Nach einer zurückgelegten Strecke von über 20 Kilometern seit dem Verlassen der Region um den Viktoria-Krater und einer Fahrzeit von fast drei Jahren hat der Marsrover Opportunity vor wenigen Stunden sein nächstes Ziel erreicht. Der Rover befindet sich am Rand des Cape York.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, Planetary Society, Malin Space Science Systems, Unmanned Spaceflight.
Nach dem Abschluss der Untersuchungen des Viktoria-Kraters auf der Hochebene „Meridiani Planum“ im Jahr 2008 fassten die für die Opportunity-Mission verantwortlichen Mitarbeiter des Jet Propulsion Laboratory (JPL) den Entschluss, den Marsrover Opportunity zu einem neuen Ziel zu manövrieren. Hierfür wählte die Missionsleitung den westlichen Rand des knapp 22 Kilometer durchmessenden und etwa 12 Kilometer vom Viktoria-Krater entfernten Endeavour-Kraters aus. Auf dem Weg zu seinem neuen Ziel legte Opportunity in den vergangenen Jahren weitere über 20 Kilometer auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten zurück.
Neben der Entdeckung und Untersuchung mehrerer Meteoriten und der Erkundung verschiedener kleinerer Krater stand dabei die in regelmäßigen Abständen erfolgende Analyse der chemischen Zusammensetzung der passierten Böden und Gesteine auf dem Arbeitsprogramm des Robotergeologen. Nach einer Reise von fast drei Jahren hat der Rover am gestrigen Tag, dem Sol 2.681 der Mission, sein Ziel erreicht. Opportunity befindet sich seit wenigen Stunden direkt am Rand des Cape York, einer kleinen Geländeerhebung am Westrand des Endeavour-Kraters.
Seit dem letzten ausführlichen Statusbericht konnte sich Opportunity auch weiterhin erfolgreich auf sein nächstes Ziel zubewegen. Nach der Beendigung einer Messung mit seinem APXS-Spektrometer setzte Opportunity seine Fahrt am 29. Juli 2011, dem Sol 2.670 der Mission, fort. Im Rahmen dieser Fahrt über eine Strecke von 63,61 Metern in die süd-südöstliche Richtung wurde die Marke von insgesamt 33 auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten zurückgelegten Kilometern überschritten. Nach der Anfertigung verschiedener Bildaufnahmen eines nahe gelegenen Kraters wurde die Fahrt bereits am darauffolgenden Tag fortgesetzt. Diesmal wurden 69,20 Meter in die südöstliche Richtung zurückgelegt. Zwei weitere Fahrten über 120 und 121 Meter folgten am 2. und 4. August.
Opportunity hatte sich der Südspitze des Cape York damit bis auf etwa 140 Meter genähert. Bereits zuvor waren den für die Bedienung der Navigations- und Panoramakameras verantwortlichen Missionsmitarbeitern spektakuläre Aufnahmen gelungen. Jetzt war aber erstmals auch ein Blick in das Innere des etwa 300 Meter tiefen Endeavour-Kraters möglich.
Im Vordergrund der nebenstehenden Aufnahme befindet sich die Ebene Bottany Bay, welche zwischen dem Cape York und dem Cape Tribulation platziert ist. Die Gebirge in der rechten Bildhälfte zeigen das Cape Tribulation mit dem vorgelagerten Sunderland Point, anschließend das Cape Byron und dahinter das Cape Dromedary, welche sich auf einer Länge von mehreren Kilometern am Westrand des Endeavour-Kraters erstrecken und einen Teil von dessen teilweise bereits stark verwittertem Wall bilden. Im Bildhintergrund ist das etwa 22 Kilometer entfernte östliche Randgebirge des Kraters zu sehen. Im Inneren des Kraters sind zudem am äußersten linken Bildrand die Ausläufer eines extrem flach ausfallenden Zentralberges zu erkennen. Das Cape York befindet sich in diesem Panorama außerhalb des Aufnahmebereiches noch weiter links (nördlich).
Zugleich hatte die jetzt erfolgte relativ dichte Annäherung an das Cape York auch eine Änderung der bisherigen Taktik des Mars Exploration Rover-Teams zur Folge. Die bisherige Vorgehensweise bestand darin, in einem möglichst kurzen Zeitraum eine möglichst große Entfernung in Richtung zum Rand des Endeavour-Kraters zu überbrücken. Diese Fahrten wurden nur gelegentlich für intensivere Untersuchungen oder Fotoaufnahmen von ausgewählten Zielen unterbrochen. Ab jetzt, so die Aufforderung von Steve Squyres von der Cornell University, dem Chefwissenschaftler der Rover-Mission, solle man „etwas auf die Bremse treten“ und die Wissenschaft in den Vordergrund rücken.
