Die Frage, ob Leben auf dem Mars möglich ist, treibt Wissenschaftler bereits seit langem um. Dabei wird allenfalls über die Existenz von Mikroorganismen spekuliert. Eine europäische Forschungsinitiative hat nun hierzu einige grundlegende Erkenntnisse vorgestellt. Demnach sind irdische Organismen besser an extreme Bedingungen angepasst, als zu vermuten wäre. Wir haben beim DLR nachgefragt, was erste Versuche ergeben haben.
Autor: Roman van Genabith. Quelle: Interview
MASE (Mars Analogues for Space Exploration) ist ein grenzüberschreitendes europäisches Forschungsprojekt, das der Frage nachgeht, unter welchen Bedingungen Leben auf anderen Himmelskörpern möglich ist. Der Mars ist der im Rahmen von Forschungsmissionen am aktivsten beobachtete Planet im Sonnensystem. Dass die Forscher über die Umweltbedingungen auf dem Mars am Meisten wissen, erleichtert den MASE-Forschern ihre vergleichende Betrachtung verschiedener Umwelten.
Der MASE-Ansatz ist es nämlich, von extrem unwirtlichen Orten auf der Erde, an denen sich Lebensformen halten können, auf mögliches extraterrestrisches Leben zu schließen. Die „Stressfaktoren“, die auf dem Mars herrschen, reichen von der extrem dünnen, hauptsächlich aus CO2 bestehenden Atmosphäre, über die immensen Temperaturschwankungen bis zum Auftreten von harter Strahlung.
Auf der Erde findet sich ebenfalls Leben an lebensunfreundlichen Orten. So wurden von MASE etwa Proben aus dem Rio Tinto in Spanien untersucht, die an eine besonders säurehaltige Umwelt angepasst sind.
Im deutschen Sippenauer Moor herrscht ein anaerobes sulfidreiches Umfeld: Das Wasser der Schwefelquellen ist sauerstofffrei, kalt (10°C) und hat sehr wenig organische Nährstoffe. Es enthält sehr viele Schwefelverbindungen wie Schwefelwasserstoff oder verschiedene Sulfate, erklärte Dr. Elke Rabbow, MASE-Projektwissenschaftlerin am DLR im Gespräch mit Raumfahrer.net.
In den sibirischen und kanadischen Permafrostböden herrscht dauernde Kälte, ein weiterer irdischer Stressfaktor für Lebensformen, allerdings fällt die Temperatur dort nicht so tief wie auf dem Mars.
Generell lässt sich sagen, dass irdisches Leben nie allen marsianischen Stressfaktoren gleichzeitig ausgesetzt ist. Ist das ein Ausschlussfaktor für Leben auf dem Mars? Dieser Frage gehen die MASE-Wissenschaftler unter der Leitung von Dr. Petra Rettberg nach.
Planeten- und Weltraumsimulation in Köln
In der Kölner Planeten- und Weltraumsimulationsanlage des DLR versuchen sie zu ermitteln, wie Organismen, die an einen spezifischen Stressfaktor angepasst sind, auf das zusätzliche Auftreten weiterer Umwelteinflüsse reagieren.
Die Simulationsmöglichkeiten in Köln sind dabei vielfältig: „Die Planeten- und Weltraumsimulationsanlagen bestehen aus mehreren Vakuumanlagen, Rezipienten („Vakuumtöpfe“) mit Pumpen, die in den Töpfen verschieden tiefe Drücke erzeugen können“, beschrieb Dr. Rabbow die Möglichkeiten der eingesetzten Technik. „In diesen Anlagen können Proben, auch biologische Proben, dem Vakuum ausgesetzt werden. Die Probenablagen in einigen Rezipienten sind temperaturgeregelt über angeschlossene Kryostaten.“
„Zusätzlich sind die Anlagen mit Messinstrumenten ausgerüstet, um Druck und Temperatur zu monitoren. Spezielle Gase oder -gemische, z.B. „Marsgas“, werden in Flaschen bereit gestellt und können bei Bedarf in die Rezipienten mit einem gewünschten Druck geleitet werden. Flansche mit speziellen Quarzgläsern ermöglichen die Bestrahlung der Proben im Vakuum bzw. dem individuellen Gas und Druck mit Sonnensimulatoren. Eine Auswahl an optischen Filtern erlaubt die Selektion der Wellenlängenbereiche (z.B. Mars-UV-Klima) und eine Dämpfung der Bestrahlungsstärke, wenn gewünscht. Die unterschiedliche Größe der Rezipienten ermöglicht die Aufnahme kleiner oder großer Mengen an Proben oder die besonders schnelle Erreichbarkeit eines niedrigen Enddrucks“, führte Dr. Rabbow weiter aus.
Erste Ergebnisse sind vielversprechend
„In der ersten Phase des MASE-Projekts konnten wir schon sehr interessante Mikroorganismen mit ungewöhnlichen Eigenschaften isolieren, die unser Verständnis der Anpassungsfähigkeit und Widerstandsfähigkeit von Lebewesen erheblich erweitern“, berichtete Projektwissenschaftlerin Rettberg.
Zur konkreten Natur der Robustheit untersuchter Proben sagte Dr. Rabbow Raumfahrer.net: „Es konnte gezeigt werden, dass einige der Organismen nicht nur gegen die Bedingungen ihrer Ursprungsumgebung resistent sind, sondern auch gegen andere Bedingungen, die nicht in ihrer natürlichen Umgebung vorkommen. Zum Beispiel ist eine aus einem isländischen, kalten, sauren See isolierte Probe unter Anderem auch gegen Trocknung resistent. Im MASE Projekt werden dabei Bedingungen untersucht, die auch auf dem Mars vorkommen. Trockenheit ist ein solches Beispiel. Ein niedriger Druck, wie auf dem Mars, geht eben mit einer Trocknung einher.“
Jedoch schränkte Dr. Rabbow ein: „Festgestellt werden muss allerdings, dass sich die Organismen nicht aktiv an die zusätzlichen Stressfaktoren anpassen, weil wir in diesem Zusammenhang keine Evolutionsexperimente durchführen. Vielmehr bringen sie die entsprechende Resistenz schon mit.“
Die inzwischen gängige Annahme, dass es in der Mars-Vergangenheit lebensfreundlichere Phasen gab, spielt eine Rolle für die MASE-Forscher. Sie versuchen den Prozess möglicher Fossilienbildung besser zu verstehen.
Auch Fragen der sogenannten Planetary Protection spielen mit in die Forschung der Projektwissenschaftler hinein. Es muss sichergestellt werden, dass von der Erde mitgebrachte Mikroorganismen nicht den Mars kontaminieren und so mögliche Forschungsergebnisse verfälschen. Dabei zeigte sich, dass Mikroorganismen teils sogar in Reinräumen der Raumfahrtorganisationen existieren können.
In der Deutschen Sammlung von Mikroorganismen und Zellkulturen (DSMZ) unterhält die ESA eine Sammlung von Mikroorganismen aus Reinräumen und den Oberflächen von Raumfahrzeugen.
Das Interview führte Roman van Genabith.