Mars Phoenix Lander – Die ersten Resultate (Teil 3)

Nach seiner Landung am 25. Mai 2008 untersuchte der Marslander Phoenix fünf Monate lang die Nordpolarregion des Mars, bevor aufgrund von Energiemangel die Stromversorgung zusammenbrach und die Mission am 10. November 2008 offiziell für beendet erklärt wurde. Welche Erkenntnisse konnten bisher gewonnen werden?

Autor: Ralph-Mirko Richter

Diese 1,7 x 2 Millimeter große Aufnahme des Optischen Mikroskops zeigt die verschiedenen Sandpartikel einer Bodenprobe. Die Körner verfügen über eine Größe von bis zu etwa 100 Mikrometern. (Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, Imperial College London)

Aber auch die Geomorphologie des Vastitas Borealis, des Landegebietes von Phoenix, wurde im Laufe dieser Mission ausführlich studiert. Die durch die beiden Mikroskope aufgenommenen Detailaufnahmen des Marsregoliths belegen eine große Vielfalt der darin enthaltene Sandkörner und Staubpartikel. Ihre Größe bewegt sich zwischen unter 10 bis hin zu über 100 Mikrometern. Die untersuchten Partikel lassen sich durch ihre Färbungen grob in drei unterschiedliche Gruppen unterteilen, welche sehr wahrscheinlich durch unterschiedliche Prozesse entstanden sind. Bei dem dominierenden Material handelt es sich um sehr feine, rötlich bis orangefarbene Partikel von nur wenigen Mikrometern Durchmesser. Dunkle, fast schwarz erscheinende Staubkörner erinnern in ihrem Aussehen an Material, aus welchem sich die Dünenfelder des Marsnordpols zusammensetzen. Die dritte Gruppe verfügt über eine weißliche bis bräunliche Färbung. Das glasartige Aussehen dieser Partikel lässt auf eine Entstehung im Rahmen eines Schmelzprozesses schließen. Über die genauen Bildungsprozesse der einzelnen Arten besteht noch keine Klarheit. Um dazu eindeutige Aussagen machen zu können, ist es notwendig, die beobachteten Proben mit terrestrischen Materialproben, zum Beispiel von verschiedenen erodierten Gesteinsarten und bei vulkanischen Prozessen gebildeten Materialien, zu vergleichen. Hierbei muss dann auch ein Augenmerk auf die spezielle geologische Entstehungsgeschichte des Landeplatzes von Phoenix gelegt werden.

Dieser Landeplatz befindet sich nördlich der Tharsis-Vulkan-Provinz. Deren am weitesten im Norden liegende Erhebung, der Vulkan Alba Patera, ist rund 1.750 Kilometer entfernt, während die nördlichsten Ausläufer der Tharsis-Region sogar bis auf etwa 500 Kilometer an den Lander heranreichen. Somit gilt als wahrscheinlich, dass sich am Landeplatz von Phoenix Asche und Eruptionsmaterial von früheren Vulkanausbrüchen abgelagert haben muss. Außerdem ist zu erwarten, dass sich in dieser Region Sand von den dunklen, fast schwarzen Sanddünen der nördlichen Polarkappe befindet. Etwa 20 Kilometer entfernt befindet sich in ost-nordöstlicher Richtung der 10 Kilometer durchmessende und rund einen Kilometer tiefe Heimdall-Krater. Somit ist theoretisch auch Auswurfmaterial aus diesem etwa 500 Millionen Jahre alten Krater zu erwarten. Des weiteren müssen die thermalen Bedingungen und die damit verbundene Erosion der Sandkörner berücksichtigt werden. Die Umstände deuten jedoch allgemein darauf hin, dass es sich zumindestens bei den bräunlichen Partikeln entweder um Auswurfmaterial vom Heimdall-Krater oder um Eruptionsmaterial von einem Vulkanausbruch handelt. Dieses Material wurde bei seinem Entstehungsprozess anscheinend aufgeschmolzen und ist anschließend sehr schnell abgekühlt, was die glasartige Struktur erklärt.

