Vor wenigen Tagen veröffentlichte Aufnahmen der Raumsonde Mars Express zeigen erneut die geologische Vielfalt unseres Nachbarplaneten, welche sich besonders eindrucksvoll in den Kraterlandschaften der Hochlandregion Arabia Terra wiederspiegelt.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, DLR.
Bereits seit dem 25. Dezember 2003 befindet sich die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express in einer Umlaufbahn um den Mars. Seitdem liefert dieser Marsorbiter den an der Mars Express-Mission beteiligten Wissenschaftlern regelmäßig eine Vielzahl an Bildaufnahmen und weitere Daten über die Atmosphäre und die Oberfläche unseres äußeren Nachbarplaneten, durch deren Auswertung sich für die Planetenforscher wertvolle Einblicke in dessen Entwicklungsgeschichte ergeben. Die sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Marsorbiters liefern dabei wichtige Beiträge zur Untersuchung der Oberflächengeologie sowie zur ‚Geschichte des Wassers‘ auf unserem Nachbarplaneten und damit auch zur Klärung der Frage, ob einstmals ‚Leben auf dem Mars‘ möglich war. Die Mission wird als so erfolgreich eingestuft, dass sie inzwischen bis zum Ende des Jahres 2018 verlängert wurde (Raumfahrer.net berichtete).
In der Gegenwart sind es in erster Linie durch den dort einwirkenden Wind verursachte Prozesse wie ein erfolgender aeolischer Transport, welche die auf dem Mars befindlichen Geländestrukturen aufgrund der dabei mitgeführten Sand- und Staubpartikel erodieren lassen und dabei im Laufe der Zeit umgestalten. In der Frühzeit der geologischen Entwicklung des Mars – so zeigten bereits eine Vielzahl von Untersuchungen unseres Nachbarplaneten – trug dazu jedoch vor mehr als drei Milliarden Jahren auch das damals über die Marsoberfläche fließende Wasser bei.
Diese einstmals erfolgte ‚Wassererosion‘ spiegelt sich auch in den Aufnahmen wieder, welche die High Resolution Stereo Camera (kurz „HRSC“) – die Hauptkamera an Bord des Marsorbiters Mars Express – am 25. Oktober 2014 während des Mars-Orbits Nummer 13.728 bei einem Überflug der Mars-Region Arabia Terra anfertigen konnte. Aus einer Überflughöhe von mehreren hundert Kilometern erreichte die HRSC dabei eine Auflösung von ungefähr 20 Metern pro Pixel. Die bei dieser Gelegenheit angefertigten Aufnahmen geben einen bei etwa 25 Grad nördlicher Breite und 349 Grad östlicher Länge gelegenen Abschnitt der Marsoberfläche wieder.
Das Arabia Terra
Das bei diesem Überflug abgebildete Gebiet befindet sich etwa 250 Kilometer östlich der Region Mawrth Vallis – einem ausgedehnten Ausflusstal auf der Marsoberfläche, bei dem in den vergangenen Jahren unter anderem von dem OMEGA-Spektrometer der Raumsonde Mars Express verschiedene Tonminerale nachgewiesen werden konnten und das deshalb ursprünglich als Operationsgebiet für den mittlerweile seit dem August 2012 auf dem Mars aktiven Rover Curiosityvorgeschlagen wurde. Derartige Tonminerale sind ein typisches Produkt der Verwitterung von basaltischen Vulkangesteinen unter der Einwirkung von Wasser mit einem nahezu neutralen pH-Wert. Auch in der weiteren Umgebung finden sich Ablagerungen von Tonmineralen, weshalb dieses Gebiet in Fachkreisen nach wie vor als eine bevorzugte Landeregion für zukünftige Rover-Missionen gilt.
Das Arabia Terra, zu deutsch das „Arabische Land“, ist ein Teil der Hochlandregion unseres Nachbarplaneten und stellt eine Übergangsregion zu den nördlichen Tiefebenen des Mars dar. Es befindet sich nördlich des Marsäquators und verfügt in Ost-West-Richtung über eine Ausdehnung von etwa 4.500 Kilometern. Die gesamte Region ist mit steil abfallenden Hügeln, Tälern und einer Vielzahl von Impaktkratern übersät, von denen die größten über Durchmesser von mehr als 200 Kilometern verfügen. Aufgrund der hier gegebenen hohen Kraterdichte und einer tiefgreifenden Erosion wird das Arabia Terra von den auf die Erforschung des Mars spezialisierten Wissenschaftlern als eines der geologisch ältesten Gebiete auf dem Mars charakterisiert.
Diese Region des ‚alten‘ Marshochlands zeigt, dass unser Nachbarplanet über eine sehr bewegten geologische Vergangenheit verfügt. Einstmals wanden sich Flüsse durch diese Landschaft und müssen dabei zum Teil gewaltige Wassermassen nach Norden transportiert haben. Impaktkrater wurden von Sedimenten verfüllt und ihre Kraterränder und Ejektadecken wurden im Laufe der Zeit durch die Kraft des Wassers und des anhaltenden Windes abgetragen. Anhand dieser Strukturen können die Geologen und Planetologen sehr anschaulich viele unterschiedliche Entwicklungen und Veränderungen der Marsoberfläche nachvollziehen.
