Mars Express fotografiert beide Monde des Mars

Am 5. November 2009 gelang der ESA-Sonde Mars Express die Aufnahme eines bisher einmaligen Motivs. Erstmals in der Geschichte der Marsforschung gelang es einem Orbiter, die beiden Marsmonde Phobos und Deimos zusammen auf einem Foto abzubilden.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: DLR, FU Berlin, Planetary Society, ScienceBlogs (L. Carone). Vertont von Peter Rittinger.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Die beiden Monde Phobos (rechts im Bild) und Deimos erstmals gemeinsam auf einem von einem Marsorbiter aufgenommenen Bild. Links die Originalaufnahme, rechts die nachbearbeitete Bildversion.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Allerhöchste Präzision ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für den erfolgreichen Ablauf einer Raumfahrtmission. Ein beeindruckendes Beispiel für die zeitlich und räumlich perfekte Aufnahmeplanung eines außergewöhnlichen und extrem schwierigen Ziels in unserem Sonnensystem ist im letzten Monat Wissenschaftlern des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gelungen. In Zusammenarbeit mit der für die Steuerung des Orbiters Mars Express zuständigen Raumflugleitung der Europäischen Weltraumorganisation ESA in Darmstadt konnten zum ersten Mal die beiden Marsmonde Phobos und Deimos gemeinsam in einer Aufnahmesequenz in hochaufgelösten Bildern abgelichtet werden. Gelungen ist dies mit dem „Super Resolution Channel“ (SRC) des Kameraexperiments „High Resolution Stereo Camera“ (HRSC) an Bord der ESA-Raumsonde.

„Es kommt nur selten vor, dass sich beide Marsmonde vor der Kamera und in Aufnahmerichtung direkt hintereinander aufgereiht befinden“, erläutert Harald Hoffmann vom DLR-Institut für Planetenforschung die erfolgte Aufnahme. „Während der nunmehr fast sechsjährigen Missionsdauer kam es schon mehrfach zu einer Konstellation, bei der beide Monde im Sichtfeld der Kamera sind“, ergänzt Klaus-Dieter Matz, der die ungewöhnlichen Aufnahmen gemeinsam mit Harald Hoffmann geplant hat. „Die geometrischen Verhältnisse der Konstellation während Orbit 7.492 am 5. November 2009 waren allerdings besonders günstig, so dass wir dieses Mal eine Aufnahmesequenz versuchen wollten – und dieser erste Versuch hat prompt das erwartete Ergebnis geliefert!“

Zum Zeitpunkt der Aufnahmen war Phobos, der größere und innere der beiden Marsmonde, 11.800 Kilometer von Mars Express entfernt. Phobos umrundet den äußeren Nachbarplaneten der Erde in lediglich 7 Stunden und 39 Minuten. Er verfügt somit über eine viel höhere Geschwindigkeit relativ zum Mars als dies beispielsweise beim Erdmond der Fall ist. Schon allein aus diesem Grund musste der Zeitpunkt der Aufnahmen präzise geplant werden. Deimos befand sich zur Aufnahmezeit in einer Distanz von 26.200 Kilometern zur Raumsonde. Wegen dieser relativ großen Entfernungen kam der spezielle „Super Resolution Channel“ (SRC) der HRSC-Kamera zum Einsatz. Hierbei handelt es sich um einen zusätzlichen Kanal mit einer Extra-Optik, welcher bei einem Gesichtsfeld von nur einem halben Grad eine vier Mal höhere Auflösung besitzt als die eigentliche HRSC-Kamera. Über Aufbau und Funktionsweise des HRSC-Kameraexperiments an Bord des Marsorbiters Mars Expressberichtete Raumfahrer.net bereits.

