Marslander Beagle 2 nach elf Jahren entdeckt

Es war eines der großen Mysterien im Verlauf der mittlerweile seit 50 Jahren andauernden Erkundung des Mars durch Raumsonden. Welches Schicksal erlitt der von der Raumsonde Mars Express mitgeführte Lander Beagle 2, der seit seiner für den 25. Dezember 2003 vorgesehenen Landung auf unserem Nachbarplaneten als ‚verschollen‘ galt? Elf Jahre später wurde Beagle 2 jetzt auf Aufnahmen entdeckt, welche von dem Marsorbiter MRO angefertigt wurden.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA, JPL, University of Arizona, University of Leicester.

ESA
Mit dieser Aufnahme der VMC-Kamera wurde am 19. Dezember 2003 die Abtrennung des Marslanders Beagle 2 von der Raumsonde Mars Express dokumentiert. Die Visual Monitoring Camera, so der vollständige Name dieses Kamerasystems, stellt keines der wissenschaftlichen Instrumente der Raumsonde Mars Express dar. Der ursprüngliche Zweck dieser nur mit einer geringen Auflösung arbeitenden Kamera bestand lediglich darin, Bilder der Abkopplung des Marslanders zu erstellen und die Separation dabei fotografisch zu dokumentieren. In den folgenden Jahren wurde nie wieder etwas von dieser Landeeinheit gehört oder gesehen – jedenfalls bis vor Kurzem…
(Bild: ESA)

Die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express erreichte den äußeren Nachbarplaneten der Erde am 25. Dezember 2003. Seitdem untersucht dieser Orbiter die Oberfläche und die Atmosphäre des Mars sowie dessen beiden Monde Phobos und Deimos mit sieben wissenschaftlichen Instrumenten.

Durch die Auswertung der dabei gewonnenen Daten ergeben sich für die Planetenforscher wertvolle Einblicke in die Entwicklungsgeschichte des Mars. Aufgrund der Vielzahl der daraus resultierenden Erkenntnisse über dessen Oberflächengeologie sowie zur ‚Geschichte des Wassers‘ auf unserem Nachbarplaneten und des guten technischen Zustandes der Raumsonde wurde die Mars Express-Mission erst kürzlich bis zum Jahr 2018 verlängert (Raumfahrer.net berichtete).

Der Marslander Beagle 2
Weniger Glück war dagegen der von Mars Express mitgeführten Landeeinheit Beagle 2 beschert. Dieser lediglich 57 Kilogramm wiegende Marslander wurde am 19. Dezember 2003 von seiner ‚Muttersonde‘ abgekoppelt. Nach einem sechstägigen Flug sollte der Lander am Morgen des 25. Dezember gegen 04:00 MEZ im Bereich des knapp nördlich des Marsäquators gelegenen Einschlagsbeckens Isidis Planitia die Marsoberfläche erreichen und die Umgebung seines Landeplatzes anschließend mit verschiedenen Instrumenten und Sensoren untersuchen.

Allerdings warteten die für die Überwachung von Beagle 2 verantwortlichen Mitarbeiter der ESA an diesem Morgen vergeblich auf den Eingang eines Signals, welches die erfolgreiche Landung bestätigen sollte. Auch die in den folgenden Tagen und Wochen wiederholt erfolgenden Versuche einer Kontaktaufnahme blieben erfolglos. Schließlich wurde die Mission Beagle 2 am 6. Februar 2004 von der ESA als verloren erklärt. Eine daraufhin eingerichtete Untersuchungskommission konnte mangels Daten keinen Grund für den Verlust der Mission ermitteln.

NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, University of Leicester
Diese Farbaufnahme fertigte die HiRISE-Kamera des MRO am 15. Dezember 2014 an. Sie zeigt den Marslander Beagle 2, der seit seiner am 25. Dezember 2003 erfolgten Landung auf dem Mars als verschollen galt.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, University of Leicester)

Da – wie geplant – während des Landeanfluges kein Funkkontakt zwischen dem Kontrollzentrum auf der Erde und der Landeeinheit bestand und somit auch keine Telemtriedaten zur Verfügung standen, war unklar, ob der Lander die Marsoberfläche ‚in einem Stück‘ erreicht hatte oder während der Landung vielleicht zerschellt war. Auch ein Verglühen in der Marsatmosphäre konnte nicht ausgeschlossen werden. In den folgenden Jahren wurden die hochauflösenden Kamerasysteme von verschiedenen Marsorbitern dazu genutzt, um nach den Überresten von Beagle 2 zu suchen. Aber auch diese Bemühungen blieben erfolglos. Beagle 2 blieb ‚verschollen‘.

Dies hat sich jetzt – mehr als elf Jahre nach dem Tag der Landung – jedoch geändert.

