Mars Express und der Vulkan Tharsis Tholus

Bereits am vergangenen Freitag veröffentlichte Aufnahmen der Raumsonde Mars Express zeigen den Vulkan Tharsis Tholus auf dem Mars. Hierbei handelt es sich um einen etwa 8.000 Meter hohen Vulkan in der Tharsis-Region.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: DLR, FU Berlin.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine topografische Karte der Region Tharsis Tholus. Die im Rahmen der verschiedenen Orbits durch die HRSC-Kamera abgebildeten Bereiche sind umrahmt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Obwohl sich die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express gegenwärtig in einem Sicherheitsmodus befindet und deshalb der wissenschaftliche Betrieb zunächst einmal ruhen muss (Raumfahrer.net berichtete) wird die Auswertung der bisher durch die Raumsonde gesammelten wissenschaftlichen Daten durch die an der Mission beteiligten Forscher unverändert fortgesetzt. So wurden zum Beispiel erst am vergangenen Freitag neue Aufnahmen von der Oberfläche unseres äußeren Nachbarplaneten veröffentlicht.

Bei der Betrachtung einer globalen Karte unseres Nachbarplaneten ist eine der auffälligsten Regionen der Planetenoberfläche die im Bereich des Äquators gelegene Tharsis-Vulkanregion unmittelbar westlich der Valles Marineris. Auf einer Fläche von mehreren Millionen Quadratkilometern erhebt sich dieses gigantische Plateau wie eine Wulst um durchschnittlich vier Kilometer über die umgebende Marsoberfläche. Dabei ragen aus der Tharsis-Region mehrere gewaltige Schildvulkane hervor, welche die höchsten Vulkane in unserem Sonnensystem darstellen.

Planetologen gehen allgemein davon aus, dass sich die Tharsis-Region, genauso wie das benachbarte Valles Marineris, von etwa 3,5 Milliarden Jahren während des geologischen Mittelalters des Mars, der sogenannten Hesperianischen Epoche, gebildet hat. Die äußere Kruste des Mars wurde zu dieser Zeit durch im Marsinneren auftretende Kräfte aufgewölbt, was massive Oberflächenspannungen zur Folge hatte. Während der verschiedenen vulkanischen Aktivitätsphasen wurden gewaltige Mengen von Lava an die Oberfläche des Planeten befördert. Diese Lavamassen schichteten sich dabei zu den besagten Vulkanen auf.

Der Olympus Mons, der größte Vulkan in dieser Region, erreicht dabei bei einem Basisdurchmesser von etwa 550 Kilometern eine Höhe von etwa 24 Kilometern. Weitere große Vulkane dieser Region sind der Ascraeus Mons mit 18, der Arsia Mons mit 14 und der Pavonis Mons mit 12 Kilometern Höhe. Bei den diversen Ausbrüchen dieser Vulkane ergossen sich große Mengen an dünnflüssiger Lava über die Marsoberfläche, welche dabei zu ausgedehnten, mächtigen Lavadecken erstarrten.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine höhenkodierte Schrägansicht des Tharsis Tholus.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Neben diesen wahren Vulkan-Giganten befinden sich auf der Tharsis-Aufwölbung aber auch noch mehrere weniger beachtete Vulkankomplexe, welche allerdings ebenfalls über gewaltigen Ausdehnungen verfügen. Mit einer Grundfläche von etwa 155 x 125 Kilometern ist so zum Beispiel der rund 8.000 Meter hohe Tharsis Tholus ein für marsianische Verhältnisse zwar nur mittelmäßig hoher Vulkan, nach irdischen Maßstäben handelt es sich jedoch um einen Vulkan, welcher den Vergleich mit den höchsten Bergen der Erde nicht scheuen muss.

Die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express überflog im Herbst 2004 im Rahmen von 4 verschiedenen Umläufen um unseren Nachbarplaneten den Tharsis Tholus und bildete dabei die Umgebung des Vulkans mit der High Resolution Stereo Camera (HRSC) ab. Die HRSC-Kamera wird vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) betrieben und ist eines von sieben wissenschaftlichen Instrumenten an Bord der Raumsonde Mars Express. Die Aufnahmen zeigen einen Ausschnitt der Marsoberfläche, welcher sich bei 13 Grad nördlicher Breite und 268 Grad östlicher Länge befindet.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Diese Nadir-Aufnahme der HRSC-Kamera zeigt das Gebiet des Tharsis Tholus. Norden befindet sich rechts im Bild.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die Aufnahmen der Kamera zeigen, dass die sichtbaren Bereiche des Tharsis Tholus in Wirklichkeit lediglich die „Spitze des Vulkans“ darstellen und die ursprüngliche Höhe des Tharsis Tholus nicht mehr exakt zu ermitteln ist. Wie in der hier gezeigten Nadiraufnahme zu erkennen ist, ist der Vulkan von zahlreichen erstarrten Lavaströmen umgeben. Dies hat zur Folge, dass der ursprüngliche Fuß des Vulkans nicht mehr erkennbar ist. Gemessen an der Vielzahl und Mächtigkeit der diversen Lavaströme ist es denkbar, dass sich die eigentliche Basis des Tharsis Tholus in einer Tiefe von bis zu mehreren Kilometern unterhalb der Lavamassen befindet.

Der Tharsis Tholus unterscheidet sich von vielen anderen Vulkanen auf dem Mars dadurch, dass bei diesem das so genannte Vulkangebäude stark in Mitleidenschaft gezogen wurde. Der Vulkankomplex ist nicht – wie sonst eigentlich üblich – ebenmäßig kegel- oder schildförmig über dem Förderzentrum gewachsen. Stattdessen weisen seine Flanken erhebliche Deformationsspuren auf.

