Die Entwickler der beiden Mars Exploration Rover konnten bei ihrer Arbeit auf Erfahrungen zurückgreifen, die 1997 während der erfolgreichen Mars Pathfinder-Mission gemacht wurden.
Autor: Michael Stein. Vertont von Dominik Mayer.
Einleitung
Nach dem Fehlschlag der amerikanischen Mars Observer-Mission im August 1993 – wenige Tage vor dem Eintritt in den Mars-Orbit brach der Kontakt mit der Raumsonde ab (möglicherweise aufgrund einer Explosion, als sich beim Vorwärmen des Haupttriebwerks Treibstoffreste in den Zuleitungen entzündeten) – schickte die US-Raumfahrtbehörde NASA 1996 gleich zwei neue Mars-Missionen ins Rennen, um die vom Mars Observer-Fehlschlag hinterlassene Scharte auszuwetzen: Mars Global Surveyor und Mars Pathfinder.
Und tatsächlichen wurden diese beiden Forschungsmissionen für die NASA auch zu triumphalen Erfolgen. So kreist noch heute, über fünf Jahre nach seiner Ankunft beim Roten Planeten am 12. September 1997, der Mars Global Surveyor auf einer annähernd polaren Umlaufbahn um den Mars und hat mittlerweile über 100.000 Aufnahmen der Planetenoberfläche zur Erde gesendet. Auch für die Festlegung der Landegebiete der beiden 2003 Mars Rover spielen die Aufnahmen dieses „globalen Kundschafters“ eine wichtige Rolle, und während der Landephase der beiden Mars-Rover wird es Mars Global Surveyor sein, der die Kunde vom Erfolg oder Misserfolg der Landung zur Erde überträgt.
Doch vor allem die zweite Mars-Mission des Jahres 1996 sollte ins Bewusstsein der Öffentlichkeit gelangen: Die Meldung der erfolgreichen Landung von Mars Pathfinder auf der Marsoberfläche am 4. Juli 1997 fand den Weg auf die Titelseiten beinahe sämtlicher Zeitungen und in die Nachrichtensendungen der TV-Sender. Im damals gerade populär werdenden Internet löste die Landung von Pathfinder einen Datenverkehr aus, wie ihn das Internet bis dahin noch nicht erlebt hatte.
„Faster, Better, Cheaper“
Anders als beim Mars-Orbiter Mars Global Surveyor standen bei der Pathfinder-Mission wissenschaftliche Ziele nicht im Vordergrund. Der NASA ging es in erster Linie darum, neue Technologien für kommende Mars-Missionen zu testen. Außerdem war Mars Pathfinder die zweite Mission, die unter dem 1993 postulierten „Faster, Better, Cheaper“-Ansatz (= „Schneller, Besser, Billiger“) entwickelt worden war. Diese Philosophie war eine Konsequenz aus dem Scheitern der kostspieligen Mars Observer-Mission und den Budgetkürzungen, die die amerikanische Raumfahrtbehörde Anfang der 1990er Jahre hinnehmen musste. Zukünftig sollten kleinere und deutlich kostengünstigere Forschungssonden in schnellerer Folge entwickelt werden, um so das Risiko eines Fehlschlags auf mehrere Missionen zu verteilen.
Vergleicht man die unter dieser Philosophie entwickelte Mars Pathfinder-Mission mit den beiden Viking-Missionen der 1970er Jahre, so wird der Unterschied schnell offensichtlich. Während die Viking-Missionen gut zehn Jahre Entwicklungszeit und ein Budget in der Größenordnung von einer Milliarde US-Dollar beanspruchten wurde die Mars Pathfinder-Mission (wie auch Mars Global Surveyor) in weniger als der Hälfte dieser Zeit entwickelt und umgesetzt, und das mit deutlich geringeren Kosten – was natürlich auch durch den zwischenzeitlich erfolgten technischen Fortschritt begünstigt wurde.
