Mars Express und die Vulkanregion Syrtis Major

Die gestern veröffentlichten Aufnahmen der von der ESA betriebenen Raumsonde Mars Express zeigen einen Ausschnitt der Region Syrtis Major auf dem Mars. Auf den Bildern sind verschiedene Impaktkrater und Lavaströme zu erkennen.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: DLR, FU Berlin.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine topografische Karte der Vulkanregion Syrtis Major auf dem Mars. Der durch die HRSC-Kamera abgebildete Bereich ist umrahmt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Den Hobby-Astronomen, welche unseren äußeren Nachbarplaneten gelegentlich durch die Okulare ihrer Teleskope betrachten, ist das „Syrtis Major“ vermutlich bestens vertraut. Bei guten Sichtbedingungen ist diese Region selbst mit kleineren Teleskopen relativ leicht als dunkler Fleck auf der Marsscheibe zu identifizieren.

Bei dem Syrtis Major handelt es sich um eine Vulkanprovinz, welche sich knapp nördlich des Marsäquators befindet. Die rund 1.300 Kilometer breite Basis liegt nordwestlich des Hochlandes Tyrrhena Terra. Von dort aus erstreckt sich das Vulkanplateau etwa 1.500 Kilometer in nördliche Richtung und bedeckt somit eine Fläche, welche etwa halb so groß wie Europa ist. Das Syrtis Major ist von der Erde aus gesehen die auffälligste und dunkelste Struktur auf der Marsoberfläche.

Das Syrtis Major wurde bereits im Jahr 1659 von dem niederländischen Astronomen Christiaan Huygens (1629-1695) entdeckt. Huygens war einer der bedeutendsten Mathematiker, Physiker und Astronomen seiner Zeit. Er war es auch, der erkannte, dass der Saturn von eine Ringsystem umgeben ist. Die markante dunkle Färbung des Syrtis Major ermöglichte es Huygens, durch die Positionsveränderungen von Syrtis Major im Verlauf seiner Teleskopbeobachtungen die Eigenrotation des Mars und damit auch erstmals die Tageslänge unseres Nachbarplaneten zu bestimmen – und dies schon relativ genau auf einen Wert von etwa 24,5 Stunden (tatsächlich sind es 24 Stunden und 37 Minuten). Der Name Syrtis Major ist die lateinische Bezeichnung für die „Große Syrte“, der südlichsten Bucht des Mittelmeers vor der Küste Libyens.

Gegenwärtig nähert sich der Mars auf seiner Umlaufbahn um die Sonne wieder seiner sogenannten „Oppositionsstellung“ zur Erde. Am 2. März 2012 werden sich die beiden Planeten direkt gegenüberstehen. Der Mars wird dann unmittelbar nach Sonnenuntergang im Osten aufgehen und um Mitternacht hoch am südlichen Nachthimmel stehen.

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Ein perspektivischer Blick über den östlichen Bereich des Syrtis Major auf dem Mars.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Allerdings ist die diesjährige Marsopposition eine für Astronomen relativ ungünstige Opposition, denn der Mars befindet sich im März 2012 an dem sonnenfernsten Punkt seiner Umlaufbahn. Erde und Mars werden sich aufgrund dieser Tatsache lediglich auf eine Entfernung von 100,8 Millionen Kilometer annähern, wobei die Planetenscheibe des Mars bei einer scheinbaren Helligkeit von -1,2 mag einen Durchmesser von lediglich 13,9 Bogensekunden erreichen wird. Bei der „Jahrtausend-Opposition“ am 28. August 2003 waren es hingegen nur 55,8 Millionen Kilometer. Der Mars erreichte dabei einen Durchmesser von 25,1 Bogensekunden und eine scheinbare Helligkeit von -2,88 mag.

Im Gegensatz zu den irdischen Beobachtern sind die im Marsorbit operierenden Raumsonden nicht von solchen Beobachtungsproblemen betroffen. Am 8. Juni 2011 überflog die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express während ihres Marsorbits Nummer 9.487 den östlichen Bereich des Syrtis Major und bildete diesen mit der High Resolution Stereo Camera (HRSC) ab. Aus einer Höhe von mehreren hundert Kilometern erreichte die Kamera dabei eine Auflösung von etwa 19 Metern pro Pixel.

Die gestern vom DLR und der FU Berlin veröffentlichten Aufnahmen zeigen einen etwa 90 mal 180 Kilometer großen Abschnitt des Syrtis Major, welcher sich bei 17 Grad nördlicher Breite und 73 Grad östlicher Länge befindet. Die HRSC wird vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betrieben und ist eines von sieben wissenschaftlichen Instrumenten an Bord der Raumsonde Mars Express.

