Mars Express nur 67 Kilometer über Phobos

Vorgestern absolvierte der europäische Marssatellit Mars Express einen Vorbeiflug am Mond Phobos in der bisher niedrigsten Entfernung überhaupt. Am Sonntag findet der nächste Vorbeiflug statt, bei dem auch Bilder aufgenommen werden sollen.

Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: Mars Express Radio Science Team Blog/ESA Mars Express Blog. Vertont von Peter Rittinger.

ESA/DLR/FU Berlin [G. Neukum]
Phobos in einem HRSC-Bild von 2004
(Bild: ESA/DLR/FU Berlin [G. Neukum])

Mars Express umläuft den Mars auf einer hochelliptischen Bahn mit Entfernungen zur Oberfläche zwischen 250 und 11.500 Kilometern. Schon öfter kam er dabei dem größeren der beiden Marsmonde, Phobos, nahe genug, um spektakuläre Fotos zu schießen. In diesen Tagen kommt es nun zu einigen Begegnungen mit Phobos in rekordträchtig geringen Entfernungen von nur circa 100 Kilometern, also näher als an der Oberfläche des Mutterplaneten selbst.

Wie Ludmilla Carone, eine an der Mission beteiligte Planetologin an der Universität Köln, in einem Blogeintrag erklärte, diente der Vorbeiflug vom Mittwoch vor allem zur Bestimmung des inneren Aufbaus von Phobos. Dazu brauchten die Wissenschaftler noch nicht einmal ein Instrument an Bord von Mars Express, sondern einfach eine genaue Analyse des Funksignals der Sonde: Phobos hat mit seiner Gravitation Mars Express zwar nur wenig aus seiner normalen Flugbahn abgelenkt, aber doch genug, um die Dopplerverschiebung des Signals messbar zu verändern. Und aus der Betrachtung des Signals über die wenigen Sekunden, die der Vorbeiflug gedauert hat, kann man schon viel ableiten. Auch bei der Landung von Huygens auf dem Titan 2005 wurden aus einer hochgenauen Doppleranalyse des Funksignals unglaubliche Details wie etwa das Schaukeln der Sonde unter dem Fallschirm während des langen Abstiegs durch die Titan-Atmosphäre berechnet. Obwohl der interessante Zeitraum hier nur wenige Sekunden lang ist, rechnet man auch diesmal mit ínteressanten Erkenntnissen. Die Bestimmung der Masse von Phobos beispielsweise, an die man als Laie erstmal denken würde, wurde schon vor einigen Jahren erledigt und ist jetzt schon gar nicht mehr gefragt.

Phobos präsentiert sich aus dieser geringen Distanz gewissermaßen nicht mehr nur als „Massepunkt im Raum“, sondern als ein Körper mit einer Ausdehnung und einem (schwachen) Gravitationsfeld. Dieser Körper ist nicht rund, sondern eher wie eine 27 x 22 x 19 Kilometer große Kartoffel geformt. Schon allein diese Nicht-Rundheit sorgt dafür, dass die Ablenkung über der Zeit anders verläuft, als es bei einem kugelförmigen, homogenen Mond der Fall wäre.

Außerdem ist Phobos wahrscheinlich kein kompakter Körper „wie aus einem Guss“. Es kann sein, dass er aus mehreren kleineren, nur durch ihre Gravitation zusammen gehaltenen Einzelmassen besteht, mit inneren Hohlräumen dazwischen. Sollten die Einzelmassen unterschiedliche Dichten besitzen, ziehen sie Mars Express unterschiedlich stark an. Es kann allerdings auch sein, dass Phobos komplett aus losem Schutt besteht („rubble pile“, zu deutsch Schutthaufen).

All dies wirkt sich so oder so auf Mars Express´ Flugbahn und damit auf die Dopplerverschiebung des Funksignals aus und diese kann hochgenau gemessen und ausgewertet werden. Selbstredend ist es nicht einfach, aus der winzigen Ablenkung während des kurzen Vorbeiflugs derart weit reichende Schlüsse zu ziehen. Erschwerend kommt außer der unregelmäßigen Form des Mondes noch hinzu, dass die genaue Bahn der Annäherung an Phobos sowie dessen Eigenrotation eine Rolle spielen. Dadurch, dass die Form von Phobos dank früherer Vorbeiflüge gut bekannt ist, kann deren Einfluss wahrscheinlich herausgerechnet werden, indem das Radio Science Team die tatsächliche Ablenkungskurve mit theoretisch errechneten Daten vergleicht, wie sie sich bei demselben Vorbeiflug an einem ideal homogenen Körper von Phobosform ergeben würden. Auch die genauen Flugbahndaten von Sonde und Mond sind bekannt.

Eine wesentliche Bedingung für das Experiment am Mittwoch war eine durchgehend bestehende Funkverbindung während des Vorbeiflugs. Im Vorfeld gab es Befürchtungen, dass es zu einer Unterbrechung kommen könnte, indem Phobos selbst zwischen Mars Express und Erde gerät und im Moment der größten Annäherung das Signal unterbricht. Dies ist aber glücklicherweise nicht eingetroffen. Mit konkreten Ergebnissen ist aber vorläufig noch nicht zu rechnen, da derartige Daten natürlich nicht so unmittelbar auszuwerten sind wie Bilder.

Während dieses Vorbeiflugs waren ansonsten nur noch die Instrumente ASPERA zur Untersuchung der Erosion der Phobosoberfläche durch den Sonnenwind sowie MARSIS zur Durchleuchtung der oberen Mondschichten eingeschaltet. Die Kamera HRSC konnte nicht benutzt werden, da die Mondoberfläche bei diesem Rendezvous nicht im Sonnenlicht lag. Dies soll bei einem weiteren Vorbeiflug am Sonntag aus 107 Kilometern Entfernung nachgeholt werden. Da der Vorbeiflug mit hoher Geschwindigkeit erfolgt und die HRSC fest an der Sonde montiert ist, muss sich Mars Express im Ganzen mitdrehen, um scharfe Bilder zu bekommen. Dieser Bewegung sind wiederum Grenzen gesetzt durch die bis zu 40 Meter langen, fragilen MARSIS-Antennen. Die wegen dieser Antennen normalerweise eingehaltenen Bewegungslimits sollen extra für diesen Vorbeiflug überschritten werden.

Weiterführender Link:
Blogeintrag über den Vorbeiflug

Raumcon:
Marsmonde Phobos und Deimos

Nach oben scrollen