Nach den Fehlschlägen des Jahres 1999 jedoch, als kurz nacheinander die beiden Mars-Missionen Mars Climate Orbiter und Mars Polar Lander verloren gingen, wurde der „Faster, Better, Cheaper“-Ansatz massiv in Frage gestellt. Wenngleich die grundsätzliche Entscheidung, die vorhandenen Mittel statt für wenige Großmissionen für kleinere, schneller umzusetzende Forschungsmissionen zu verwenden sinnvoll erscheint, so wurde der NASA vorgehalten, sich bei der praktischen Umsetzung dieses Konzeptes zu sehr auf die beiden Aspekte „Schneller“ und „Billiger“ konzentriert zu haben. Rückblickend betrachtet ist wohl auch eine zu ehrgeizige Planung für die Fehlschläge verantwortlich, die zu viel mit zu geringen Mitteln in zu kurzer Zeit erreichen wollte – das „Faster, Better, Cheaper“-Konzept wäre vielleicht ohne diese bitteren Rückschläge ausgekommen, wenn die Zielvorgaben realistischer, d.h. bescheidener gewesen wären.
Glanzvolle Zeiten
Mars Pathfinder jedoch war zunächst eine glanzvolle Bestätigung der neuen NASA-Philosophie. Die Mission bestand aus dem Pathfinder-Lander und dem mitgeführten Sojourner-Rover, dem ersten Fahrzeug, das sich auf der Marsoberfläche fortbewegte. Die Ausstattung mit wissenschaftlichen Instrumenten war nur gering ausgefallen, da in erster Linie neue Technologien erprobt werden sollten.
Der Start erfolgte mit einer Delta II-Rakete am 4. Dezember 1996, die erfolgreiche Landung fand genau sieben Monate später, am 4. Juli 1997 statt – über 20 Jahre nach der Ankunft der letzten erfolgreichen amerikanischen Mars-Mission beim Roten Planeten, Viking 2. Für die Landung von Pathfinder wurde erstmals ein Verfahren eingesetzt, das mehrere „Airbags“ statt aufwendiger Bremstriebwerke einsetzte: Kurz vor der Landung wurde der Bremsfallschirm abgesprengt und ein Kokon aus mehreren Airbags aktiviert, so dass Pathfinder wie ein Gummiball erst mehrmals über die Marsoberfläche sprang, bevor der Lander zur Ruhe kam. Anschließend wurden die Airbags entlüftet und die blütenförmig angeordneten Solarpaneele des Landers entfalteten sich so, dass er aufrecht zum Stehen kam.
Der auf einem der Solarpaneele befestigte Mars-Rover Sojourner verließ einige Tage nach der Landung sein Mutterschiff und begann, die nähere Umgebung des Landers zu erkunden. Wie auch der Pathfinder-Lander wurde er durch Solarzellen mit Energie versorgt. Sojourner war mit drei Kameras sowie einem Spektrometer ausgestattet, mit dessen Hilfe die chemische Zusammensetzung des Marsbodens sowie verschiedener Felsbrocken im Umfeld des Landers untersucht wurde. Die Datenkommunikation mit der Erde erfolgte indirekt über den Pathfinder-Lander.
Auf dem Lander war eine meteorologische Mess-Station an einem rund einen Meter hohen Mast angebracht, die permanent Temperatur, Druck und Windverhältnisse der Marsatmosphäre registrierte. Eine bewegliche Stereo-Kamera war ebenfalls an einem ausfahrbaren Mast befestigt und konnte unter anderem auch mit Hilfe farbiger Filterscheiben stereoskopische Fotos vom Landegebiet aufnehmen.
Sowohl der Pathfinder-Lander wie auch der Rover Sojourner haben zur Freude der Wissenschaftler die in sie gesetzten Erwartungen deutlich übererfüllt. Während der für eine Lebensdauer von 30 Tagen ausgelegte Lander annähernd drei Mal so lange Messdaten und über 16.500 Fotos zur Erde schickte, hielt Sojourner sogar 12 Mal länger als die angesetzten sieben Tage durch und übermittelte über 500 Fotos sowie Analysewerte von 16 Untersuchungsobjekten.