Erodierte Krater
Die kürzlich veröffentlichten Aufnahmen des Arabia Terra zeigen eine Ansammlung gleich mehrerer Krater verschiedenen Alters und unterschiedlicher Verwitterungsstadien. Ein verhältnismäßig großer und rund 70 Kilometer durchmessender Impaktkrater mit einem relativ steil aufragenden Kraterrand dominiert die linke (südliche) Bildhälfte der entsprechenden Nadiraufnahmen. Am Grund dieses Kraters hat sich ein ausgedehntes Feld aus dunklen Sanddünen aufgetürmt. Das Material dieser Dünen resultiert vermutlich aus der langfristig erfolgten Verwitterung vulkanischer Asche und Basaltgesteins und wurde im Laufe der Zeit von dem Wind an seinen derzeitigen Ablagerungsort verfrachtet. Die Lage und Ausrichtung dieser dunklen Sanddünen erlaubt Rückschlüsse auf die einstmals und gegenwärtig dominierenden Windrichtungen in diesem Bereich der Marsoberfläche.
Im oberen rechten Rand dieses Kraters sind zudem drei Strukturen erkennbar, welche sich regelrecht in den Kraterrand einschneiden. Diese entstanden vermutlich durch das Schmelzen von größeren Mengen an Wassereis, welches ursprünglich unter der Marsoberfläche vorhanden war. Der so ansteigende Grundwasserspiegel führte dazu, dass das Wasser schließlich die Planetenoberfläche erreichte und dort austrat. Beim Abfließen des Schmelzwassers wurden durch eine Klifferosion Täler ausgeschürft. Bei diesem Prozess tritt das Wasser an den Seiten von Abhängen und Geländekanten in Form von Sickerwasser und Quellen aus dem Boden aus. Dabei wird der Abhang ausgehöhlt.
Durch das Nachrutschen von Oberflächenmaterial, wodurch die zuvor entstandenen Aushöhlungen wieder verfüllt werden, „wandert“ die Erosionskante immer weiter nach hinten. Der folgende Kliffabbruch führt schließlich zur Entstehung von steilen, U-förmigen Talstrukturen. Das erodierte Material wird dabei durch das fließende Wasser entlang des sich bildenden Talverlaufs abtransportiert. Die Geologen verwenden für diese Form der Erosion den englischen Fachbegriff „sapping valleys“. Am unteren Ende des größeren Tals befindet sich in dessen Auslauf eine drei Kilometer mal vier Kilometer abmessende, fächerförmige Ablagerung. Diese nur schwer erkennbare Struktur ist am besten in der farbkodierten topographischen Übersichtskarte zu sehen. Sie erinnert an die Ablagerungen eines Flussdeltas und besteht wahrscheinlich aus dem erodierten Material, welches mit dem Wasser aus den drei Tälern transportiert wurde.
Unmittelbar rechts (nördlich) neben dem großen Impaktkrater befindet sich ein kleinerer und bereits sehr stark verwitterter Krater, dessen Inneres ebenfalls mit Ablagerungen gefüllt ist. Trotzdem sind hier noch einige Überreste des ursprünglichen Kraterrandes zu erkennen. Noch weiter nördlich liegt ein mit etwa 30 Kilometern Durchmesser ähnlich großer Einschlagskrater, welcher ein weiteres dunkles Dünenfeld beherbergt. Dieser Krater ist – im Gegensatz zu seinem ‚Nachbarkrater‘ – komplett mit Ablagerungen verfüllt, so dass seine Kraterränder mittlerweile fast vollständig verschwunden sind.
Ein Flussbett breiter als der Mississippi
Unterhalb von diesem Krater befindet sich ein Tal, dessen Form eine sehr große Ähnlichkeit mit verzweigten Flussläufen auf unserem Heimatplaneten aufweist. Nach einem Fluss in Kleinasien werden solche sich durch die Landschaft windenden Täler als Mäander bezeichnet. Der Teilbereich dieses Tals, welcher auf diesen Aufnahmen zu erkennen ist, variiert in seiner Breite zwischen 1,5 und vier Kilometern und ist damit in etwa mit dem Mississippi River vergleichbar. Das Flussbett verläuft über eine Strecke von 500 Kilometer in die nördliche Richtung und mündet dort schließlich im Bereich der Cydonia Montes in die zum nördlichen Tiefland des Mars gehörende Tiefebene Acidalia Planitia.
Bildverarbeitung und HRSC-Kamera
Die weiter oben gezeigte Nadir-Farbansicht des Arabia Terra wurde aus dem senkrecht auf die Marsoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- beziehungsweise rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die perspektivische Schrägansicht wurde aus den Aufnahmen der Stereokanäle der HRSC-Kamera berechnet. Ein Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Blau- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Marslandschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem der vier Stereokanäle der Kamera abgeleitet. Des Weiteren konnten die für die Bildauswertung zuständigen Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wurde, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.
Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann geleitet. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche wissenschaftliche Team besteht derzeit aus 52 Co-Investigatoren, welche von 34 Instituten aus elf Ländern stammen.
Die hochauflösende Stereokamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit mehreren industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Aufnahmen wurden von den Mitarbeitern der Fachgruppe „Planetologie und Fernerkundung“ des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof erstellt.
Mitarbeiter des DLR, der FU Berlin und der Universität Hannover haben erst kürzlich im Rahmen eines gemeinsamen Projekts aus den Einzelaufnahmen der HRSC-Kamera zusammenhängende Bildmosaike der Marsoberfläche erstellt. Aus den Bilddaten der HRSC wurde dabei eine Karte der Region Arabia Terra berechnet, welche ein etwa 1.800 mal 1.300 Kilometer großes Gebiet mit einer Fläche von 2,3 Millionen Quadratkilometern wiedergibt. Weitere Informationen zu diesem Projekt finden Sie hier.
Die in diesem Bericht gezeigten Aufnahmen des Arabia Terra finden Sie dagegen auch auf den entsprechenden Internetseiten des DLR und der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders gut zur Geltung.
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