Mars Express: Ein Mosaik des Hebes Chasma

Am vergangenen Donnerstag veröffentlichte Aufnahmen der Raumsonde Mars Express zeigen das Hebes Chasma auf dem Mars. Im Inneren dieses Talkessels befindet sich ein gewaltiger Tafelberg, an dessen Rändern geschichtete Sedimentablagerungen erkennbar sind. Die darin enthaltenen Minerale liefern deutliche Hinweise darauf, dass dieser Bereich der Marsoberfläche in der Vergangenheit mit Wasser in Kontakt stand.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, DLR, ESA.

NASA, MGS, MOLA Science Team, FU Berlin
Eine topografische Karte der Region Hebes Chasma auf dem Mars.
(Bild: NASA, MGS, MOLA Science Team, FU Berlin)

Bereits seit dem Dezember 2003 befindet sich die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express in einer Umlaufbahn um den Mars und liefert den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern seitdem regelmäßig eine Vielzahl an Daten über die Atmosphäre und die Oberfläche unseres äußeren Nachbarplaneten. Durch deren Auswertung ergeben sich für die Planetenforscher wertvolle Einblicke in dessen Entwicklungsgeschichte.

Während der letzten Jahre überflog der Marsorbiter dabei auch mehrfach die Region Valles Marineris und bildete dieses mit Abstand größte bekannte Grabenbruchsystem innerhalb unseres Sonnensystems sowie dessen Umgebung mit der High Resolution Stereo Camera (kurz „HRSC“), einem der insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord der Raumsonde, ab.

Aus acht dieser Aufnahmen wurde jetzt ein Bildmosaik erstellt, das die unmittelbar nördlich der Valles Marineris gelegene Region Hebes Chasma wiedergibt und welches die gewaltigen Ausmaße dieser beeindruckenden Landschaftsformation zeigt.

Der abflusslose Talkessel des Hebes Chasma verfügt über eine Ausdehnung von 315 Kilometern in West-Ost-Richtung und 125 Kilometern in Nord-Süd-Richtung. Würde ein Astronaut im Inneren des Hebes Chasma stehen, so würde sich ihm ein beeindruckender Anblick bieten. Die Steilwände des Talkessels ragen fast 8.000 Meter in die Höhe und in seiner Mitte befindet sich ein zentrales Bergmassiv, welches über ähnliche Ausmaße wie der Mount Everest verfügt. Dieser Tafelberg weist eine Länge von etwa 100 Kilometern und eine Breite von 10 bis 20 Kilometern auf.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Diese Nadir-Farbansicht des Hebes Chasma wurde aus acht Einzelaufnahmen zusammengesetzt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Das Gipfelplateau dieses Tafelbergs überragt die tiefsten Stellen des Hebes Chasma um ebenfalls etwa 8.000 Meter. Die steilen Talhänge an den Flanken des Berges sind durch eine Vielzahl von Rinnen gekennzeichnet, welche im Laufe der Zeit durch verschiedene Prozesse aus dem Gestein geschürft wurden. Am Fuß der Abhänge sind vielerorts die Überreste von Hangrutschungen erkennbar, die sich an den Flanken gelöst haben. Selbst diese zum Teil schon deutlich von der Erosion gezeichneten Überbleibsel der Bergstürze bilden immer noch 1.000 bis 2.000 Meter hohe „Mittelgebirge“ im Inneren des Talkessels.

Das Hebes Chasma befindet sich nördlich des Grabenbruchs der Valles Marineris und wie für die Valles Marineris wird auch für das Hebes Chasma ein Ursprung vermutet, welcher mit der Entstehung der unmittelbar benachbarten, rund vier Millionen Quadratkilometer umfassenden Tharsis-Vulkanprovinz in Verbindung stehen dürfte. Bei deren Entstehung wurde die Marskruste in dieser Region um etwa vier Kilometer aufgewölbt. Durch diesen Prozess baute sich im Untergrund des Mars enorme Dehnungsspannungen auf, welche schließlich zum Aufbrechen der Kruste in der Tharsis-Region führten und tiefe Einschnitte in der Hochfläche entstehen ließen.

