Mars Phoenix Lander – Die ersten Resultate (Teil 1)

Nach seiner Landung am 25. Mai 2008 untersuchte der Marslander Phoenix fünf Monate lang die Nordpolarregion des Mars, bevor aufgrund von Energiemangel die Stromversorgung zusammenbrach. Am 2. November 2008 sandte Phoenix die letzten Daten zur Erde. Nachdem in der Folgezeit kein neuer Kontakt hergestellt werden konnte, wurde die Mission am 10. November 2008 von der NASA offiziell für beendet erklärt. Seitdem waren verschiedene Wissenschaftler-Teams mit der Auswertung der gewonnenen Daten beschäftigt. Welche Erkenntnisse konnten dabei bisher gewonnen werden?

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: NASA.

Die durch Mars Odyssey erfasste Wasserstoffverteilung auf dem Mars lässt speziell in den Polarregionen auf das Vorhandensein von größeren Mengen an Wassereis direkt unter der Oberfläche schließen.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Los Alamos National Laboratory)

Die wissenschaftlichen Hauptziele des Marslanders Phoenix bestanden im Nachweis von Wassereis innerhalb der oberflächennahen Bodenschicht der Nordpolarregion des Mars, der Analyse der mineralogischen Zusammensetzung dieser Bodenschicht und der Suche nach eventuell vorhandenen organischen Molekülen. Zu diesem Zweck verfügte Phoenix über mehrere Analyse-Instrumente. Mit einer speziellen Schaufel konnten Bodenproben der Umgebung entnommen werden. Diese Proben konnten anschließend mit einer am Schaufelarm installierten Kamera (RAC) abgebildet werden. Danach waren weitere Abbildungen durch ein optisches Mikroskop (OM) und ein spezielles Rasterkraftmikroskop (AFM) möglich. Dadurch war eine erste, rein optische Charakterisierung der entnommenen Bodenproben vom Zentimeter- bis in den Submikrometerbereich möglich. Im Anschluss konnten die Proben wahlweise zwei speziellen Analyseöfen zugeführt werden.

In einem „Wet Chemistry Laboratory“ (WCL) genannten Instrument standen Analysekammern für vier verschiedene Bodenproben zur Verfügung. Die eingefüllten Proben wurden mit von der Erde mitgeführten destillierten Wasser versetzt. Eine anschließende Analyse mit ionenselektiven Elektroden gab Aufschluss über den wasserlöslichen Anteil des untersuchten Marsbodens. Dadurch konnten Aussagen über das Vorhandensein und die Art von leicht löslichen Salzen getroffen werden. Der zweite Analyseofen, das „Thermal and Evolved Gas Analyzer“-Labor (TEGA), hatte acht Zellen zur Verfügung. In diesen konnten die entnommenen Proben in mehreren Stufen auf bis zu 1.000 Grad Celsius erhitzt werden. Im Laufe dieser mehrtägigen Erwärmung erfolgte eine massenspektroskopische Analyse der dabei freigesetzten Moleküle. Die jeweiligen Temperaturbereiche, bei denen diese Moleküle freigesetzt wurden, ermöglichen Rückschlüsse über deren mineralogische Herkunft. Zu diesem Zweck wurden im Verlauf der Mission insgesamt 12 Gräben mit Tiefen von bis zu 18 Zentimetern ausgehoben. Mit dem dabei gewonnenen Material konnten alle vier Zellen des WCL und sechs Zellen des TEGA befüllt und die Bodenproben analysiert werden.

Das Vorhandensein von größeren Mengen Wassereis direkt unter der Oberfläche der nordpolaren Regionen des Mars wurde bereits im Vorfeld der Phoenix-Mission durch die Daten verschiedener Marsorbiter nahegelegt. Die kosmische Strahlung, welcher der Mars ausgesetzt ist, setzt im Marsboden hochenergetische Neutronen frei. Diese Neutronen kollidieren mit anderen Neutronen und Atomen, werden so mehr oder weniger effizient abgebremst und setzten dabei Gammastrahlung frei. Durch die Messung dieser von der Marsoberfläche ausgehenden Strahlung ist es möglich, die Menge und Verteilung verschiedener chemischer Elemente auf dem Mars zu ermitteln. Durch Messungen mit seinem Gamma- und Neutronenspektrometer (GRS) konnte so zum Beispiel der Mars-Orbiter „Mars Odyssey“ seit dem Jahr 2002 an den beiden Polen größere Konzentrationen von Wasserstoff nachweisen. Dies legt die Präsenz von Wassereis in einer Tiefe von weniger als einem Meter unter der Oberfläche, dem maximalen Detektionsbereich des GRS, nahe. Der direkte Nachweis dieser Wassereisvorkommen war eines der Missionsziele der NASA.