Hierzu sollten zuerst verstärkt zusätzliche Aufnahmen von verschiedenen Oberflächenstrukturen angefertigt werden. Durch die Verwendung verschiedener Filter können diese Strukturen sowohl in Echtfarben als auch in Falschfarben wiedergegeben werden. Bereits aus diesen ausschließlich optischen Daten lassen sich Rückschlüsse über die Beschaffenheit und Zusammensetzung der Oberfläche gewinnen. Aus diesem Grund sollten die restlichen Meter bis zum Rand des Cape York auch nicht in einer einzigen Etappe überbückt werden.
„Die Landschaft ist wirklich sehr spektakulär“, so Steve Squyres. „Mittlerweile stellt sie sich jeden Tag anders dar und jede Datenübertragung vom Mars gestaltet sich spannend. Wir wissen, dass sich die Geologie der Oberfläche jetzt sehr stark verändert, können das Ausmaß dieser Veränderungen aber noch nicht einschätzen.“
Bei seiner nächsten Fahrt am 6. August näherte sich Opportunity dem Cape York nochmals um zusätzliche 75,26 Meter an und enthüllte mit den anschließend angefertigten Bildaufnahmen weitere Details der Oberfläche. Am linken Rand der nebenstehenden Aufnahme der Navigationskamera ist das Auswurfmaterial des Odyssey-Kraters zu erkennen, welches sich an dessen unmittelbarem Rand abgelagert hat. Besonders auffällig ist dabei die Größe der Ejektablöcke.
Dieser lediglich etwa 17 x 21 Meter durchmessende Krater befindet sich direkt auf der Südspitze des Cape York. Auch in dieser Aufnahme ist im Inneren des Endeavour-Kraters der sehr flach ausfallende „Zentralberg“ erkennbar. Ebenfalls gut erkennbar ist eine Veränderung des vorausliegenden Geländes. Zum Zeitpunkt dieser Aufnahme befand sich Opportunity noch auf einem Areal, wo offen zutage tretendes Grundgestein die Zusammensetzung der Oberfläche dominiert. Weiter zum Kraterrand hin wird dieses wieder von Sand abgelöst.
Seine bisher letzte Etappe absolvierte Opportunity schließlich am gestrigen Sol 2.681. Im Rahmen dieser Fahrt bewegte sich der Rover weitere 62 Meter in die südöstliche Richtung. Aktuell befindet sich Opportunity jetzt in einer Entfernung von etwa 20 Metern zum westlichen Rand des Odyssey-Kraters. Was jetzt folgt, wird von vielen Mitarbeitern der Mars Exploration Rover-Mission mit dem Beginn einer völlig neuen Mission verglichen. Der Zweck der demnächst beginnenden Oberflächenanalysen besteht darin, die in der unmittelbaren Umgebung des Cape York befindlichen Minerale näher zu analysieren.
Die bisherigen Analysen der von den verschiedenen Marsorbitern gewonnenen Daten deuten eindeutig darauf hin, dass sich dort an verschiedenen Stellen Schichtsilikate und Tonminerale abgelagert haben. Dies weist auf eine früher erfolgte Interaktion der dortigen Oberfläche mit Wasser hin. Sowohl Opportunity als auch sein baugleicher „Zwillingsbruder“ Spirit haben im Verlauf ihrer bisherigen Forschungsarbeiten mehrfach Minerale auf der Oberfläche unseres Nachbarplaneten nachgewiesen, welche sich normalerweise nur unter dem Einfluss von Wasser bilden können. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang besonders der Nachweis von Sulfaten. Diese Sulfate benötigten für ihre Bildung jedoch wahrscheinlich lediglich punktuell auftretende Konzentrationen von verhältnismäßig salzigem Wasser, welches zudem nicht dauerhaft über einen längerem Zeitraum auf der Planetenoberfläche aufgetreten sein müsste. Für die Bildung von Tonmineralen müsste die Marsoberfläche dagegen über einen deutlich längeren Zeitraum mit Wasser interagiert haben.
Ein weiterer Unterschied bei der Bildung von Sulfaten und Tonmineralen ist der pH-Wert des dafür benötigten Wassers. Eines der Sulfate, welches Opportunity in den bisher untersuchten Gesteinen nachweisen konnte, ist das Mineral Jarosit, welches sich ausschließlich in einer sehr „sauren“ Umgebung bildet. Eine solche saure Umgebung stellt für die meisten irdischen Lebensformen, abgesehen von hochspezialisierten extremophilen Organismen, eine eher schlechte Lebensgrundlage dar. Die meisten Astrobiologen halten es für unwahrscheinlich, dass sich unter solchen extremen Voraussetzungen Leben bilden kann.
Tonminerale entstehen dagegen bei höheren, nahezu neutralen pH-Werten. Ihr Vorhandensein im Bereich des Endeavour-Kraters wird als ein Hinweis darauf interpretiert, dass sich in diesem Bereich der Marsoberfläche einstmals pH-neutrales Wasser befunden haben muss – und dies über einen in geologischen Zusammenhängen betrachtet längeren Zeitraum. Eine solche Umgebung könnte in der Vergangenheit unter bestimmten Umständen die Entstehung von primitiven Lebensformen auf dem Mars begünstigt haben.