Die Nachfolger von Sojourner
Wenn man die beiden Mars Exploration Rover des Jahres 2003 im Vergleich mit Sojourner betrachtet fällt einem unwillkürlich das Bild von Kindern ein, die Ihrer Mutter über den Kopf gewachsen sind: Brachte Sojourner bei einer Schulterhöhe von 28 Zentimetern gerade einmal 11,5 Kilogramm auf die Waage, so kommt jeder der beiden neuen Rover auf 185 Kilogramm „Lebendgewicht“. Die an einem aufrichtbaren Mast angebrachten Kameras ragen rund eineinhalb Meter über die Marsoberfläche empor und erlauben so einen weiten Blick über das Terrain.
Dennoch ist das grundlegende Design der beiden Rover-Generationen vergleichbar, denn beide bewegen sich auf sechs Rädern an drei Achsen über den felsigen und staubigen Untergrund und beziehen die für ihren Betrieb notwendige elektrische Energie aus Solarzellen. Auch der Landevorgang der beiden Mars Exploration Rover verläuft analog zu dem der Pathfinder-Mission mit Hilfe von Bremsfallschirm und Airbags (sowie Bremsraketen, die unmittelbar vor dem Aufprall für einige Sekunden gezündet werden).
Die beiden Sojourner-Nachfolger sind allerdings um einiges selbständiger und mobiler als ihr Vorgänger. Da ihre Lander – anders als bei der Pathfinder-Mission – nach dem Aussetzen des Rovers keinerlei Funktion mehr wahrnehmen müssen die im Januar 2004 bei unserem äußeren Nachbarplaneten eintreffenden Rover in der Lage sein, direkt mit der Erde beziehungsweise verschiedenen Mars-Orbitern zu kommunizieren, um Befehle empfangen und Messdaten sowie Aufnahmen zur Erde senden zu können. Auch die Ausstattung mit wissenschaftlichen Messgeräten ist deutlich größer: War Sojourner außer mit drei S/W-Kameras nur mit einem einzigen Spektrometer ausgestattet, so verfügen die beiden neuen Mars-Rover über drei Kameras für wissenschaftliche Aufnahmen (darunter eine Kamera für mikroskopische Nahaufnahmen von Marsgestein) und einen Satz aus drei verschiedenen Spektrometern zur chemisch-geologischen Untersuchung der Marsoberfläche.
Auch der Aktionsradius der neuen Rover ist deutlich größer als bei Sojourner, der während seiner gesamten Lebensdauer auf dem Mars rund 100 Meter zurücklegte. Die beiden neuen Mars-Rover können maximal 100 Meter pro Tag (!) zurücklegen, tatsächlich rechnet man jedoch mit einer durchschnittlichen täglichen Wegstrecke von maximal 40 Metern (die während einer Zeitspanne von drei bis vier Stunden rund um den Mars-Mittag herum absolviert werden muss, da nur dann die Energieproduktion der Solarzellen für den Antrieb der Rover ausreicht). Multipliziert man dieses Tagespensum mit der angenommenen Mindestlebensdauer von 90 Tagen je Rover, dann werden die beiden Kundschafter im nächsten Mars-Frühjahr schon ein gutes Stück weit auf dem Roten Planeten herumkommen. In den Missionsplanungen ist für die Primärmission übrigens eine zurückgelegte Gesamtstrecke von 600 Metern je Rover als Minimalziel definiert, denn letztendlich geht es ja nicht in erster Linie darum, neue Entfernungsrekorde aufzustellen: die Mobilität der Rover ist nur Mittel zum Zweck, um wissenschaftlich interessante Objekte zu erreichen.
Den Kinderschuhen entwachsen
Die Anfang 2004 auf dem Mars landenden Rover werden ungleich leistungsfähiger als ihr Vorgänger Sojourner sein. Doch erst sein Erfolg hat den Weg dafür geebnet, dass wir demnächst wieder Bilder von der einsam-schönen Oberfläche unseres schon lang beobachteten Nachbarplaneten sehen werden – und wie immer die Geschichte der Mars-Forschung weitergehen wird, es werden nicht die letzten Fahrzeuge sein, die sich ihren Weg durch die Steinwüsten dieses Planeten suchen werden.
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