Die Veränderungen an „Snow Queen“ zwischen den Missionstagen 21 (15. Juni 2008) und 44 (9. Juli 2008). Deutlich ist die Bildung mehrerer bis zu zehn Zentimeter langer Risse auf der Oberfläche des Wassereises erkennbar.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, MPI)

Der Nachweis von Wassereis konnte durch Phoenix dann auch relativ schnell alleine durch die optischen Daten erbracht werden. Eines der ersten Bilder, welches die Roboterarmkamera aufnahm, zeigte die Unterseite des Landers. Der eigentliche Zweck dieses am fünften Missionstag aufgenommenen Fotos bestand in der Überprüfung der Standfestigkeit von Phoenix und sollte zudem die Auswirkungen der Landetriebwerke auf die oberste Bodenschicht dokumentieren. Auf dem im Gegenlicht aufgenommenen Foto sichtete man eine relativ große, ovale, weiße Fläche, welche von dem typischen Marsregolith umgeben war. Offensichtlich hatten die Landetriebwerke an dieser Stelle den Marsstaub weggeblasen und diese helle Formation freigelegt. Zunächst war unklar, ob es sich dabei um eine Felsformation aus Grundgestein, eine mineralische Ablagerung oder eventuell um Eis handelt.

In den folgenden Sols („Sol“ ist in der Marsforschung die Bezeichnung für einen synodischen Marstag, welcher mit einer Dauer von 24 Stunden, 39 Minuten und 35 Sekunden etwas länger ausfällt als ein Tag auf der Erde) zeigten weitere Fotos dieser als „Holy Cow“ bezeichneten Formation Veränderungen der einst sehr glatten Oberfläche, welche als die Sublimation von Wassereis interpretiert wurden. Ähnliche Veränderungen konnten bei einer zweiten, als „Snow Queen“ benannten Stelle beobachtet werden. Hier bildeten sich im Laufe der Zeit millimetertiefe Risse und Furchen, welche eine Längen von mehreren Zentimetern bis zu einem Dezimeter erreichten. Veränderungen der Farbe von „Snow Queen“ und die beobachtete Verdampfungsrate legen den Schluss nahe, dass es sich hierbei nicht um relativ reines Wassereis wie bei „Holy Cow“ handelt, sondern um eine dünne Eisschicht, welche mit Staub versetzt ist.

Ein weiterer optischer Nachweis von Wassereis gelang am Grabungsort „Dodo-Goldilock“. Im Verlauf der dortigen Grabungen legte man in einer Tiefe von vier bis fünf Zentimetern ein weißes Material frei, bei dem es sich sowohl um Salzablagerungen als auch um Eis handeln konnte. Die am Sol 20 noch im unteren linken Bereich der Grabungsstätte sichtbaren, etwa eineinhalb bis zwei Zentimeter durchmessenden Klumpen waren vier Tage später komplett verschwunden – ein eindeutiger Beweis dafür, dass es sich um Eis handelte. Aus der Zeitspanne bis zur kompletten Auflösung ließ sich eine Sublimationsrate von über 200 Mikrometern/Sol berechnen. Auch weitere Aufnahmen der Stereokamera, welche sowohl im sichtbaren als auch im nahen Infrarot-Bereich angefertigt wurden, deuten auf das Vorhandensein von teilweise relativ reinem, teilweise stark mit Regolith versetztem Wassereis hin. Dass es sich bei den beobachteten Formationen um Kohlendioxid-Eis handelt, kann mit Sicherheit ausgeschlossen werden, da die Umgebungstemperaturen dafür zu hoch waren. Kohlendioxid-Eis wäre nur wenige Stunden, jedoch nicht mehrere Tage lang stabil geblieben. Dagegen ist die beobachtete Verdampfungsrate unter den gegeben Druck- und Temperaturbedingungen typisch für Wassereis auf dem Mars.