Die Bilder des hochauflösenden Kanals müssen allerdings wegen eines Dreifach-Fokus-Bildfehlers, welcher aus einer minimalen geometrischen Verzerrung des Teleskopspiegels in der Kamera herrührt, nachbearbeitet werden. Dies geschieht in der Arbeitsgruppe des wissenschaftlichen Leiters (Principal Investigator) des HRSC-Experiments, Prof. Gerhard Neukum, an der Freien Universität Berlin. „Mit einem komplexen Verfahren ist es jetzt möglich, die Unschärfen in den SRC-Bildern fast vollständig zu eliminieren“, erläutert Dr. Gregory Michael von der FU Berlin. „Die Entfernungen zwischen Raumsonde, Phobos und Deimos waren relativ groß, sodass die SRC-Bildauflösung für Phobos bei etwa 110 Meter pro Bildpunkt liegt und bei dem doppelt so weit entfernten Deimos bei etwa 240 Metern pro Pixel.“

FU Berlin
Die Konstellation von Mars Express, dem Mars und seiner beiden Monde zum Zeitpunkt der Aufnahmen.
(Bild: FU Berlin)

Im Gegensatz zu den beiden aktiven NASA-Orbitern Mars Odyssey und Mars Reconnaissance Orbiter ist die ESA-Sonde in der Lage, beide Monde gleichzeitig in ihrem Blickfeld zu fokussieren. Der Grund hierfür liegt im Verlauf der Umlaufbahn der Sonde um den Mars. Mars Express entfernt sich in seinem elliptischen Orbit um etwa 10.000 Kilometer von der Marsoberfläche, während zum Zeitpunkt der nächsten Annäherung der Abstand lediglich etwa 270 Kilometer beträgt. Die Sonde hat dabei einen polaren Orbit inne, welcher um fast 87 Grad gegenüber der Äquatorebene geneigt ist. Phobos, ein unregelmäßig geformtes Objekt mit den Abmessungen von 26,8 km x 22,4 km x 18,4 km, umrundet den Planeten auf einer nahezu kreisförmigen Bahn in dessen Äquatorebene in knapp 6.000 Kilometern Entfernung zum Mars.

Deimos dagegen, seine Abmessungen betragen etwa 15,0 km x 12,2 km x 10,4 km, umläuft den Mars in einer Distanz von etwa 20.000 Kilometern. Auch dieser Mond hat dabei eine fast kreisförmige Bahn in der Äquatorebene des Mars inne. Daraus ergibt sich, dass im Idealfall eine Annäherung an Deimos bis auf 9.000 Kilometern möglich ist. Die bisher beste Mars-Express-Aufnahme von diesem Mond entstand aus einer Distanz von etwa 10.000 Kilometern. Die bislang besten Phobos-Aufnahmen gelangen im Sommer 2008 aus nur 93 Kilometern Entfernung.
Am 5. November 2009 ergab sich eine Konstellation, welche es ermöglichen sollte, beide Marsmonde zusammen auf einer Aufnahme abzubilden, da sich Phobos und Deimos direkt in der Sichtlinie der HRSC-Kamera und zudem in relativ geringer Entfernung zum Orbiter befanden. Voraussetzung für den Erfolg dieses Experiments waren extrem genaue sogenannte Ephemeriden. Hierbei handelt es sich um Tabellen, aus denen die Positionen von Planeten, Monden und kleinen Körpern im Sonnensystem sowie von Raumsonden herausgelesen werden können. Die Ephemeriden für Phobos und Deimos konnten im Laufe der fast sechsjährigen Missionsdauer von Mars Express kontinuierlich verbessert werden, und auch die Flugbahn von Mars Express selbst kann vom European Space Operations Centre (ESOC) der ESA in Darmstadt, von wo aus der Orbiter gesteuert wird, sehr präzise vorausgesagt werden. Die Position der Sonde zum Zeitpunkt der Aufnahmen unterschied sich nur um wenige Sekunden bzw. Kilometer von der für mehrere Monate vorausberechneten Lage. „Die Orbitabweichung betrug etwa 10 Sekunden von den erwarteten Werten, was sehr wenig ist und selbst bei einer Kameraöffnung von nur 0,5 Grad noch in der Toleranz liegt“, erklärt Klaus-Dieter Matz.