Die Suche war schließlich doch noch erfolgreich…
Seit dem März 2006 befindet sich die von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene und mit sechs wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattete Raumsonde Mars Reconnaissance Orbiter (kurz MRO) in einer Umlaufbahn um den Mars und liefert den an dieser Mission beteiligten Wissenschaftlern seitdem fast täglich neue und immer wieder faszinierende Detailaufnahmen von der Oberfläche und der Atmosphäre unseres äußeren Nachbarplaneten. Die Hauptkamera an Bord des MRO, die von der University of Arizona betriebene HiRISE-Kamera, erreicht dabei mit ihren Aufnahmen unter optimalen Bedingungen eine Auflösung der Planetenoberfläche von bis zu 25 Zentimetern pro Pixel.

Bei passenden Gelegenheiten wurde von dieser Kamera in den vergangenen Jahren auch immer wieder die für Beagle 2 vorgesehene Landezone im Bereich des Isidis Planitia abgebildet. Allerdings verfügt diese Zone mit einer Ausdehnung von 170 x 100 Kilometern über eine Fläche von rund 17.000 Quadratkilometern. Die Hauptkamera des MRO kann dagegen pro Aufnahme normalerweise nur eine Fläche von lediglich rund 50 Quadratkilometern abbilden. Da der MRO die Region Isidis Planitia nur gelegentlich überfliegt und zudem nicht genau bekannt war, an welcher Stelle der Lander die Oberfläche exakt erreicht hat, waren die Bemühungen zunächst erfolglos. Zusätzlich erschwert wurde diese Suche auch durch die geringen Abmessungen, über welche Beagle 2 verfügt. Selbst mit voll entfalteten Solarpaneelen würde der Lander lediglich knapp zwei Meter durchmessen und somit auf den HiRISE-Aufnahmen nur schwer erkennbar sein.

NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, University of Leicester, Beagle 2
Neben dem Lander sind auf dieser Aufnahme auch der Fallschirm und eine Abdeckung erkennbar.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, University of Leicester, Beagle 2)

…Dank der Hilfe eines Außenstehenden
Trotz der somit nur geringen Erfolgsaussichten setzte das Team der HiRISE-Kamera seine Suche fort. Dabei konnte man auch auf die Mitarbeit der interessierten Öffentlichkeit zählen. Seit dem Januar 2010 besteht auch für nicht direkt in die Mission eingebundene Personen – egal ob Studenten, Wissenschaftler oder einfach nur ‚interessierte Laien‘ – die Möglichkeit, Vorschläge für zukünftige Beobachtungsziele der HiRISE-Kamera abzugeben. Hierzu muss ein Vorschlag für eine abzubildende Region auf dem Mars eingereicht und kurz begründet werden. Sofern sich dieser Vorschlag mit den gegebenen technischen Möglichkeiten und den wissenschaftlichen Zielsetzungen der HiRISE deckt – die abzubildende Region sollte so zum Beispiel nicht bereits schon zuvor mehrfach abgebildet sein und auch die zukünftigen Orbitparameter des MRO müssen genauso stimmen wie die Beleuchtungsverhältnisse auf der Marsoberfläche während einer möglichen Aufnahme – werden diese Vorschläge dann eventuell in das zukünftige ‚Arbeitsprogramm‘ der HiRISE eingebunden.

„Hierdurch wird Studenten und anderen Interessierten die Möglichkeit gegeben, aktiv an der Erforschung des Mars teilzunehmen“, so Rich Zurek, der Projektwissenschaftler der MRO-Mission vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien.
Michael Croon aus Trier, ein ehemaliger Mitarbeiter des für die Kontrolle des Marsorbiters Mars Express zuständigen Operationsteams, hat das HiWish-Projekt dazu genutzt, um eine Aufnahme vorzuschlagen, welche der Suche nach dem verschollenen Lander Beagle 2 dienen sollte. Auf der entsprechenden Aufnahme, welche am 28. Februar 2013 angefertigt wurde, war tatsächlich eine Struktur erkennbar, bei der es sich um den gesuchten Lander handeln könnte.

NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, University of Leicester, Beagle 2
Bedingt durch unterschiedliche Beleuchtungsverhältnisse, welche während der Anfertigung der verschiedenen Aufnahmen vorherrschten, erscheint die Hardware von Beagle 2 unterschiedlich stark ausgeprägt. Die drei für diese Animation verwendeten Einzelaufnahmen wurden am 28. Februar 2013, am 29. Juni 2014 und am 15. Dezember 2014 angefertigt.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, University of Leicester, Beagle 2)

„Der Kontrast in dieser Aufnahme war jedoch sehr gering und es war schwierig, dort etwas Genaueres zu erkennen“, so Alfred McEwen, der wissenschaftliche Projektleiter des HiRISE-Kameraexperiments von der University of Arizona. Auf weiteren Aufnahmen dieser Region, angefertigt am 29. Juni 2014 und am 15. Dezember 2014, war schließlich ein heller Fleck erkennbar, welcher sich ‚zu bewegen‘ schien. Die entsprechenden Aufnahmen wurden anschließend von Mitarbeitern des HiRISE-Teams, des JPL und des Beagle 2-Teams weiter ausgewertet.
„Das ist Beagle 2„, ist sich Alfred McEwen sicher. Dieser Meinung schließt sich auch Tim Parker, Geologe und Marsforscher am JPL an, der sowohl an der Planung der Suchkampagne als auch an der Bearbeitung der dabei erstellten Aufnahmen beteiligt war. „Ich habe die Aufnahmen sorgfältig ausgewertet und bin davon überzeugt, dass wir es hier mit Beagle 2-Hardware zu tun haben.“
Die Veränderungen auf den Aufnahmen resultieren demzufolge aus der blütenförmigen Anordnung der Solarzellen, welche den Lander nach ihrer Entfaltung mit Energie versorgen sollten. Durch veränderte Sonnenstände und unterschiedliche Aufnahmewinkel wird das Sonnenlicht jeweils von einem anderen Sonnenkollektor in Richtung des Marsorbiters reflektiert. Dieser Effekt wird zusätzlich dadurch verstärkt, dass sich Beagle 2 auf einem leicht abschüssigen Untergrund befindet.

