Die heute veröffentlichten Aufnahmen der von der ESA betriebenen Raumsonde Mars Express zeigen den Impaktkrater Magelhaens, welcher von der Sonde im Verlauf des Orbits Nummer 6.547 abgebildet wurde. Die Entstehungsweise der auf diesen Bildern erkennbaren ungewöhnlichen Strukturen ist bisher noch nicht vollständig geklärt.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: DLR, TU Berlin, ESA. Vertont von Peter Rittinger.
Mit dem Start einer Sojus-Trägerrakete vom kasachischen Weltraumbahnhof Baikonur begann vor sieben Jahren, genauer gesagt am 2. Juni 2003, die Mission Mars Express der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Ursprünglich plante die ESA, ihre erste Mission zu einem fremden Planeten nur für die Länge von einem Marsjahr durchzuführen, was ziemlich genau zwei Erdenjahren entspricht. Wegen des großen wissenschaftlichen Ertrags wurde die Mars Express-Mission mittlerweile jedoch dreimal verlängert, zuletzt bis zum Ende des Jahres 2012 (Raumfahrer.net berichtete).
Sechseinhalb Monate nach dem Start erreichte der Marsorbiter sein Ziel und konnte am 25. Dezember 2003 planmäßig in eine Umlaufbahn um den Roten Planeten einschwenken. Eines von sieben Experimenten an Bord von Mars Express ist die High Resolution Stereo Camera (HRSC), welche vom DLR in Oberpfaffenhofen und Berlin-Adlershof entwickelt und gemeinsam mit deutschen Industriepartnern gebaut wurde. Inzwischen hat der Orbiter den Mars etwa 8.300 Mal umrundet. Die HRSC-Kamera arbeitet dabei seit dem 16. Januar 2004 fehlerlos und nahm seitdem insgesamt 216 Gigabyte an Roh-Bilddaten auf, aus denen nach der Datenprozessierung im DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof mehrere Terabyte an topographischen Bilddaten erzeugt wurden.
Ziel des HRSC-Experiments, welches von Professor Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet wird und an dem auch mehrere DLR-Wissenschaftler beteiligt sind, ist die vollständige Kartierung der Marsoberfläche mit der HRSC-Kamera. Die hochauflösende Stereokamera wird bis zum Missionsende fast den gesamten Mars, dessen Oberfläche etwa 150 Millionen Quadratkilometer umfasst, in hochaufgelösten topografischen Farbbildkarten erfasst haben. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist dieses Ziel zu etwa zwei Dritteln erreicht.
In ihrem Orbit Nummer 6.547 überflog die Sonde am 6. Februar 2009 den südwestlich der Tharsis-Vulkanregion auf dem Mars gelegenen und etwa 105 Kilometer durchmessende Impaktkrater Magelhaens, welcher nach dem portugiesischen Seefahrer und Entdecker Ferdinand Magellan benannt ist. Aus einer Überflughöhe von rund 500 Kilometern konnten dabei Oberflächenstrukturen mit einer Auflösung von bis zu etwa 25 Metern pro Pixel abgebildet werden. Die hier gezeigten Aufnahmen geben einen Ausschnitt dieser Bilder bei 34 Grad südlicher Breite und 185 Grad östlicher Länge wieder. Mit einer Ausdehnung von zirka 190 Kilometern mal 112 Kilometern erstreckt sich das abgebildete Gebiet über 21.280 Quadratkilometer und ist damit etwa so groß wie Slowenien. Die HRSC-Stereokamera fotografierte dabei am Südrand des Magelhaens-Kraters ungewöhnliche Strukturen, deren Entstehungsprozess bisher noch nicht vollständig geklärt ist.
Im Westteil des abgebildeten Gebietes (in der nebenstehenden Schwarzweißaufnahme am oberen Bildrand befindlich) sind auffällige, unregelmäßig geformte und hell gefärbte Blöcke zu erkennen. Es handelt sich hierbei sehr wahrscheinlich um bis zu zwei Kilometer durchmessende Gesteinsbruchstücke beziehungsweise Gesteinsschollen. Möglicherweise, so eine der Interpretationen der Wissenschaftler, wurde das dort befindliche Gestein durch die Aufprallenergie eines in unmittelbarer Nähe erfolgten Asteroideneinschlages tief zerrüttet und brach dabei auseinander. Ein anderer möglicher Erklärungsansatz für die Entstehung dieser Strukturen ist die sogenannte Subrosion. Mit diesem Begriff wird ein Prozess bezeichnet, bei dem im Untergrund befindliches Material verfrachtet wird.