Diese Animation belegt die Sublimation von kleinen Eisbrocken innerhalb der Grabungsstelle „Dodo-Goldilock“ zwischen dem 20. und 24. Missionstag.
(Bild: NASA, JPL, University of Arizona, Texas A&M University, Animation: Emily Lakdawalla)

Spätere Untersuchungen einer Bodenprobe von „Dodo-Goldilock“ mit dem TEGA zeigten, dass in verschiedenen Temperaturbereichen wasserhaltige Mineralien freigesetzt wurden. Die Temperaturen, bei denen die Verdampfungsrückstände der verschiedenen Probenbestandteile freigesetzt wurden, kommen bei diesem Analyseverfahren einem chemischen Fingerabdruck gleich. Im Temperaturbereich bis 735 Grad Celsius gelang dabei der Nachweis von Goethit (ab etwa 250 °C), Smektiten (300 °C), Magnesiumsulfaten (350 °C), dem Eisensulfat Jarosit (400 °C) und Kaolinit (400 bis 550 °C). Diese Mineralien bilden sich auf der Erde nur unter dem Einfluss von Wasser, was als Anzeichen dafür gewertet werden kann, dass das Landegebiet von Phoenix in einer früheren Phase der Mars-Geschichte mit flüssigen Wasser in Kontakt gelangt war. Die direkte Untersuchung einer Eisprobe durch TEGA war leider nicht möglich, da es nicht gelang, das Gerät mit einer entsprechenden Probe zu befüllen, bevor das darin enthaltene Eis infolge der Sonneneinstrahlung sublimierte.

Stattdessen wurde am Sol 63 eine Probe vom Grund von „Snow White“, einer weiteren Grabungsstelle, entnommen, welche definitiv mit sublimierendem Material in Berührung gekommen war. Dabei gelang dem Massenspektrometer im TEGA-Ofen im Temperaturbereich zwischen minus 20 und plus 35 °C der Nachweis von Wasser. Ansonsten erwiesen sich die mit TEGA analysierten Bodenproben als ausgesprochen trocken. Bis zum Temperaturbereich von 295 °C gelang kein weiterer Nachweis von Wasser. Dies war sehr überraschend, da man aufgrund der parallel stattgefundenen Detektion von hohen Konzentrationen von Perchlorat-Salzen, welche naturgemäß in hohem Maße hygroskopisch sind, von einem solchen Nachweis ausgegangen war.

Dafür gelang der Nachweis einer Freisetzung von Kohlendioxid im Temperaturbereich zwischen 800 und 900 °C. Daraus lässt sich das Vorhandensein von etwa drei bis fünf Gewichtsprozent Kalziumkarbonat, also Kalk, im untersuchten Marsboden ableiten. Dieses Ergebnis steht in Einklang mit den Resultaten des WCL und erklärt auch den dort gemessenen basischen ph-Wert der untersuchten Bodenproben. Dagegen gelang kein Nachweis von Schwefeldioxid, was insoweit überraschend ist, da bisher alle anderen Marslander und Rover eine Schwefelkonzentration von fünf bis zehn Gewichtsprozent detektieren konnten. Auch Magnesiumsulfat konnte in den Proben nicht nachgewiesen werden. Dagegen liegt die Vermutung nahe, dass in den Bodenproben Kalziumsulfat in Form von Gips und Anhydrit vorhanden ist. Diese Annahme wird durch die Messungen der verschiedenen Marsorbiter gestützt, welche unter anderem am Marsnordpol größere Vorkommen von Kalziumsulfaten nachweisen konnten.

Die wahrscheinlich überraschendsten Ergebnisse der Mission lieferte das Wet Chemistry Laboratory. In allen vier vom WCL untersuchten Proben bildete sich eine schwach basische Lösung mit einem ph-Wert von 7,7 (bei einer Toleranz von plus/minus 0,5). Dieses Resultat lässt sich zwar gut mit den Daten der Viking-Lander in Einklang bringen, steht jedoch im Gegensatz zu den Ergebnissen der beiden zur Zeit aktiven Marsrover Spirit und Opportunity. Deren Messdaten und Bodenanalysen legen eher einen „sauren“ Boden nahe.

Die anschließenden Analysen der wässrigen Lösungen erbrachte den eindeutigen Nachweis großer Mengen von Perchlorat-Ionen (ClO4−). Den Nachweis von Chlor im Marsboden hatten in den 1970er Jahren bereits die beiden Marslander Viking 1 und 2 erbracht. Auch die beiden Marsrover Spirit und Opportunity konnten es in ihren jeweiligen Operationsgebieten, dem Gusev-Krater und dem Meridiani Planum, nachweisen. Die Entdeckung von Phoenix legt jetzt die Vermutung nahe, dass ein nicht unwesentlicher Teil dieses Chlors als Perchlorat vorliegt, der höchsten Oxidationsstufe, die dieses Element erreichen kann. Überraschend war auch die vorgefundene hohe Konzentration. Ausgehend von einer angenommenen Menge von einem Gramm untersuchten Probenmaterials ergibt sich ein Anteil von mindestens 0,47 Gewichtsprozent Perchlorat im Marsboden. Dies stellt eine Konzentration dar, welche über dem Perchlorat-Gehalt in verschiedenen irdischen Wüstengebieten liegt. Das Perchlorat-Ion stellte sich bei den Untersuchungen als das dominierende Anion in den verschiedenen Proben heraus. Die Verteilung der Kationen deutete desweiteren darauf hin, das ein Teil der im Boden enthaltenen Perchlorate in Form von Magnesium- oder Kalziumperchlorat vorliegen muss.