Dieses Bild vom 7. Oktober 2008, dem Sol 131 der Mission, zeigt die Frostpolygone im Vastitas Borealis. (Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona)

Die Geomorphologie des Landegebietes ist durch das Vorhandensein von sogenannten Frostpolygonen gekennzeichnet, welche bereits im Vorfeld der Mission von verschiedenen Marsorbitern fotografisch abgebildet werden konnten. Dabei handelt es sich um mehreckige und leicht aufgewölbte Strukturen mit einem Durchmesser von jeweils etwa zwei bis drei Metern, welche von flachen, relativ zum Zentrum gesehen etwa 20 bis 50 Zentimeter tiefen Gräben begrenzt sind. Im Rahmen der Mission konnte Phoenix sowohl auf der Oberseite dieser Polygone als auch an deren Rändern Gräben ausheben und Proben entnehmen und analysieren. Durch eine exakte Vermessungen der Strukturen, der Analyse des Füllmaterials der Sandkeile und dem Nachweis von noch sehr jungen Bruchlinien kam man dabei zu der Ansicht, dass die Bildung dieser Frostpolygone nicht durch die Sublimation von Wasser oder Kohlendioxid bedingt ist.

Damit wurde eine Theorie bestätigt, welche bereits im Vorfeld der Phoenix-Mission allgemein akzeptiert war. Diese besagt, dass für die Entstehung der Frostpolygone eine sogenannte Kryoturbation verantwortlich ist. Aufgrund der durch die Tages- und Jahreszeiten bedingten täglichen und saisonalen Temperaturschwankungen in einem Bereich zwischen etwa minus 25 und unter minus 125 Grad Celsius kommt es zu einem stetig wechselnden Zusammenziehen und Ausdehnen der obersten Bodenschicht. Bei der Kontraktion im Marswinter entstehen dabei keilförmige Risse im Boden, welche anschließend durch Staub und Sand aufgefüllt werden. Im darauf folgenden Frühling und Sommer verhindern diese Sandkeile bei wieder ansteigenden Temperaturen und einem sich erneut ausdehnenden Boden ein erneutes vollständiges Schließen der Hohlräume, was letztendlich zum Aufkommen von Bodenspannungen führt. Um diesen Druck abzubauen, wölben sich die zentralen Bereiche der Polygone auf und bilden die beobachteten charakteristischen Geländeformationen.

Falschfarbenaufnahme eines sogenannten „Frostpolygons“ kurz nach der Landung von Phoenix im Vastitas Borealis auf dem Mars. (Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona)

Das Gesamtbudget dieser Mission lag bis Ende November 2008 inklusive der Trägerrakete und der kompletten Missionsdurchführung bei insgesamt 420 Millionen US-Dollar. Hat sich dieser finanzielle Aufwand gelohnt? Zusammenfassend ist zu sagen, dass die Phoenix-Mission trotz diverser „Stolpersteine“ (zum Beispiel gab es Probleme bei der Kommunikation mit dem Lander und die Einfüllung der diversen Proben in die Analysegeräte funktionierte ebenfalls nicht immer auf Anhieb) sehr erfolgreich war. Alle im Vorfeld von der NASA gesteckten Ziele konnten im vollen Umfang erfüllt werden. Durch die Auswertung der dabei gewonnenen Daten, darunter über 25.000 Bilder, wurde unser Wissen über die Meteorologie, Geochemie und Geologie der Nordpolarregion des Mars ungemein erweitert.

Es wurde nicht nur, wie im Vorfeld der Mission bereits erwartet, Wassereis gefunden, sondern die beobachtete Bodenchemie zeigt erneut, dass der Mars in der Vergangenheit über ein deutlich wärmeres und feuchteres Klima verfügte. Selbst in der heutigen Zeit könnten nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche flüssige Salzwasserfilme vorhanden sein. „Alles in allem“, so Peter Smith von der Arizona State University, dem wissenschaftlich Verantwortlichen der Phoenix-Mission, „deuten viele Anzeichen darauf hin, dass diese Region des Mars in der Vergangenheit von flüssigem Wasser überzogen war“. Neben dem Vorhandensein von Mineralien, welche sich unter irdischen Bedingungen nur infolge eines Kontaktes mit Wasser bilden können, wird auch der Nachweis von stellenweise extrem reinen Wassereis mit einem Staubanteil von weniger als zwei Prozent als ein weiteres Indiz für die ehemalige Anwesenheit von flüssigem Wasser gewertet. Auch die im gesamtem Missionsverlauf beobachtete Tatsache, dass der untersuchte Boden zu einem „Zusammenkleben“ neigte und sich deshalb nur sehr schwer in die einzelnen Probenkammern von TEGA und WCL einfüllen ließ, scheint darauf hin zu deuten. Ehemals nasse Erde neigt zumindestens unter irdischen Bedingungen zu einem solchen „Zementierungsprozess“.