Auf dem Mars traten entsprechende Vorgänge in der Vergangenheit häufig in Verbindung mit aufsteigendem Magma auf. Das Magma erwärmte dabei das dort befindliche gefrorene Grundwasser, welches sich in Hohlräumen unter der Marsoberfläche befand. Das aufgrund der erfolgten Erwärmung zu Wasser getaute Eis floss anschließend unterirdisch ab, ehe es an anderer Stelle an die Oberfläche trat, und transportierte dabei Bodenmaterial ab. Im Rahmen dieses Prozesses bildeten sich dabei unterirdische Hohlräume, welche anschließend durch die Auflast der darüber liegenden Gesteinsschichten einbrachen.
Ursprünglich zusammenhängende Bodenschichten zerbrachen dabei und könnten auf diese Weise die im Magelhaens-Krater erkennbaren Geländestrukturen gebildet haben. Die erkennbare helle Oberfläche ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass der Wind den aufliegenden Staub und Sand im Laufe der Zeit abgetragen hat und jetzt nur noch die blanke Gesteinsoberfläche zu sehen ist. Es könnte sich hier aber auch, so eine weitere Deutung, um helle Minerale und Sedimente handeln, welche an dieser Stelle aus einem stehenden oder fließenden Gewässer abgelagert wurden.
Im nördlichen Teil des abgebildeten Gebietes sind von Nordwesten nach Südosten verlaufende, lineare Strukturen zu erkennen. Diese Lineare bilden dabei stellenweise scharf abgegrenzte Taleinschnitte. Vermutlich handelt es sich hierbei um Störungssysteme, welche entweder im Zuge der Entstehung von Einschlagkratern entstanden sind oder aber in einem Zusammenhang mit Spannungen in der Marskruste während der Aufwölbung der Tharsisregion stehen. Auffällig ist in diesem Zusammenhang, dass diese Strukturen fast senkrecht zu den großräumig radial um die Tharsisregion verlaufenden Dehnungsbrüchen stehen. Von Störungszonen auf der Erde sind Zusammenhänge zwischen der Geometrie von Störungen und ihrer Entstehungsgeschichte bekannt. Durch die Analyse der Geometrie der Strukturen im Magelhaens-Krater können somit auch Rückschlüsse auf die Hauptspannungsrichtung gewonnen werden.
Etwa in der Bildmitte ist ein weitgehend intaktes Plateau erkennbar. Möglicherweise, so die Interpretation, handelt es sich hierbei um das gleiche helle Material welches im westlichen Bereich der Aufnahme stark zerklüftet erscheint. Diese Region erscheint dabei auf der Aufnahme auffallend flach. Die Existenz feinster, von Südwesten nach Nordosten verlaufender Staubfahnen könnte auf eine ausgeprägte Winderosion hindeuten. Auch auf der Erde sind Gebiete bekannt, in denen Gesteinsoberflächen durch eine so genannte Abrasion, dem Abschleifen der Oberfläche durch Wind und Staub, glatt „poliert“ werden. Allerdings ist auch diese Interpretation nicht vollständig gesichert, denn auch hier könnte es sich um Ablagerungsprozesse handeln, bei denen flüssiges Wasser eine Rolle spielte.
Die Farbansichten der hier abgebildeten Bilder wurde aus dem senkrecht auf die Oberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- und rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die Schrägansicht wurde aus Bildern der Stereokanäle der HRSC berechnet. Bei dem Schwarzweißbild handelt es sich um eine Nadiraufnahme, welche von allen gewonnenen Aufnahmen die höchste Auflösung erreicht. Die höhenkodierte Bildkarte wurde aus dem digitalen Geländemodell abgeleitet, welches aus den Nadir- und Stereokanälen errechnet wurde.
Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Sonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption dieser hochauflösenden Stereokamera entworfen. Das Wissenschaftsteam besteht aus 45 Co-Investigatoren von 32 Institutionen aus zehn Ländern. Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung des PI Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Daten erfolgt am DLR. Die Darstellungen wurden vom Institut für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
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