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Diese Nadir-Aufnahme der HRSC zeigt in verschiedenen Bildausschnitten mehrere markante Geländemerkmale in der abgebildeten Region. Norden befindet sich rechts im Bild.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Auf der nebenstehenden Nadir-Aufnahme der HRSC-Kamera sind vulkanische Lavaströme zu erkennen, welche das ältere Hochlandmaterial überfluteten und dabei Tafelberge – sogenannte Mesas – hinterlassen haben. Diese unterscheiden sich aufgrund ihrer helleren Färbung sehr deutlich von dem umgebenden Gelände. Die Fließfronten der einzelnen erstarrten Lavaströme sind als lobenförmige Linien mit einem zum Teil unregelmäßigem Verlauf zu erkennen (Bildausschnitt 1 in der Nadir-Aufnahme). Im weiter unten befindlichen Anaglyphenbild treten diese Tafelberge als subtile Höhenunterschiede hervor.

Einige in der Region befindliche Impaktkrater wurden teilweise oder vollständig von vulkanischem Material verfüllt. Ein großer Impaktkrater mit einem Durchmesser von etwa 18 Kilometern wurde von der dünnflüssigen Lava fast bis zu dessen Rand angefüllt, so dass sich der kreisförmige Umriss kaum noch erkennbar durch die jüngere Lavadecke abzeichnet (Bildausschnitt 2).

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Ein weiterer perspektivischer Blick über den östlichen Bereich des Syrtis Major auf dem Mars.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Zusätzlich wurde die abgebildete Landschaft durch die gestaltende Kraft des Windes geformt. Dabei lässt sich die zumindest in der jüngeren Vergangenheit vorherrschende Windrichtung aus Ost-Südost anhand der helleren Windverwehungen ableiten, welche sich an den Rändern der kleineren Einschlagskrater hauptsächlich auf der dem Wind abgewandten Seite gebildet haben.

Der größte Impaktkrater in dem hier gezeigten Gebiet verfügt über einen Durchmesser von etwa zwanzig Kilometern und weist in seiner Mitte einen kleinen Zentralberg auf (Bildausschnitt 3). Westlich von diesem Zentralberg befindet sich ein dunkles Dünenfeld. Vor allem die vorgelagerten Dünen zeigen hier die Form von typischen Sicheldünen oder Barchanen, wie sie auch in den irdischen Wüsten häufig zu beobachten sind. Weiterhin auffällig ist, dass sich auf dem alten Hochland (in der oberen Bildhälfte der Nadiraufnahme) die größeren Einschlagskrater befinden. Auf den jüngeren, durch vulkanische Aktivitäten veränderten Oberflächenbereichen in der unteren Bildhälfte sind hingegen fast durchweg nur relativ kleine Einschlagskrater zu erkennen.

Mittels der sogenannten Kraterzählungsmethode konnten die für die Auswertung der Aufnahmen zuständigen Wissenschaftler ermitteln, dass sich die untersuchte Oberfläche während des sogenannten „Hesperianischen Zeitalters“ vor etwa 3,7 Milliarden Jahren bis 3,0 Milliarden Jahren gebildet hat. Das Hesperium war eine Periode, welche sich speziell durch einen ausgeprägten und weit verbreiteten Vulkanismus auszeichnet.

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Mars Express überflog den östlichen Bereich des Syrtis Major am 8. Juni 2011. Hier eine Farbaufnahme der HRSC-Kamera.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Das Prinzip der Kraterzählungsmethode sieht folgendermaßen aus: Je länger ein bestimmter Bereich der Marsoberfläche nicht durch erosive Einflüsse verändert oder von Lavaflüssen überdeckt wird, desto mehr Impaktkrater müssen sich dort befinden. Bei einer genauen Analyse der gezählten Krater muss anschließend geklärt werden, ob es sich wirklich um direkte Einschlagskrater und nicht etwa um sogenannte Sekundärkrater oder vulkanische Calderen handelt. Nach der Beseitigung dieser potentiellen Fehlerquellen kann das Alter der untersuchten Oberfläche mittels theoretischer Modelle berechnet werden. Für die Frühzeit des Mars liegt die Unsicherheit dieser Methode der Bestimmung des Oberflächenalters in einem Bereich zwischen 100 und 200 Millionen Jahren.

Die hier gezeigten Farbansichten der Tempe Terra wurden aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- bzw. rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Bei dem Schwarzweißbild handelt es sich um eine Nadiraufnahme, welche von allen gewonnenen HRSC-Aufnahmen die höchste Auflösung erreicht.

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Ein weiterer perspektivischer Blick über das Syrtis Major.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Das weiter unten zu sehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Des Weiteren können die Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wird, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.

Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Sonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Institutionen aus zehn Ländern.

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Durch die Betrachtung mit einer speziellen Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille wird mit dieser 3D-Aufnahme ein räumlicher Eindruck der Landschaft vermittelt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
Weitere während des Orbits Nummer 9.487 durch die HRSC-Kamera angefertigte Aufnahmen des Tempe Terra finden Sie auf der entsprechenden Internetseite der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders gut zur Geltung.

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