Mars Express: Improvisation ist (fast) alles

Der europäische Mars-Orbiter Mars Express und der britische Mars-Lander Beagle 2 haben auf ihrer Reise zum Roten Planeten weitere Tests erfolgreich absolviert. Außerdem haben die ESA-Ingenieure durch clevere Improvisation die Auswirkungen der „Energiekrise“ des Orbiters minimiert.

Ein Beitrag von Michael Stein. Quelle: ESA.

Grafische Darstellung des europäischen Mars-Orbiters Mars Express .
(Grafik: ESA)

Anfang Oktober wurde das so genannte Mars Express Lander Communications (MELACOM)-System an Bord der europäischen Raumsonde erstmals während der interplanetaren Reise getestet. Das MELACOM-System ist nach dem Eintreffen beim Roten Planeten dafür zuständig, die Kommunikation zwischen dem Mars-Lander Beagle 2 und der Erde zu ermöglichen. Es besteht aus einem Sender und Empfänger, so dass die im Mars-Orbit kreisende Mars Express (MEX)-Sonde als Relaisstation dienen und Daten von dem Lander zur Erde sowie Befehle der Bodenstation zum Lander übermitteln kann.
Bei dem Test übernahm eine 34 Meter-Parabolantenne in Stanford (USA) zunächst die Rolle von Beagle 2. Mit ihrer Hilfe wurden die beiden möglichen Szenarien beim MELACOM-Betrieb durchgespielt. Zuerst wurden von „Beagle 2“ (d.h. der Antenne in Stanford) aus Daten zu Mars Express gesendet, die dann vom MELACOM-System empfangen wurden. Der Empfang der simulierten Beagle 2-Daten wurde von Mars Express bestätigt, indem ein entsprechendes Signal mit Hilfe der MEX-Hauptantenne Richtung Erde geschickt und von der 35 Meter-Antenne der ESA-Bodenstation New Norcia empfangen wurde. Zwei Stunden später erfolgt dann Teil zwei der Übung, als das MELACOM-System Richtung Erde ausgerichtet wurde und das Weiterleiten von Befehlssequenzen an Beagle 2 simulierte. Die dabei von dem Kommunikationssystem ausgestrahlten Signale wurden von der Stanford-Antenne schwach, aber deutlich empfangen.

Ein anderes wichtiges Etappenziel der letzten Wochen war die Entwicklung von Prozeduren, um trotz des verringerten Energiebudgets von Mars Express so viel von der geplanten Mission wie möglich durchführen zu können. Wie berichtet steht dem Orbiter aufgrund einer fehlerhaften Kabelverbindung nur etwa 70 Prozent der von den Solarpaneelen erzeugten elektrischen Energie zur Verfügung. Eine aus ESA-Ingenieuren und Mitarbeitern des MEX-Herstellers Astrium bestehende Arbeitsgruppe hat in den vergangenen Wochen nach Wegen gesucht, um die Auswirkungen dieses Problems so gering wie möglich zu halten. Die nun gefundene Lösung ist typisch für die gleichermaßen unkonventionellen wie genialen Improvisationen, zu denen Missionsspezialisten in der Raumfahrt immer wieder gezwungen werden.

Im Fall von Mars Express haben sich die Ingenieure folgende Improvisation einfallen lassen: Auf einer Seite der Raumsonde befindet sich ein silberner Ring, der während des Starts die Verbindung zwischen Trägerrakete und MEX herstellte. Wie sich nun zeigte führt auf diesen Ring fallendes Sonnenlicht zu einer Erwärmung im Inneren der Raumsonde, so dass einige Heizelemente, die für die Aufrechterhaltung einer bestimmten Temperatur eingebaut sind, ausgeschaltet werden können. Durch ein entsprechendes Ausrichten der Raumsonde steht mehr Energie für den Betrieb der wissenschaftlichen Instrumente und Kameras zur Verfügung, so dass für 85 Prozent der Missionsdauer trotz der „Energiekrise“ an Bord von Mars Express alle Instrumente wie geplant aktiviert werden können. Während der übrigen Zeit wird es Einschränkungen geben, doch angesichts der relativ herben Energie-Minderversorgung ist dies ein sehr gutes Ergebnis. „In der derzeitigen Situation bin ich zuversichtlich, dass wir alle Missionsziele erreichen können“, so Projektleiter Dr. Rudolf Schmidt.

Als Resümee dieser Aktion betonte er gegenüber Raumfahrer.net weiterhin die Notwendigkeit von Sicherheitsmargen: „Es bestätigt sich hier wieder: Ein Grundprinzip der Raumfahrt ist, soviel Reserven als irgendmöglich mitzunehmen.“ Allerdings machte er auch klar, dass es sich in diesem Fall um eine ungeplante Reserve handelt – hätte man sie schon beim Design der Raumsonde entdeckt, so Rudolf Schmidt weiter, dann würde es sie wahrscheinlich nicht geben. Insoweit kann das Mars Express-Team also von Glück reden, dass allen Bemühungen um eine möglichst effiziente Verwendung der knappen Gelder zum Trotz den Konstrukteuren immer wieder einmal mögliche Einsparpotentiale entgehen. Angesichts der nicht nur bei dieser Mission notwendig gewordenen Nutzung brachliegender Potentiale stellt sich die Frage, ob eine absolut perfekte Optimierung von Raumsonden letztendlich wirklich erstrebenswert ist, oder ob für einen Missionserfolg nicht auch das Vorhandensein solcher ungeplanter Reserven förderlich ist.
Um 00:00 Uhr (UTC) am heutigen Tag war Mars Express noch 14.967.224 Kilometer vom Roten Planeten entfernt.

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