Seit seiner Entstehung vor weniger als 4 Milliarden Jahren ereigneten sich so zum Beispiel mindestens zwei große Kollapse an dessen West- und Ostflanke. Zeugen dieser Ereignisse sind die dort befindlichen und teilweise mehrere Kilometer hohen Steilkanten. Das Hauptmerkmal von Tharsis Tholus ist allerdings die Ausdehnung seiner zentralen Caldera. Dieser leicht elliptisch geformte Einsturzkessel am Gipfel des Vulkans ist mit einer Ausdehnung von rund 32 mal 34 Kilometern fast so groß wie Berlin. Der Boden der Caldera befindet sich dabei bis zu 2,7 Kilometer unterhalb der Abbruchkante.

Wie hat sich dieser Einsturzkessel einstmals gebildet? Direkt unter einem Vulkan sammelt sich zunächst flüssiges Gestein, so genanntes Magma, in einer Magmakammer. Diese Kammer entleert sich anschließend bei einem Ausbruch des Vulkans, wobei das Magma als Lava an der Oberfläche austritt. Die Entleerung der Kammer hat zur Folge, dass sich jetzt im Inneren des Vulkans ein größerer Hohlraum bildet. Das Dachgestein der Magmakammer kann das darauf lastende Gewicht des Vulkans nicht mehr tragen und es kommt zu einem Kollaps, wobei das auflastende Gestein in die entleerte Magmakammer stürzt. Als Resultat dieses Einsturzes bildet sich an der Oberfläche des Vulkans eine Vertiefung – der besagte Einsturzkessel.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine weitere höhenkodierte Schrägansicht des Tharsis Tholus.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Vulkane spielten auf dem Mars – genau so wie auch auf der Erde – nicht nur in der Klimageschichte eine wichtige Rolle, sondern sind auch entscheidend für die thermalen Prozesse im Innern des Planeten. So werden der Atmosphäre durch Vulkanausbrüche zum Beispiel „frische“ Gase aus dem Planeteninneren zugeführt, was wiederum die Dichte und Zusammensetzung der Planetenatmosphäre beeinflusst.

Besonders in der Frühzeit des Mars dürften der damalige extreme Vulkanismus zu einer Atmosphäre geführt haben, welche deutlich dichter ausfiel als in der Gegenwart. Ob diese Atmosphäre wirklich „dicht“ und zugleich auch warm genug war, um Regenfälle und somit auch einen Wasserkreislauf zu ermöglichen, ist wohl eine der spannendsten Fragen der aktuellen Marsforschung. Nicht zuletzt ist damit auch die Beantwortung der Frage verbunden, ob auf unserem heute im wahrsten Sinne des Wortes staubtrockenen Nachbarplaneten jemals Bedingungen vorherrschten, welche die Entwicklung von Leben begünstigt haben könnten.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Und eine dritte höhenkodierte Schrägansicht des Tharsis Tholus.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Deshalb ist der Mars nach wie vor eines der wichtigsten Ziele der Planetenforschung. Am 25. November 2011 wird die amerikanische Weltraumbehörde NASA mit der Mission Curiosity einen weiteren Rover auf den Weg zum Roten Planeten bringen, welcher fünf mal so schwer ist, wie die beiden Marsrover Spirit und Opportunity, die sich seit dem Januar 2004 auf der Marsoberfläche befinden. Curiosity wird dabei speziell der Frage nachgehen, ob es in der Vergangenheit auf der Marsoberfläche organische Moleküle gab oder sogar immer noch gibt.

Und auch die russische Raumfahrt wird sich wieder dem Mars widmen und am morgigen 8. November die Mission Phobos Grunt zum größeren der beiden Marsmonde, dem Phobos, schicken. Nach der Ankunft bei Phobos soll eine Landesonde Probenmaterial von der Phobosoberfläche sammeln und damit 2014 zur Erde zurückkehren. Das DLR ist aktiv an dieser Mission beteiligt. Mit digitalen Geländemodellen, die aus HRSC-Bilddaten errechnet wurden, wird die russische Weltraumbehörde bei der Auswahl von potentiellen Landestellen auf Phobos unterstützt. Eine deutschsprache Liveübertragung des Starts dieser Mission finden Sie am 8. November ab 20:30 MEZ auf der Internetseite von Spacelivecast.de.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Durch die Betrachtung mit einer speziellen Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille wird mit dieser 3D-Aufnahme ein räumlicher Eindruck der Landschaft vermittelt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die den hier gezeigten Bildern zugrunde liegenden Aufnahmen wurden zwischen dem 28. Oktober und dem 13. November 2004 während der Marsorbits 0997, 1019, 1041 und 1052 aufgenommen. Aus den Bilddaten wurde anschließend ein Mosaik angefertigt, welches über eine Auflösung von rund 14 Metern pro Pixel verfügt. Die gezeigten Schrägansichten des Tharsis Tholus wurden aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- und rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Bei dem Schwarzweißbild handelt es sich um eine Nadiraufnahme, welche von allen gewonnenen HRSC-Aufnahmen die höchste Auflösung erreicht.

Das nebenstehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem der Stereokanäle abgeleitet. Des Weiteren können die Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wird, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten. Aus diesen Daten lassen sich Informationen über die Topographie der Landschaft ziehen.

Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Sonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen. Der Bau der Kamera erfolgte in Kooperation mit industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH). Betrieben wird die HRSC-Kamera vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Institutionen aus zehn Ländern.
Weitere durch die HRSC-Kamera angefertigte Aufnahmen des Tharsis Tholus finden Sie auf der entsprechenden Internetseite der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders zur Geltung.

Raumcon-Forum:

Verwandte Seiten:

Nach oben scrollen