Im kritischen Zeitraum der durchgeführten Aufnahmen wurden mit dem SRC-Kanal während einer Dauer von etwa 90 Sekunden in Abständen von zunächst einer und dann nur noch einer halben Sekunde nacheinander 130 Aufnahmen angefertigt. „Als die Bilder vom ESA-Kontrollzentrum in Darmstadt zu unserem Experiment-Team nach Berlin übertragen waren, erkannten wir sofort, dass sowohl unsere Planungen für die Zielvorgabe der Kamera, als auch die von der ESA vorausberechneten Bahnlagedaten der Raumsonde nahezu perfekt zueinander gepasst haben“, so Harald Hoffmann. „Wir waren uns aber schon vorher ziemlich sicher, dass die Aufnahmen klappen müssten, denn auch die Kollegen der ESA sahen im Abgleich mit den Daten der Raumlage von Mars Express keinen Anlass, an unserer Programmierung Korrekturen vorzunehmen“.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine Animation der beiden Marsmonde Phobos und Deimos. Die zugrundeliegenden Aufnahmen des SRC-Kanals der HRSC-Kamera wurden am 5. November 2009 ab 08:14 Uhr MEZ über einen Zeitraum von etwa 90 Sekunden angefertigt. Von den insgesamt 130 Aufnahmen wurden 120 für diese Animation verwendet. Norden befindet sich rechts im Bild.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Neben der geologischen Charakterisierung und der globalen Kartierung der Marsoberfläche mit der HRSC-Kamera in hoher Auflösung, in Farbe und in „3D“, stellt die Untersuchung des Marsmondes Phobos einen der wissenschaftlichen Schwerpunkte des HRSC-Kameraexperiments dar. So konnte der unregelmäßig geformte Mond bisher bereits 127 mal durch Mars Express abgebildet werden. Hierbei wurden unter anderem signifikante Verbesserungen der topographischen Modelle des Mondes erzielt. Bei einem Vorbeiflug am 23. Juli 2008 in nur 93 Kilometern Höhe konnte aufgrund der Anziehungskraft von Phobos und der daraus resultierenden Störwirkung auf die Flugbahn von Mars Express die Masse des Mondes neu bestimmt werden. Sie beträgt den Messungen zufolge rund 10,7 Billionen Tonnen. Das errechnete Volumen des Mondes beträgt 5.680 Kubikkilometer, woraus sich eine spezifische Dichte von 1,887 Gramm pro Kubikzentimeter ergibt. Diese Ergebnisse liefern wichtige Erkenntnisse über die mögliche chemische Zusammensetzung, den inneren Aufbau und die Herkunft von Phobos, denn vergleichbare Werte konnten auch für einige Asteroiden des Hauptasteroidengürtels des Sonnensystems ermittelt werden.

Der praktische Nutzen der jetzt veröffentlichten Bilder von Phobos und Deimos besteht darin, die Positionen dieser beiden Marsmonde noch näher zu bestimmen und die bestehenden Modelle zu verfeinern. Diese noch präzisere Bestimmung der Orbitbahnen wird im März des kommenden Jahres einem Praxistest unterzogen werden, denn dann erfolgt ein weiterer dichter Vorbeiflug von Mars Express am inneren und größeren Marsmond. Der Plan für diesen Vorbeiflug sieht vor, die Masse von Phobos noch genauer zu bestimmen. Außerdem will man versuchen, mit den dann gewonnenen Daten das Massenträgheitsmoment von Phobos abzuleiten. Dadurch wäre dann ein „Blick in das Innere“ des Mondes möglich. Zumindest ansatzweise wäre es möglich, abzuleiten, wie sich die Masse innerhalb des Mondes verteilt. Dies wiederum wird weitere Erkenntnisse dazu liefern, ob es sich bei Phobos um einen sogenannten „Rubble Pile“, eine lose Anhäufung von kleinen Gesteinsbocken, welche lediglich durch deren Eigengravitation zusammengehalten werden, oder um ein kompaktes Trümmerstück handelt, welches im Rahmen eines gigantischen Impaktereignisses vom Mars abgesplittert wurde.

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