Mars Express: Impaktnarben auf dem Mars

Gestern veröffentlichte Aufnahmen der HRSC-Kamera an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express zeigen einen ellipsenförmigen Impaktkrater südlich des Huygens-Kraters auf dem Mars. Dabei erreichte die Stereokamera eine Auflösung von rund 15 Metern pro Pixel.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA, FU Berlin.

NASA, MOLA Science Team, FU Berlin
Eine topografische Karte der durch die HRSC-Kamera abgebildeten Region.
(Bild: NASA, MOLA Science Team, FU Berlin)

Der Niederländer Christiaan Huygens (14. April 1629 bis 8. Juli 1695) war einer der führenden Physiker und Mathematiker des 17. Jahrhunderts. Auch in der Astronomie machte er sich unter anderem durch die Entdeckung des Saturnmondes Titan einen Namen. Ein weiteres seiner astronomischen Betätigungsfelder war die Beobachtung unseres äußeren Nachbarplaneten. Im Jahr 1659 entdeckte er dabei eine dunkle, dreieckige Zone in der Äquatorregion des Mars, welche er mit dem Name Syrtis Major belegte.

Im Verlauf seiner weiteren Beobachtungen berechnete Christiaan Huygens die Eigenrotation des Mars aufgrund der Positionsveränderungen von Syrtis Major auf einen Wert von 24,5 Stunden. In Anbetracht der damaligen eher einfachen Beobachtungsmittel ist dieses Ergebnis durchaus bemerkenswert – mit Hilfe moderner Beobachtungsmethoden konnte die Rotationsperiode des Mars auf einen Wert von 24 Stunden, 37 Minuten und 22 Sekunden festgelegt werden.

Als Anerkennung für seine Leistungen wurde im Jahr 1973 ein Krater auf dem Mars nach dem niederländischen Wissenschaftler benannt. Der rund 467 Kilometer durchmessende Huygens-Krater befindet sich bei etwa 14 Grad südlicher Breite und 304 Grad westlicher Länge am südöstlichen Rand des Terra Sabaea, einem der Hochländer auf dem Mars.

Am 4. August 2010 überflog die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express während ihres Orbits Nummer 8.433 dieses Gebiet und bildete dabei mit der High Resolution Stereo Camera (HRSC) eine Region ab, welche sich unmittelbar südlich des Huygens-Kraters befindet. Die HRSC-Kamera wird vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) gesteuert und ist eines von sieben wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Mars Express. Das abgebildete Gebiet verfügt über eine Ausdehnung von rund 133 x 53 Kilometern. Die HRSC-Kamera erreichte dabei eine Auflösung von etwa 15 Metern pro Pixel.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Auf der Aufnahme der HRSC-Kamera ist eine längliche Depression erkennbar, welche durch einen Impakt verursacht wurde.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Unmittelbar südlich des Huygens-Kraters befinden sich zwei bisher unbenannte elliptische bis nahezu tropfenförmige Depressionen. Die südliche Depression wurde mit den HRSC-Aufnahmen im August 2010 vollständig abgedeckt. Ihre Form erinnert stark an die Struktur der Geländeformation Orcus Patera, welche mit der HRSC-Kamera bereits im Oktober 2005 abgebildet werden konnte (Raumfahrer.net berichtete).

Im Gegensatz zu Orcus Patera, deren Entstehungsprozess noch nicht geklärt ist, vertreten die Wissenschaftler hier die Meinung, dass es sich bei dieser Depression um einen komplexen Impaktkrater handelt. Er entstand, als eines oder eventuell sogar mehrere Objekte auf der Marsoberfläche aufschlugen. Der Krater weist eine Länge von etwa 78 Kilometern auf und weitet sich von Norden nach Süden von knapp zehn bis zu über 25 Kilometern aus. In seinem südlichen Bereich erreicht er dabei eine Tiefe von bis zu 2.000 Metern. Daraus ergibt sich, dass das Projektil, welches für die Bildung des Kraters verantwortlich war, aus nordnordwestlicher Richtung kommend in einem extrem flachen Winkel auf die Marsoberfläche aufschlug.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Diese Nadir-Aufnahme der HRSC-Kamera zeigt in verschiedenen Bildausschnitten mehrere Geländemerkmale. Norden befindet sich rechts.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Der Impaktkrater ist an seinen Längsseiten von einer typischen „Schmetterlings-Auswurfdecke“ umgeben, die sich wie die Flügel eines Schmetterlings an den Seiten des Kraters ausbreitet. Diese Ejektadecke ist von mehreren kleinen Täler durchzogenen (Bildausschnitt 1 in der nebenstehenden Nadir-Aufnahme). Dies ist ein Hinweis darauf, dass der Impakt vermutlich in einem wasserhaltigen Medium erfolgte. Im Untergrund befindliches Wassereis wurde dabei durch die bei dem Aufprall freigesetzte Energie geschmolzen und ist anschließend über die Oberfläche geflossen.

Im Inneren des Kraters fallen in dessen südlichen Abschnitt drei tiefere Bereiche auf. Dies könnte ein Hinweis auf mehrere Projektile sein, welche in kurzer zeitlicher Abfolge auf der Oberfläche aufschlugen (Bildausschnitt 2). Sie könnten Bestandteile eines größeren Impaktors sein, welcher erst kurz vor dem Aufprall auf der Planetenoberfläche in der Marsatmosphäre auseinander gebrochen ist. An dem steilen Kraterrand sind zudem Hangrutschungen erkennbar, welche erst nach dem zugrunde liegenden Impakt entstanden sind. Dies ist sehr gut anhand von zwei kleineren Kratern erkennbar, welche nur noch teilweise erhalten sind (Bildausschnitt 3).

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine Schrägansicht der Depression.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Sowohl im Inneren des Kraters als auch auf dessen Auswurfdecke sind eine Vielzahl von weiteren, allerdings deutlich kleineren Impaktkratern erkennbar. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die abgebildete Struktur über ein relativ hohes Alter verfügen muss. Am östlichen Kraterrand sind zwei dicht nebeneinander liegende und relativ tiefe Krater erkennbar (Bildausschnitt 4 in der obigen Nadir-Aufnahme). Sie sind offensichtlich erst nach der Bildung des großen Einschlagskraters entstanden.

Diese beide Krater zeigen trotz eines Durchmessers von vier beziehungsweise fünf Kilometern keinerlei Anzeichen für das Einwirken von Wasser. Bei den zugrunde liegenden Impakten wurde nicht genügend Energie freigesetzt, um weiteres Wassereis zum Schmelzen zu bringen. Ein weiter nördlich gelegener Krater, der ebenfalls im Bildausschnitt vier erkennbar ist, wurde dagegen von der Schmetterlings-Auswurfdecke teilweise überlagert, was sehr gut an der Fliessablagerung auf dem Kraterboden zu erkennen ist. Dieser Krater muss somit bereits vor der Bildung des großen Impaktkraters entstanden sein.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Durch die Betrachtung mit einer speziellen Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille wird mit dieser 3D-Aufnahme ein räumlicher Eindruck der Landschaft vermittelt. Besonders gut sind dabei die Höhenunterschiede erkennbar.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die hier gezeigte Farbansicht wurde aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- und rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die zu sehende Schrägansicht wurde aus Bildern der Stereokanäle der HRSC-Kamera berechnet. Bei dem Schwarzweißbild handelt es sich um eine Nadiraufnahme, welche von allen gewonnenen HRSC-Aufnahmen die höchste Auflösung erreicht. Das nebenstehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal abgeleitet. Zusätzlich können die Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wird, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.

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