Mars Express zeigt eine der ältesten Marslandschaften

Heute veröffentlichte Aufnahmen der Raumsonde Mars Express zeigen die Region Hesperia Planum auf dem Mars. Die Bilder enthüllen Hinweise darauf, dass die dortige Landschaft, bei der es sich um eine der ältesten Oberflächenformationen auf dem Mars handelt, in der Vergangenheit unter anderem durch die Einflüsse von Wasser gestaltet wurde.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, DLR, ESA.

NASA, MGS, MOLA Science Team, FU Berlin
Eine topografische Übersichtskarte des nördlichen Hesperia Planums. Der am 15. Januar 2013 durch die HRSC-Kamera abgebildete Bereich ist umrahmt.
(Bild: NASA, MGS, MOLA Science Team, FU Berlin)

Bereits seit dem Dezember 2003 befindet sich die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express in einer Umlaufbahn um den Mars und liefert den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern seitdem regelmäßig eine Vielzahl an Daten über die Atmosphäre und die Oberfläche unseres äußeren Nachbarplaneten, durch deren Auswertung sich für die Planetenforscher wertvolle Einblicke in dessen Entwicklungsgeschichte ergeben.

Am 15. Januar 2013 überflog Mars Express während des Orbits Nummer 11.504 einen Teilbereich der Region Hesperia Planum und bildete dieses Gebiet mit der High Resolution Stereo Camera (kurz „HRSC“), einem der insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Marsorbiters, ab. Aus einer Überflughöhe von mehreren hundert Kilometern erreichte die HRSC dabei eine Auflösung von ungefähr 22 Metern pro Pixel.

Bei der Region Hesperia Planum handelt es sich um eine ausgedehnte Hochebene, welche sich unmittelbar südlich des Marsäquators befindet und die über einen Durchmesser von mehr als 1.500 Kilometern verfügt. Die Hochebene dient als Namensgeber für das mittlere der drei geologischen Zeitalter des Mars, welches als die „Hesperianische Epoche“ oder auch als „Hesperium“ bezeichnet wird. Das Hesperium deckt in etwa den Zeitraum von 3,7 bis 3,3 Milliarden Jahren vor unserer Zeit ab.

In dieser Periode spielten sich auf dem Mars verschiedene Prozesse ab, welche den gesamten Planeten nachhaltig veränderten. So ergossen sich zum Beispiel aus ausgedehnten Spalten in der Marskruste riesige Lavamengen über die Planetenoberfläche und bildeten weite, ausgedehnte Ebenen.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Die drei geologischen Zeitalter auf dem Mars. Während des Hesperiums kam es erstmals zu größeren vulkanischen Aktivitäten.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

In diesem Zeitraum entstanden auch die ältesten, in der Tharsis- und in der Elysium-Region gelegenen Marsvulkane sowie das Grabensystem der Valles Marineris. Durch die vulkanischen Aktivitäten wurden zudem große Mengen an Wasser freigesetzt, welche sich anschließend über die Marsoberfläche ergossen und dabei gewaltige Ausflusstäler erzeugten.

Das Zentrum des von der HRSC am 15. Januar abgebildeten Gebietes befindet sich bei vier Grad südlicher Breite und 114 Grad östlicher Länge und gibt somit einen Teilbereich des nördlichen Hesperia Planum wieder. Auf den heute veröffentlichten Aufnahmen können einige der in der Vergangenheit erfolgten geologischen Veränderungen zum Teil exemplarisch nachvollzogen werden.

Die abgebildete Region ist von zahlreichen Kratern unterschiedlichster Größen übersät, welche im Laufe der Zeit durch verschiedene erosive Prozesse stark verändert wurden. Bei manchen Kratern wurden die Kraterwälle abgetragen, andere Krater wurden fast vollständig mit Sand, Staub und Lockermaterial verfüllt. Dies führt zu dem Schluss, dass es sich bei diesem Hochlandgebiet um eine der ältesten Gesteinsformationen überhaupt handelt, welche auf dem Mars zu beobachten sind.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine Höhenkarte der kürzlich durch die HRSC-Kamera abgebildeten Region. Ganz schwach sind im Zentrum der Ansicht verschiedene mäandrierende Talverläufe erkennbar. Norden befindet sich rechts.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Südlich des hier gezeigten Teilbereiches des Hesperia Planum nimmt ein kleines, verzweigtes System von Tälern namens „Tagus Valles“ seinen Ausgang. Die Ausläufer der Täler sind auf den hier gezeigten Aufnahmen nicht ganz leicht zu erkennen, da verschiedene geologische Prozesse die Oberfläche und auch den Talverlauf verändert haben. In der nebenstehenden farbkodierten topographischen Karte lassen sich stellenweise unterhalb (östlich) und rechts (nördlich) des großen Kraters im Zentrum dieser Nadir-Ansichten ansatzweise noch mäandrierende Talverläufe erkennen.

Nördlich und nordöstlich dieser nur noch schemenhaft erkennbaren Täler verfügen dagegen viele Krater über eine sehr glatte Oberfläche. Es wird vermutet, dass diese Krater im Laufe der Zeit mit Sedimentmaterial aufgefüllt wurden. Diese Sedimente, so die Annahme der Planetologen, wurden einstmals von Wasser, welches durch die Täler der Tagus Valles floss, dorthin transportiert und schließlich dort abgelagert.

