreiche Bergung von Kapsel und Raumfahrer nach der Beendigung einer Raumfluges durch Wasserung. Für die technische Umsetzung dieser Ziele sollten wo immer möglich vorhandene Technologien eingesetzt werden. Insgesamt erfolgten über einen Zeitraum von mehr als viereinhalb Jahren verteilt 25 Starts.

Am 9. April 1959 wurden die sieben Männer auf einer Pressekonferenz vorgestellt, die mit den Mercury-Kapseln fliegen sollten. Es waren allesamt erfahrene Testpiloten, die in der Folgezeit unter großer öffentlicher Anteilnahme intensiv auf ihren Raumflug vorbereitet wurden. Der seinerzeit immer wieder beschworene Geist der „Glorreichen Sieben“ manifestierte sich unter anderem darin, dass die Namen aller Mercury-Kapseln auf »7« endeten. Schon einige Monate nach dieser Pressekonferenz, am 21. August 1959, erfolgte dann der erste Flug im Rahmen des Mercury-Projekts, bei dem der Rettungsturm für die Kapsel getestet werden sollte. Er sollte die Gewähr dafür bieten, dass im Falle eines Versagens der Trägerrakete beim Start die Kapsel mitsamt dem Insassen aus dem Gefahrenbereich herausbefördert werden konnte. Aufgrund von Kriechströmen kam es jedoch zu einem Start des Rettungsturms noch vor dem Start der Trägerrakete, und somit war gleich zu Anfang der erste von mehreren Fehlschlägen zu verzeichnen.

Anfang Dezember des gleichen Jahres folgte dann nach drei weiteren Testflügen der erste Start einer Mercury-Kapsel mit einem Affen als Passagier. Der Rhesusaffe Sam überstand den bis in ca. 85 Kilometer Höhe führenden Flug erfolgreich, genau wie seine bei späteren Testflügen noch folgenden drei weiteren Artgenossen. Mitte 1960 waren die Tests mit der für einen Passagier ausgelegten Mercury-Kapsel abgeschlossen, so dass man sich bei den nun folgenden Flügen auf die Trägerraketen konzentrierte. Bis zum ersten bemannten Mercury-Flug wurden nun immer wieder die beiden Trägerraketen Redstone und Atlas getestet, zweimal waren auch wieder Affen als Passagiere mit an Bord. Die Redstone-Rakete sollte bei den suborbitalen Flügen eingesetzt werden, während die stärkere Atlas-Rakete für die Orbitalflüge des Mercury-Projekts vorgesehen war. Schließlich erreichten die Raketen eine Zuverlässigkeit, die den ersten Start mit einem Astronauten an Bord vertretbar erscheinen ließen.

Die Mercury-Kapsel selbst war für einen Astronauten konzipiert und für heutige Verhältnisse sehr klein und eng gebaut. Sie war konisch geformt, dabei zwei Meter lang mit einem Durchmesser von 1,90 Meter an der Basis. Auf der Kapsel war ein knapp sechs Meter hoher Rettungsturm montiert, an dem drei Feststoffraketen angebracht waren. Die Kapsel ermöglichte dem Astronauten eine manuelle Kontrolle des Fluges, war aber gleichzeitig auch für einen vollautomatischen Flug ausgelegt. Letzteres war nicht zuletzt dem Umstand geschuldet, dass zum Zeitpunkt der Entwicklung der Mercury-Kapseln niemand wusste, ob ein Mensch in der Schwerelosigkeit in der Lage sein würde, kontrolliert zu handeln. Im Gegensatz zu russischen Raumfahrzeugen waren die Mercury-Kapseln auf eine Landung im Wasser ausgelegt.

Am 5. Mai 1961 hob dann Alan B. Shepard an Bord der Raumkapsel Freedom 7 auf einer Redstone-Rakete zum ersten Raumflug eines amerikanischen Astronauten ab. Auf einer ballistischen Flugbahn erreichte er in gut 15 Minuten eine maximale Flughöhe von rund 186 Kilometern und landete knapp 500 Kilometer von Cape Canaveral entfernt im Atlantischen Ozean. Der Flug war ein voller Erfolg, und obwohl Shepard im Gegensatz zu den russischen Kosmonauten keine komplette Erdumkreisung geflogen war, war der psychologische Effekt auf die öffentliche Meinung in Amerika enorm. Beim zweieinhalb Monate später folgenden Flug von Virgil I. Grissom, dessen Flugdaten mit denen von Shepards Flug beinahe perfekt deckungsgleich waren, kam es nach der Wasserung zu einem kritischen Moment, als seine Kapsel Liberty Bell 7 Wasser aufnahm und sank, so dass Grissom von Hubschraubern aus dem Wasser gezogen werden musste. (Im Jahr 1999 wurde die seinerzeit gesunkene Kapsel übrigens gehoben.)

Der erste „echte“ Orbitalflug eines amerikanischen Astronauten war dann John Glenn am 20. Februar 1962 vorbehalten, als er mit seinem Raumschiff Friendship 7 in knapp fünf Stunden insgesamt dreimal die Erde umkreiste. Nach zwei weiteren erfolgreichen bemannten Flügen folgte dann am 15. Mai 1963 mit Faith 7 der letzte und gleichzeitig längste Flug des Mercury-Programms; insgesamt 34 Stunden lang umkreiste Astronaut L. Gordon Cooper die Erde. Der ursprünglich geplante siebte bemannte Mercury-Raumflug wurde aufgrund der erfolgreichen und problemlos verlaufenen letzten Mercury-Flüge nicht mehr durchgeführt, um die vorhandenen Ressourcen auf das folgende Gemini-Programm zu konzentrieren. Insgesamt gesehen war das Mercury-Projekt ein Erfolg, bei dem trotz anfänglich zahlreicher Misserfolge die zu Beginn gesteckten Ziele voll erreicht wurden.

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