„Wir sind sehr glücklich jetzt zu wissen, dass Beagle 2 den Mars erreicht hat“, so Alvaro Giménez, der bei der europäischen Weltraumagentur für den Bereich „Wissenschaft und robotische Exploration“ verantwortliche Direktor. „Diese Hingabe, mit der verschiedene Teams versucht haben, den Lander auf den hochaufgelösten Bildern zu entdecken, ist inspirierend.“

„Dass wir über das Schicksal von Beagle 2 überhaupt nichts wussten hat bei uns ein nagendes Gefühl verursacht“, so Rudolf Schmidt, der zu diesem Zeitpunkt für die Mission Mars Express verantwortliche Projektmanager der ESA. „Jetzt zu sehen, dass es der Lander tatsächlich bis auf die Oberfläche geschafft hat, ist eine hervorragende Neuigkeit.“

ESA, Denman productions
Eine künstlerische Darstellung von Beagle 2. Nach der Landung sollten sich Solarpaneele entfalten, welche den Lander anschließend mit Energie versorgen. Dieser Vorgang, so die Interpretation der erstellten HiRISE-Aufnahmen, wurde offenbar nicht vollständig abgeschlossen.
(Bild: ESA, Denman productions)

Die Mission von Beagle 2 wäre fast erfolgreich gewesen
In der unmittelbaren Umgebung der Landestelle sind zudem die Überreste des Landefallschirms sowie der Schutzabdeckung des Landers erkennbar. Durch die Auswertung dieser HiRISE-Aufnahmen lassen sich auch erste Aussagen darüber tätigen, was am Morgen des 25. Dezember 2003 auf dem Mars passiert ist. Die Aufnahmen belegen, dass der Lander die kritische Phase des Eintritts in die Marsatmosphäre und deren Durchquerung ebenso gut überstanden hat wie die anschließende Landung. Beagle 2 hat die Oberfläche unseres Nachbarplaneten offenbar unbeschadet erreicht und dabei das Zentrum der angepeilten Landezone um lediglich rund fünf Kilometer ‚verfehlt‘. Alleine diese ‚Punktlandung‘ , welche bei 11,5 Grad nördlicher Breite und 90,4 Grad östlicher Länge erfolgte, stellt einen durchaus beachtlichen Erfolg dar.

Allerdings scheinen sich anschließend lediglich zwei der Solarpaneele des Landers komplett entfaltet zu haben. Ohne vollständige Energieversorgung und zusätzlich durch die nicht gänzlich ausgefahrenen Solarzellenausleger beeinträchtigt, welche sich vermutlich in einer direkten Linie zwischen der Kommunikationsantenne des Landers und dem in der Marsumlaufbahn operierenden Orbiter befanden, war es dem Lander jedoch nicht möglich, eine Funkverbindung mit dem Orbiter Mars Express zu etablieren oder auf die Kommunikationsversuche seines Kontrollzentrums zu reagieren.

Erste Vermutungen gehen dahin, dass für die nicht vollständig erfolgte Entfaltung eventuell die Landeairbags verantwortlich gewesen sein könnten. Das Airbag-System sollte den mit einer Geschwindigkeit von etwa 50 bis 60 Kilometern pro Stunde auf den Marsboden auftreffenden Lander während des Aufpralls schützen. Eventuell haben diese Airbags sich nach der Landung nicht wie vorgesehen von der Landeeinheit gelöst. Auf den HiRISE-Aufnahmen finden sich Hinweise auf die Lage und Position dieser Airbags. Allerdings, so die beteiligten Wissenschaftler, werden weitere Aufnahmen benötigt, um diese Daten bestätigen zu können.

Somit scheint sich nach mehr als elf Jahren doch noch herauszustellen, dass die Mission von Beagle 2 zumindestens als Teilerfolg bezeichnet werden kann. Leider war es der ‚treibenden Kraft‘ hinter dieser Mission, dem Prof. Colin Pillinger von der Open University in Milton Keynes/England, nicht mehr vergönnt, diesen Teilerfolg zu verfolgen. Colin Pillinger verstarb bereits am 7. Mai 2014. Ebenfalls im Jahr 2014 verstarben zwei weitere in leitenden Funktionen für die Beagle 2-Mission tätige Mitarbeiter – Professor George Fraser von der University of Leicester/England und Professor David Barnes von der Aberystwyth University/Wales.


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