Die Grabungsstelle „Snow White“ am östlichen Ende des Arbeitsbereiches von Phoenix, aufgenommen am 8. September 2008 (Sol 103). Der ausgehobene Graben ist 23 Zentimeter breit.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, Texas A&M University)

Von besonderem Interesse ist dies auch in Bezug auf die Frage nach eventuell auch heute noch vorhandenen flüssigen Wasservorkommen unter der Marsoberfläche. In Bezug auf Temperatur und atmosphärischem Druck kann Wasser auf dem Mars unter den gegebenen Umständen normalerweise lediglich in fester oder gasförmiger Form vorkommen. Perchlorat ist jedoch nicht nur in hohem Maße wasserbindend und könnte somit die knapp bemessene Luftfeuchtigkeit im Boden halten, es ist zudem in einer hohen Konzentration auch ein äußerst effektives „Frostschutzmittel“. Bei einer hohen Beimischung von Perchlorat-Salzen wäre es somit denkbar, dass Wasser unter den vorhandenen atmosphärischen Bedingungen noch bis zu einer Temperatur von minus 70 °C flüssig bleibt. Dies, so Nilton Renno von der University of Michigan, würde bedeuten, dass sich nur wenige Zentimeter unter der Oberfläche flüssige Salzwasserfilme bilden könnten. Seine Kollegin Hanna G. Sizemore von der University of Colorado sagt dazu: „Diffusion ist wahrscheinlich der primäre Mechanismus, um in der heutigen Epoche des Mars Wasser in die oberflächennahe Regolithschicht zu transportieren. Lokale Zonen oberflächennahen Eises weisen dabei auf einen Wassertransport durch dünne Wasserfilme hin.“ Das Perchlorat würde in diesem Falle den Wasserdampf aus der Atmosphäre an sich binden. Dieser würde in den flüssigen Aggregatzustand übergehen und auch über einen längeren Zeitraum in diesem verbleiben.

Der Nachweis von Perchloraten und die daraus resultierenden Fragen haben einen großen Einfluss auf das Verständnis der chemischen Prozesse und Reaktionen, welche sich in der Atmosphäre und dem Boden des Mars abspielen. Ist die im Vastitas Borealis vorgefundene hohe Konzentration ein auf den dortigen Landeplatz beschränktes Phänomen und, wenn ja, warum? Oder ist diese Konzentration auch in anderen Regionen des Mars aufzufinden? Kann sich durch eine hohe Konzentration von Perchloraten auch unter den momentan gegeben Umständen flüssiges Wasser unter der Oberfläche bilden und dort über längere Zeiträume überdauern? Und nicht zuletzt: Welche Auswirkungen hat das Perchlorat auf die eventuelle Entwicklung von einst oder sogar immer noch vorhandenen mikrobiellen Lebensformen? Welche Eigenschaften müssten extremophile Mikroben aufweisen, um sich unter diesen Bedingungen zu entwickeln und zu existieren?

Diese Grafik beschreibt die zeitliche Verteilung der fünf vulkanischen Aktivitätsphasen auf dem Mars.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Auch die Herkunft der Perchlorate muss noch geklärt werden. Sollten diese einen photochemischen Ursprung haben, welcher mit dem auf der Erde identisch ist, nämlich die Reaktion von Ozon mit Chlor in der Atmosphäre, und sollte das hierbei zugrundeliegende Chlor bei Vulkanausbrüchen freigesetzt worden sein, so liegt die Vermutung nahe, dass die Bildung von Perchloraten lediglich bis zum Ende der letzten vulkanischen Phase des Mars erfolgte. Ist die Bildung von Perchloraten auf dem Mars zudem von dem Vorhandensein von Ozon abhängig, so wäre dies auch ein Indiz dafür, dass es sich lediglich im Bereich um die Polarkappen so stark konzentriert. In Äquatornähe und in den mittleren Breiten konnte Ozon bisher nur in sehr geringen Konzentrationen nachgewiesen werden, während es in der Zeit des Frühlings und Sommers in den zirkumpolaren Regionen verstärkt auftritt.

Der zweite Teil dieser Artikelserie über die Resultate der Phoenix-Mission erwartet Sie in zwei Wochen. Dort werden wir sie dann über die Erkenntnisse bezüglich der Meteorologie und des Wasserkreislaufes der nordpolaren Ebenen des Mars informieren.

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