Das Vorhandensein einer großen Konzentration von Perchloraten muss auch nicht zwingend als ein Argument gegen die Entstehung von lebenden Organismen gewertet werden. Vielmehr könnte das Perchlorat ein Reservoir für extremophile Mikroben in einer feuchten Bodenschicht darstellen und diesen als Quelle für ihren Energiehaushalt gedient haben oder sogar immer noch dienen. Peter Smith: „Diese Beweise für periodisch auftretendes flüssiges Wasser in einer alkalischen Umgebung mit der Beimischung verschiedener Salze und Perchlorat als Energieressource erfüllen die Kriterien für die Entwicklung von Lebensformen in besonders günstigen [klimatischen] Zyklen.“

Unabhängig von den Aktivitäten eventueller früher oder gegenwärtig vorhandener mikrobiellen Lebensformen ist auf der Oberfläche des Mars eigentlich mit dem Vorhandensein von organischen Molekülen zu rechnen. Diese Moleküle sind ein Bestandteil von Meteoriten (hier besonders von „Kohligen Chondriten“) und Kometen und sollten von diesen beständig im Rahmen von Impaktereignissen auf die Planetenoberfläche des Mars transportiert werden. Nichtsdestotrotz fiel der Nachweis entsprechender Moleküle in sämtlichen durch Phoenix untersuchten Proben negativ aus. Dies ist ein Indiz für einen relativ schnell stattfindenden chemischen Abbauprozess in der obersten Bodenschicht. Die hier nachgewiesene hohe Konzentration von Perchloraten dürfte dabei eine nicht unwesentliche Rolle spielen. Zudem könnte der stete Umwälzungsprozess der obersten Bodenschicht im Rahmen der Kryoturbation diesen Abbauprozess in der nordpolaren Region des Mars begünstigen.

Die gelbe Linie bezeichnet die tägliche Sonnenscheindauer in Stunden. Der grüne Balken in der Mitte dieser Grafik kennzeichnet den Zeitraum, in welchem Phoenix voraussichtlich durch Kohlendioxid-Eis bedeckt sein wird. (Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, Lockheed Martin)

Seit ungefähr Ende November 2008 ist die Nachttemperaturen am Landeplatz von Phoenix auf etwa minus 120 Grad Celsius gesunken. Am 10. April 2009 setzte die Polarnacht ein und der Lander war für die folgenden drei Monate in vollständige Dunkelheit gehüllt. In diesem Zeitraum sind die Temperaturen auf unter minus 125 Grad Celsius gefallen. Das bei diesen Temperaturen resublimierende Kohlendioxid hat sich in der Folgezeit in einer vermutlich bis zu 20 Zentimeter dicken Eisschicht auf dem Lander abgelagert. Seit dem 10. Juli 2009 ist diese Polarnacht beendet. Die Sonne steigt seitdem täglich etwas höher und somit für einen etwas längeren Zeitraum über den Marshorizont und das abgelagerte Eis sublimiert wieder in die Atmosphäre.

Dies sind mechanische und thermale Bedingungen, die weit über das hinausgehen, wofür Phoenix einst konzipiert, gebaut und getestet wurde. Selbst wenn Phoenix durch die im letzten Jahr gebildete Eisschicht keinen direkten Schaden genommen haben sollte, so wird die Elektronik des Landers den Marswinter sehr wahrscheinlich nicht ungeschoren überstanden haben. Für ein optimales Funktionieren benötigen die verwendeten Leiterplatten eine Temperatur von minus 40 Grad Celsius. Zur Aufrechterhaltung dieser Betriebstemperatur wurde Phoenix sogar mit einer eigenen Heizung ausgestattet. Die monatelangen extreme Kälte, so die Einschätzung der Missionsverantwortlichen, wird sehr wahrscheinlich dazu geführt haben, dass einige der verwendeten Bauteile ihre Elastizität verloren haben und infolge von thermischen Spannungen beschädigt wurden.