Eine Nadir-Farbansicht der am 15. Januar 2013 durch die HRSC-Kamera abgebildeten Region.
Eine Nadir-Farbansicht der am 15. Januar 2013 durch die HRSC-Kamera abgebildeten Region.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Im rechten unteren Bildquadranten der verschiedenen Nadir-Ansichten ist zudem eine Gruppe von Kratern zu erkennen, welche miteinander verbunden sind und die ebenfalls verfüllt wurden. Im Zentrum dieser drei sich überlagernden Krater befindet sich ein kleinerer Krater mit einem Durchmesser von rund 6,5 Kilometern und einem sehr viel schärfer umrissenen Rand. Dieses Profil lässt erkennen, dass dieser Impaktkrater zu einem späteren Zeitpunkt als die flacheren Krater entstanden ist.

Der Krater ist von einer auffälligen Auswurfdecke umgeben, die sich mit ihrem markanten Rand wie mit einem Wall über die Ebene erhebt. Diese auch als „Ejektadecke“ bezeichnete Formation ist ein untrügerisches Zeichen dafür, dass sich zu dem Zeitpunkt, als sich der für die Entstehung des kleineren Kraters verantwortliche Impakt ereigneten, direkt unter der Oberfläche Wassereis befunden haben muss. Durch die großen Energiemengen, welche im Rahmen des Impaktprozesses freigesetzt wurden, wurden diese Eisvorkommen mobilisiert, was bis zu einem gewissen Grad zu einer Verflüssigung des dortigen Marsbodens führte.

Das jetzt teilverflüssigte Untergrundmaterial wurde durch die Wucht des Impaktes zuerst in die Höhe geschleudert und fiel anschließend in der Umgebung des Kraters wieder zur Oberfläche zurück. Der zugrunde liegende Prozess ist vergleichbar mit dem Wurf eines Steins in eine angetrocknete Schlammpfütze.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein perspektivischer Blick über die Szenerie. Der hier gezeigte Krater ist einer der tiefsten Krater in dieser Region. An seinen Innenwänden sind im Laufe der Zeit diverse Erdrutsche niedergegangen und haben dabei deutlich erkennbare Rinnen hinterlassen.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Einen weiteren Hinweis auf das zeitweilige Vorhandensein von Wasser liefert ein dunkel gefärbte Krater im Süden der abgebildeten Region (erkennbar im linken oberen Bildbereich der Nadir-Ansichten). Dieser Krater verfügt über einen Durchmesser von etwa 34 Kilometern. Auffallend sind zahlreiche große Tafelberge und so genannte Yardangs, welche sich im Inneren des einstmals teilweise von Sedimenten aufgefüllt Kraters gebildet haben. Vieles deutet darauf hin, dass der Krater zu verschiedenen Zeitpunkten gleich mehrfach überflutet wurde. Während solcher Flutereignisse wurden Sedimente im Inneren des Kraters abgelagert.

Damit die in der Gegenwart auf den Aufnahmen zu erkennende ungewöhnlich „chaotisch“ anmutende Landschaft im Innern des Kraters entstehen konnte, mussten zuvor Teile dieser Sedimente wieder abgetragen werden. Eine mögliche Erklärung für die Entfernung der kraterinneren Sedimente sind Lösungsprozesse, welche sich unter der Oberfläche abgespielt haben. Hierbei wurden durch Wasser Hohlräume ausgewaschen, in welche anschließend Material von der Oberfläche nachgesackt ist. Im oberen rechten Bereich des Kraterbodens sind die Überreste eines schmalen Tals zu erkennen, durch welches einstmals Wasser geströmt sein könnte.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein weiterer perspektivischer Blick zeigt den im Zentrum der Nadir-Ansicht gelegenen, bereits stark erodierten Krater. Dieser wird teilweise von einem kleineren, jüngeren Krater überlagert.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Ein weiteres interessantes Merkmal dieses Kraters sind die dunkel getönten Ablagerungen, welche sowohl Teilbereiche von dessen Innen- als auch von dessen Außenseite überdecken. Bei diesen Ablagerungen könnte es sich um vulkanische Aschepartikel handeln, die durch eine äolische Verfrachtung, also durch Winde transportiert, über große Flächen verteilt wurden. Ein möglicher Herkunftsort für diese Ascheablagerungen könnte die Elysium-Vulkanprovinz sein, welche sich nordöstlich des hier gezeigten Gebietes befindet. Ein weiterer Kandidat ist der mehrere hundert Kilometer südöstlich gelegene Vulkan Tyrrhena Patera.

Die weiter oben gezeigte Nadir-Farbansicht des Hesperia Planum wurde aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- beziehungsweise rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die perspektivischen Schrägansichten wurden aus den Aufnahmen der Stereokanäle der HRSC-Kamera berechnet. Das weiter unten zu sehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal der Kamera abgeleitet. Des Weiteren konnten die für die Bildauswertung zuständigen Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wurde, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Durch die Betrachtung mit einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille wird mit dieser 3D-Aufnahme ein räumlicher Eindruck der Landschaft vermittelt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Institutionen aus zehn Ländern.

Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit mehreren industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
Die hier gezeigten, während des Orbits Nummer 11.504 durch die HRSC-Kamera angefertigte Aufnahmen des Hesperia Planum finden Sie auch auf der entsprechenden Internetseite der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders gut zur Geltung.

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