Mars Express passiert Phobos in nur 45 Kilometern

Am kommenden Sonntag wird die Raumsonde Mars Express den Marsmond Phobos in einer Entfernung von lediglich 45 Kilometern passieren. Diese Gelegenheit soll in erster Linie für die Gewinnung von Daten genutzt werden, welche einen Aufschluss über den inneren Aufbau dieses Mondes ermöglichen.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA.

ESA
Die ESA-Raumsonde Mars Express umkreist den Mars auf einer langgezogenen elliptischen Umlaufbahn. Dabei kommt es in regelmäßigen Abständen zu relativ nahen Begegnungen mit den beiden Marsmonden Phobos und Deimos.
(Bild: ESA)

Mittlerweile sind mehr als 136 Jahre vergangen, seit der US-amerikanische Astronom Asaph Hall im August 1877 die beiden Marsmonde Phobos und Deimos entdeckte. Seitdem wurden diese beiden unregelmäßig geformten, jeweils nur wenige Kilometer durchmessenden und entsprechend lichtschwachen Monde unzählige Male von erdgestützten Teleskopen, von Weltraumteleskopen und von den Mars umkreisenden Raumsonden abgebildet. Auch die von der US-amerikanischen Weltraumbehörde betriebenen, auf der Marsoberfläche operierenden Rover Spirit, Opportunityund Curiosity konnten die beiden Monde während der letzten Jahre erfolgreich von der Marsoberfläche aus mit ihren hochauflösenden Kameras abbilden und dabei sogar mehrfach Sonnenfinsternisse beobachten (Raumfahrer.net berichtete).

Die von der europäischen Weltraumorganisation ESA betriebene Raumsonde Mars Express umrundet den Mars auf einer elliptischen, fast genau über die Pole führenden Umlaufbahn. Der entfernteste Punkt dieser Umlaufbahn ist rund 11.000 Kilometer von der Marsoberfläche entfernt. Im Gegensatz zu den beiden anderen gegenwärtig aktiven Marsorbitern, den von der NASA betriebenen Raumssonden Mars Odyssey und Mars Reconnaissance Orbiter, kreuzt Mars Express somit auch in regelmäßigen zeitlichen Abständen die Umlaufbahn des inneren Marsmondes Phobos. Hierbei kommt es etwa alle fünf Monate zu mehreren aufeinanderfolgenden und relativ dichten Begegnungen zwischen Mars Express und Phobos. Am 4. März 2010 näherte sich die Raumsonde der Oberfläche von Phobos dabei zum Beispiel bis auf eine Entfernung von lediglich 67 Kilometern (Raumfahrer.net berichtete).

Dieser bisherige Rekord wird jedoch bereits in wenigen Tagen „fallen“, denn am kommenden Sonntag, dem 29. Dezember 2013 wird Mars Express um 08:09 MEZ die Oberfläche von Phobos in einer Entfernung von diesmal sogar nur 45 Kilometern überfliegen. Aufgrund dieser geringen Entfernung und der hohen Geschwindigkeit, mit der sich Mars Express dabei relativ zu dem Marsmond bewegt, wird es allerdings leider nicht möglich sein, die Oberfläche des Mondes mit der High Resolution Stereo Camera (kurz „HRSC“), einem der insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Marsorbiters, abzubilden. Stattdessen soll der Vorbeiflug in erster Linie genutzt werden, um weitere Informationen zu gewinnen, mit denen Aussagen über den inneren Aufbau dieses Mondes getätigt werden können.

Das Innere von Phobos wird „vermessen“
Der unregelmäßig geformte, etwa 26,8 x 22,4 x 18,4 Kilometer abmessende Mond verfügt zwar lediglich über eine relativ geringe Masse von rund 1,072 x 10^16 Kilogramm. Dieser Wert ist jedoch ausreichend, um die Raumsonde bei ihrer Passage zwar minimal, aber doch deutlich spürbar von der vorgesehenen Flugbahn abzulenken. Diese Abweichung macht sich durch eine geringfügig veränderte Laufzeit der Radiosignale, welche Mars Express während des Vorbeifluges konstant zur Erde aussenden wird, bemerkbar. Durch die Auswertung dieser auf dem Doppler-Effekt basierenden Daten lässt sich nicht nur die Masse von Phobos und die sich daraus ergebende mittlere Dichte näher bestimmen. Vielmehr können hierdurch auch Aussagen über den inneren Aufbau von Phobos getätigt werden.