Die geplanten Untersuchungen des Cape York könnten somit zugleich die wissenschaftlich bedeutsamsten der gesamten Mars Exploration Rover-Mission werden. Mit ihnen könnten die Wissenschaftler der Beantwortung der wohl interessantesten Frage der aktuellen Marsforschung einen Schritt näher kommen: „Haben auf dem Mars einstmals Umweltbedingungen geherrscht, welche die Entstehung von Leben ermöglicht haben könnten?“
Allerdings wird Opportunity für die entsprechenden Untersuchungen das Cape York erklimmen müssen, was bei der geringen Höhe von nur wenigen Metern aber keine allzu großen Probleme bereiten dürfte. Dort konnte das CRISM-Spektrometer an Bord des von der NASA betriebenen Marsorbiters Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) die höchste Konzentration von Smektiten – hierbei handelt es sich um Schichtsilikate, welche eine bestimmte Gruppe der Tonminerale bilden – registriert.
Nach einer ausführlichen Sondierung der Lage sollen anschließend unter anderem das APXS-Spektrometer und das Moessbauer-Spektrometer, zwei der wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Rovers, dazu eingesetzt werden, um die Zusammensetzung der Oberfläche eingehend zu analysieren. Speziell die Messungen mit dem Moessbauer-Spektrometer werden dabei über einen Zeitraum von mehreren Wochen andauern. Da sich der Robotergeologe in diesem Zeitraum nicht bewegen darf, soll diese Zeit unter anderem dazu genutzt werden, um die Umgebung und speziell das Innere des Endeavour-Kraters mit den verschiedenen Kameras ausführlich abzubilden. Der Öffentlichkeit werden somit in Kürze äußerst interessante und spektakuläre Aufnahmen des Endeavour-Kraters zur Verfügung stehen.
Ein kleiner Wermutstropfen ist dabei die gegenwärtig auf dem Mars vorherrschende Wettersituation. Aufgrund mehrerer kürzlich aktiver lokaler und regionaler Staubstürme ist die Atmosphäre des Mars gegenwärtig sehr stark mit Staub durchtränkt. Dies hatte zur Folge, dass die in den letzten Wochen von Opportunity angefertigten Fotoaufnahmen relativ unscharf ausgefallen sind.
Allerdings gehen die an der Mission beteiligten Wissenschaftler davon aus, dass sich diese zur Zeit eher negativen Wetterbedingungen in den kommenden Monaten aufgrund des Wandels der Jahreszeiten auf dem Mars wieder verbessern werden. Die daraus resultierende verbesserte Opazität der Marsatmosphäre wird sich dabei nicht nur positiv auf weitere fotografische Dokumentationen auswirken. Zusätzlich sollte sich dadurch auch wieder die täglich zur Verfügung stehende und in den letzten Wochen leicht rückläufige Energiemenge für den ausschließlich solarbetriebenen Rover erhöhen.
Aus technischer Sicht betrachtet befindet sich Opportunity, von kleineren Mängeln abgesehen, nach wie vor in einem exzellenten Zustand. Einer Fortsetzung der Mission steht somit aus heutiger Sicht nichts im Weg. In Anbetracht der Anforderungen, welche ursprünglich an diese Mission gestellt wurden und die von einer Einsatzdauer von drei Monaten ausgingen, in denen der Rover „lediglich“ rund 700 Meter zurücklegen sollte, ist dies eine fast unglaubliche Leistung. Diese fand am gestrigen Tag ihren vorläufigen Höhepunkt. Nur wenige Optimisten haben wohl ernsthaft damit gerechnet, dass Opportunity wirklich den Rand des Endeavour-Kraters erreichen würde. Aufgrund dieses erneuten Erfolges wird der Menschheit ein weiterer und noch tieferer Einblick in die Entwicklungsgeschichte unseres Nachbarplaneten ermöglicht werden.
Die momentanen Planungen der Mitarbeiter der Mars Exploration Rover-Mission sehen vor, dass sich Opportunity im Rahmen einer weiteren Fahrt noch weiter auf das Cape York begeben soll. Das nächste Ziel wird dabei sehr wahrscheinlich der unmittelbare Rand des Odyssey-Kraters sein. In dieser Region sollen anschließend noch auszuwählende Oberflächenstrukturen näher untersucht werden. Diese Analysen werden jedoch erst den Auftakt für weitere und intensivere Forschungen im Bereich des Cape York bilden. Sollte Opportunity anschließend immer noch funktionsfähig sein, so soll der Rover seine Fahrt in die südliche Richtung fortsetzen und nach einer zwischenzeitlichen Untersuchung der Bottany Bay das dort gelegene Cape Tribulation ansteuern.
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