Der rund 8.000 Meter hohe Tafelberg im Zentrum des Hebes Chasma besteht, wie an dessen gebänderten und geschichteten Flanken gut zu erkennen ist, aus zahlreichen Lagen verschiedener Gesteinsschichten. Hierbei handelt es sich um Sedimentschichten, welche in der Vergangenheit vermutlich von fließenden oder stehenden Gewässern abgelagert wurden. Stellenweise bestehen diese Schichten aus Mineralen wie zum Beispiel dem Kalziumsulfat Gips oder dem Magnesiumsulfat Kieserit, welche Wassermoleküle in ihrer Kristallstruktur eingebaut haben.

Vergleichbare Minerale – die Salze der Schwefelsäure – bilden sich auf der Erde ebenfalls in einer wässrigen Umgebung. Gips und Kieserit wurden im Hebes Chasma sowie in morphologisch ganz ähnlich gestalteten Mars-Regionen mit dem Spektrometer OMEGA an Bord von Mars Express und dem CRISM-Spektrometer der von der US-amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA betriebenen Marssonde Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) nachgewiesen.

In Fachkreisen werden diese Sedimentschichten als „Interior Layered Deposits“ bezeichnet, was in etwa mit „geschichtete Ablagerungen im Innern von Depressionen“ übersetzt werden kann. Wie der gewaltige Tafelberg im Inneren des Hebes Chasma allerdings entstanden ist – ob es der Überrest eines älteren Plateaus ist oder ob es sich um Sedimente handelt, welche erst entstanden sind, als im abflusslosen Hebes Chasma ein See oder Binnenmeer existierte, oder ob es sich gar um Ablagerungen handelt, die der Wind im Laufe von Jahrmilliarden hierhin geweht hat – ist derzeit noch nicht geklärt.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein perspektivischer Blick auf das Innere des Hebes Chasma.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Flüssiges Wasser, da sind sich die Planetologen allerdings aufgrund der dort nachgewiesenen Mineralien sicher, muss jedenfalls in Hebes Chasma zumindest zeitweise vorhanden gewesen sein – und dies über Zeiträume hinweg, die ausgereicht haben, um die ursprüngliche Oberfläche chemisch zu verändern. Zu späteren Zeitpunkten wurden die Gesteinsschichten durch Erosionsvorgänge freigelegt, so dass sie heute mit den Instrumenten an Bord der diversen Marsorbiter untersucht werden können. Diese Sedimentschichten liefern den Planetologen wichtige Hinweise auf die geologische Entwicklung unseres Nachbarplaneten und auf das Klima, welches dort in der Frühzeit geherrscht hat.

Für die hier gezeigten Bilder wurden Aufnahmen der HRSC-Kamera verwendet, welche während der Mars Express-Überflüge in den Orbits 360 (2. Mai 2004), 2149 (16. September 2005), 3217 (12. Juli 2006), 5142 (3. Januar 2008), 5160 (8. Januar 2008), 5178 (13. Januar 2008), 6241 (11. November 2008) und 7237 (24. August 2009) angefertigt wurden. Die Abbildungen zeigen einen Ausschnitt der Marsoberfläche, welcher sich bei etwa einem Grad südlicher Breite und 284 Grad östlicher Länge befindet.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein weiterer perspektivischer Blick auf das Hebes Chasma.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die weiter oben gezeigte Nadir-Farbansicht des Hebes Chasma wurde aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- beziehungsweise rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die perspektivischen Schrägansichten wurden aus den Aufnahmen der Stereokanäle der HRSC-Kamera berechnet. Das weiter unten zu sehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal der Kamera abgeleitet. Des Weiteren konnten die für die Bildauswertung zuständigen Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wurde, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.

Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Institutionen aus zehn Ländern.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Durch die Betrachtung mit einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille wird mit dieser 3D-Aufnahme ein räumlicher Eindruck der Landschaft vermittelt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit mehreren industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
Die hier gezeigten Aufnahmen des Hebes Chasma finden Sie auch auf der entsprechenden Internetseite der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders gut zur Geltung.

Sollte diese Meldung Ihr Interesse an der Erforschung des Mars geweckt haben, so ist eventuell die Wanderausstellung „Mars:Vision und Mission“ für Sie von Interesse, welche noch bis zum 10. Oktober 2015 in verschiedenen Städten in Deutschland zu besichtigen sein wird.

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