Bereits am 2. Mai veröffentlichte Aufnahmen der Raumsonde Mars Express zeigen die in der Nähe des Marsvulkans Olympus Mons gelegene Region Sulci Gordii, welche in der Vergangenheit durch die Auswirkungen von Lavaflüssen und gigantischen Bergrutschen geformt wurde.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, ESA.
Bereits seit dem Dezember 2003 befindet sich die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express in einer Umlaufbahn um den Mars und liefert den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern seitdem regelmäßig eine Vielzahl an Daten über die Atmosphäre und die Oberfläche unseres äußeren Nachbarplaneten, durch deren Auswertung sich für die Planetenforscher wertvolle Einblicke in dessen Entwicklungsgeschichte ergeben.
Am 23. Januar 2013 überflog Mars Express während des Orbits Nummer 11.531 die Region Sulci Gordii (lateinisch für „Gordische Gräben“), welche sich etwa 200 Kilometer östlich der Basis des Schildvulkans Olympus Mons befindet, und bildete dieses Gebiet mit der High Resolution Stereo Camera (kurz „HRSC“), einem der insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Marsorbiters, ab. Aus einer Überflughöhe von mehreren hundert Kilometern erreichte die HRSC dabei eine Auflösung von ungefähr 31 Metern pro Pixel.
Mit einer Gipfelhöhe von über 22 Kilometern relativ zu dem umgebenden Gelände und einem Basisdurchmesser von rund 550 Kilometern handelt es sich bei dem Olympus Mons um den höchsten derzeit bekannten Vulkan in unserem Sonnensystem. Der Olympus Mons ist von einem „chaotischen Gelände“ umgeben, welches sich über Distanzen von mehreren hundert Kilometern in die Umgebung erstreckt.
Bereits kurz nach der Entdeckung dieser Formationen äußerten die Planetologen die Vermutung, dass es sich bei den hier zu beobachtenden Geländestrukturen um die Ablagerungen von gewaltigen Felsstürzen und Erdrutschen handelt, welche in der Vergangenheit von den unteren Hängen des Olympus Mons abbrachen.
Ein Teilbereich dieser Aureole, welche den Olympus Mons umgibt, ist die Region Sulci Gordii. Die Landschaft des Sulci Gordii setzt sich aus einer chaotischen Abfolge von diversen Bergrücken zusammen, welche von kleinen Tälern durchschnitten werden. Nach der Entstehung der Region wurden diese kleinen Zwischentäler durch später erfolgende, vom Olympus Mons ausgehende Lavaflüsse teilweise aufgefüllt. Diese verfüllten Täler verfügen über sehr flache, ebene Talböden.
Die Planetologen vermuten, dass die den Olympus Mons umgebende Aureole sich bereits in der Frühzeit des Mars bildete. Durch den Ausstoß von Lava und die damit verbundenen Temperaturen wurden vermutlich auch große Mengen an Wassereis, welches sich dort im Untergrund befand, aufgeschmolzen. Die so freigesetzten Wassermassen führten in Verbindung mit der seismischen Aktivität dazu, dass die Randbereiche des Olympus Mons instabil wurden, was zur Auslösung von gewaltigen Gesteinslawinen und Bergstürzen führte.
Das von den Bergflanken losgelöste Material lagerte sich schließlich, transportiert von Lava und Wasser, in Entfernungen von bis zu mehreren hundert Kilometern im Umkreis um den Vulkan ab und wurde in der Folgezeit bei später erfolgenden Ausbrüchen teilweise von weiteren Lavamassen bedeckt. Zudem führte die äolische Verfrachtung von Vulkanasche, Staub und Sand dazu, dass sich in diesem Bereich über die Zeit hinweg eine Vielzahl von Sanddünen gebildet haben. Das Studium der Höhen und Ausrichtungen dieser Dünen erlaubt den Planetenforschern Einblicke in die in der Vergangenheit in dieser Region gegebenen Windbedingungen.
Vergleichbare Hangrutschungen, welche allerdings in einem sehr viel kleineren Maßstab auftreten, können auch auf unserem Heimatplaneten beobachtet werden. Ein Beispiel hierfür ist die Umgebung des Vulkans Mauna Loa auf Hawai’i. Durch die Untersuchung der diversen auf dem Mars auftretenden Landschaftsformen und vergleichende Studien mit auf der Erde zu beobachtenden vergleichbaren Formationen sind die Planetenforscher in der Lage, mehr über die vielfältigen geologischen Prozesse zu lernen, welche in der Frühzeit des Mars auftraten und die Oberfläche unseres Nachbarplaneten geformt haben.
Die weiter oben gezeigte Nadir-Farbansicht des Sulci Gordii wurde aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- beziehungsweise rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die perspektivischen Schrägansichten wurden aus den Aufnahmen der Stereokanäle der HRSC-Kamera berechnet. Das weiter unten zu sehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal der Kamera abgeleitet. Des Weiteren konnten die für die Bildauswertung zuständigen Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wurde, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.
Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Institutionen aus zehn Ländern.
Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit mehreren industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
Die hier gezeigten, während des Orbits Nummer 11.531 durch die HRSC-Kamera angefertigte Aufnahmen des Sulci Gordii finden Sie auch auf der entsprechenden Internetseite der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders gut zur Geltung.
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