Für den unwahrscheinlichen Fall, dass die fast zwei Meter ausladenden Solarpaneele, die empfindliche Elektronik und die Lithiumbatterien den Winter entgegen allen Erwartungen doch unbeschadet überstanden haben, wurde der Lander im Vorfeld der Mission mit einem sogenannten „Lazarus-Modus“ ausgestattet. Mit zunehmender Sonneneinstrahlung, so die Hoffnung der Missionsplaner, laden sich die Batterien von Phoenix wieder auf (Phoenix wurde durch zwei Solarpaneele ausschließlich mittels Solarenergie mit Strom versorgt). Sobald die Batterien erneut über einen ausreichenden Ladezustand verfügen, soll Phoenix seinen Bordcomputer rebooten und entsprechend einer vorgegebenen Grundprogrammierung in regelmäßigen Abständen ein sogenanntes „Lazarus-Signal“ aussenden. Dabei handelt es sich um eine Kommunikationssignal, welches signalisieren soll: „Hallo Erde, ich lebe noch…“.

Eine Falschfarben-Aufnahme des NASA-Orbiters Mars Reconnaissance Orbiter vom 22. August 2009 zeigt Phoenix unter einer Schicht aus Kohlendioxid-Eis. Zum Aufnahmezeitpunkt befand sich die Sonne lediglich 6 Grad über dem Horizont. (Bild: NASA, JPL, University of Arizona

Ursprünglich war vorgesehen, dass entsprechende Versuche einer Kontaktaufnahme bereits ab Oktober 2009 erfolgen sollen. Da hierfür jedoch Personal von anderen NASA-Missionen abgezogen werden muss, entschloss man sich im Herbst letzten Jahres dazu, mit der Suche nach diesem Lazarus-Signal erst Anfang des Jahres 2010 zu beginnen. Ende Oktober 2009 traf sich eine Expertengruppe, um eine entsprechende Vorgehensweise zu planen. Laut Peter Smith soll jetzt ab Januar 2010 mittels des NASA-Orbiters Mars Odyssey nach einem Lebenszeichen von Phoenix gesucht werden. Ein Erfolg dieser Bemühungen wird von den Offiziellen der NASA allerdings als äußerst gering eingeschätzt.

Sollte dieser Versuch jedoch von Erfolg gekrönt sein und eine Reaktivierung des Landers gelingen, dann würde die weitere Vorgehensweise vom Zustand der einzelnen wissenschaftlichen Instrumente und der zur Verfügung stehenden Energiemenge abhängig sein. Bis zum 2. November 2008, dem Tag des letzten erfolgreichen Kontaktversuches, befanden sich alle Instrumente durchweg in einem einwandfreien Zustand. Sollte dies auch weiterhin der Fall sein, so würde das Phoenix-Team die Arbeit mit einer ausführlichen Foto-Kampagne starten, um die Veränderungen der Landschaft zu dokumentieren. Begleitend würde das TECP-Instrument den Wassergehalt und die elektrische Leitfähigkeit des Bodens erfassen, um auch dort eventuelle Veränderungen im Vergleich zu den vorwinterlichen Messungen zu erhalten. Parallel dazu würde auch die kanadische Wetterstation ihre überaus wertvollen Daten über Temperaturen und Windgeschwindigkeiten sammeln. Hierbei handelt es sich jedoch lediglich um ein theoretisches Gedankenspiel, denn auch die an der Mission beteiligten Wissenschaftler gehen davon aus, dass es nicht zu einer erneuten Kontaktaufnahme kommen wird.

Aber ungeachtet des ungewissen Ausgangs dieser Kontaktversuche ist die Mission von Phoenix noch lange nicht beendet. Um noch einmal Peter Smith zu Wort kommen zu lassen: „Phoenix hat für einige Überraschungen gesorgt und ich bin zuversichtlich, dass wir in den kommenden Jahren noch weitere Juwelen aus diesem Datenschatz bergen werden.“ Die wissenschaftliche Auswertung der Daten wird auch weiterhin fortgesetzt werden und die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden zu einem nicht unwesentlichen Teil in die zukünftigen Rovermissionen von NASA und ESA einfließen.


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