Durch eine sorgfältige Auswertung der früheren Messergebnisse kamen die mit der Untersuchung von Phobos beschäftigten Wissenschaftler zu dem Schluss, dass es sich bei diesem Mond, welcher über eine mittlere Dichte von lediglich 1,86 plus/minus 0,02 Gramm pro Kubikzentimeter verfügt, nicht um einen homogenen Himmelskörper, sondern vielmehr um einen sogenannten Rubble Pile handeln muss – eine Ansammlung von Staub und Gesteinsfragmenten, welche letztendlich lediglich durch die gegenseitig wirkenden Gravitationskräfte zusammengehalten wird.

Aus den bisherigen Untersuchungen ergibt sich, dass Phobos in seinem Inneren über eine sehr schwammartige Struktur verfügt, welche sich zu etwa 25 bis 45 Prozent aus Hohlräumen zusammensetzt. Durch die in den nächsten Tagen zu erwartenden Resultate der Doppler-Messungen, welche aufgrund der nochmals geringeren Vorbeiflugentfernung noch aussagekräftiger sein werden als zuvor, erhoffen sich die beteiligten Wissenschaftler noch genauere Daten, mit denen die Modelle über den inneren Aufbau von Phobos noch weiter präzisiert werden können. Diese Daten sind besonders deshalb von Interesse, weil bisher immer noch nicht abschließend geklärt ist, wie der Mars in der Vergangenheit zu seinen beiden Monden gelangte (Raumfahrer.net berichtete).

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Das hier gezeigte Foto wurde am 22. Dezember 2013 um 15:21 MEZ aufgenommen. Aus einer Entfernung von etwa 500 Kilometern erreichte die HRSC-Kamera dabei eine Auflösung von etwa 6 Metern pro Pixel.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Und es gibt doch Fotos…
Um die zu gewinnenden Daten jedoch in einen aussagekräftigen wissenschaftlichen Kontext versetzen zu können muss allerdings sowohl die exakte Position der Raumsonde als auch der genaue Aufenthaltsort von Phobos im Weltraum mit einer überaus hohen Genauigkeit bekannt sein. Zwecks der Ermittlung dieser Daten, welche sich mindestens im Meterbereich bewegen müssen, fertigte die HRSC-Kamera in den vergangenen Tagen mehrfach Aufnahmen an, welche sowohl den Marsmond als auch die dahinter befindlichen Hintergrundsterne wiedergaben.

Eine dieser Aufnahmen zeigt die Oberfläche des Mondes in dessen Äquatorregion. Aus einer Entfernung von etwa 500 Kilometern erreichte die HRSC-Kamera dabei eine Auflösung von etwa 6 Metern pro Pixel. Das am 22. Dezember angefertigte Foto wurde am 24. Dezember zur Erde übermittelt und noch am selben Tag von den Mitarbeitern des HRSC-Teams für die anschließende Veröffentlichung bearbeitet.

Sowohl in den kommenden Tagen bis zur dichtesten Annäherung als auch nach dem 29. Dezember soll die HRSC-Kamera weitere Aufnahmen von Phobos anfertigen. Ergänzend zu der Erforschung des Gravitationsfeldes von Phobos werden die Instrumente der Raumsonde verschiedene Messungen durchführen, mit denen sich der Einfluss des Sonnenwindes auf die Phobos-Oberfläche untersuchen lassen wird. Über die aktuellen Fortschritte der gegenwärtigen „Phobos-Kampagne“ berichten die beteiligten Mitarbeiter der ESA auf einer speziellen Internetseite.

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