Mars Express: Ein Mosaik der Kasei Valles

Am vergangenen Donnerstag veröffentlichte Aufnahmen der Raumsonde Mars Express zeigen die Kasei Valles auf dem Mars. Bei diesem etwa 2.500 Kilometer langen Talsystem handelt es sich um eines der größten Ausflusstalsysteme auf unserem Nachbarplaneten.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, ESA.

NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems
Die hier gezeigte Übersichtskarte des Mars basiert auf Aufnahmen, welche von der MOC-Kamera an Bord des Marsorbiters Mars Global Surveyor angefertigt wurden. Die Position der Kasei Valles ist markiert.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Malin Space Science Systems)

Bereits seit dem Dezember 2003 befindet sich die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express in einer Umlaufbahn um den Mars und liefert den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern seitdem mit sieben wissenschaftlichen Instrumenten regelmäßig eine Vielzahl an Daten über die Atmosphäre und die Oberfläche unseres äußeren Nachbarplaneten, durch deren Auswertung sich für die Planetenforscher wertvolle Einblicke in dessen Entwicklungsgeschichte ergeben.

Bei dem der Öffentlichkeit wohl am besten bekannten Instrument an Bord des Marsorbiters dürfte es sich vermutlich um die High Resolution Stereo Camera (kurz „HRSC“) handeln. Zum ersten Mal wird durch diese hochauflösende Stereokamera die Oberfläche eines fremden Planeten systematisch in der dritten Dimension und zudem in Farbe abgebildet. Von den 145 Millionen Quadratkilometern der Marsfläche hat die HRSC während der letzten fast zehn Jahre rund 95,5 Prozent in einer Auflösung abgebildet, welche bei mindestens 60 Metern pro Pixel liegt. Etwa 66,8 Prozent der Oberfläche, dies entspricht rund 97 Millionen Quadratkilometern, konnten sogar mit Auflösungen zwischen lediglich 12,5 und 20 Metern erfasst werden.

Ein am vergangenen Donnerstag von der ESA veröffentlichtes Mosaik zeigt die Umgebung der Kasei Valles – einem der größten Ausflusstalsysteme auf dem Mars. Für die Erstellung der Mosaikaufnahme wurden Bilddaten verwendet, welche von der HRSC während 67 verschiedener Umläufe von Mars Express erstellt wurden. Das Mosaik erstreckt sich von 280 bis 310 Grad östlicher Länge und 19 bis 36 Grad nördlicher Breite. Es verfügt über eine Ausdehnung von etwa 987 Kilometern (Nord-Süd-Richtung) mal 1.550 Kilometern (Ost-West-Richtung) und deckt eine Fläche von rund 1,55 Millionen Quadratkilometern ab. Dies entspricht in etwa der Fläche der Mongolei.

Die Kasei Valles

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein Nadir-Farbmosaik der Kasei Valles. Das Bild wurde aus 67 Einzelaufnahmen der HRSC zusammengesetzt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die Kasei Valles – „Kasei“ ist die japanische Bezeichnung für den Planeten Mars – entspringen in dem unmittelbar nördlich der Valles Marineris gelegenen Region Echus Chasma. Von dort aus verlaufen sie in die nordöstliche Richtung und teilen sich in verschiedene Arme auf, welche in den westlichen Bereich der Tiefebene Chryse Planitia münden. Die Gesamtausdehnung des Talsystems von der „Quelle“ bis zu seiner Mündung beträgt etwa 2.500 Kilometer.

Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde dieses Talsystem durch gigantische Wassermassen geformt, welche in der Vergangenheit – den von der Erde her bekannten Jökulhlaups ähnelnd – mehrfach durch vulkanische Aktivitäten in der Tharsis-Region freigesetzt wurden und sich anschließend über die Marsoberfläche ergossen. Allerdings haben auch die erodierende Kraft von Gletschern und vulkanische Ablagerungen ihre Spuren auf dem Grund der Täler und an dessen seitlichen Hängen hinterlassen.

Der Oberlauf des Ausflusstals nimmt etwa die Hälfte von dessen Gesamtlänge ein. Das Haupttal erreicht dabei eine Breite von etwa 500 Kilometern. Der Unterlauf spaltet sich zunächst in einen nördlichen und einen südlichen Arm, welcher Sacra Fossae genannt wird. An den Seitenhängen des Sacra Fossae sind bis zu 30 Kilometer breite Terrassen erkennbar. Auffallend sind dabei einige gewundene Täler, welche sich in die Terrasse am südlichen Talrand hineingeschnitten haben.

Diese beiden Arme umschließen eine mit dem Namen Sacra Mensa belegte Formation, die sich wie eine Insel über eine Länge von über 500 Kilometern um bis zu zwei Kilometer über das umgebende Gelände erhebt. Dieser gigantische, stromlinienförmig verlaufende Tafelberg widerstand der Abtragung durch die Wassermassen, welche sich einstmals mit großer Energie durch diese Täler wälzten. Auf diesem Tafelberg sind einige größere Impaktkrater erkennbar, was darauf hindeutet, dass dieser Berg über ein sehr hohes Alter verfügt. Außerdem ist ein Muster von Rissen zu beobachten. Hierbei handelt es sich um kleinere, flache Täler, die entweder auf tektonische Spannungen in der Marskruste oder auf eingestürzte Hohlräume im Untergrund zurückzuführen sind.

NASA, MGS, MOLA Science Team, ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein farbkodiertes Höhenmodell der abgebildeten Region.
(Bild: NASA, MGS, MOLA Science Team, ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Im Bereich des nördlichen Talarms fällt zudem eine etwa 30 Kilometer lange und 10 Kilometer breite ovale Struktur auf, welche sich zur einen Hälfte in den Sacra Mensa und zur anderen Hälfte in die terrassierte Talausbuchtung erstreckt. Wahrscheinlich wurde diese Vertiefung von einem Asteroiden verursacht, welcher hier in einem relativ flachen Winkel auf die Oberfläche traf.

Noch weiter zur Mündung hin spaltet sich das Kasei Vallis in weitere Einzelarme auf, welche dabei ein regelrechtes Delta erzeugen. Auch diese Täler wurden durch die starke erosive Kraft des Wassers und durch die unterschiedliche Beschaffenheit des Untergrunds geschaffen. Verschiedene fluviale Strukturen wie der Grund der Täler, Terrassen und tropfenförmige Inseln sind gut erhalten und über weite Bereiche des Ausflusstals zu finden. Auch im unmittelbaren Mündungsbereich konnte dabei ein Teil der ursprünglichen Marsoberfläche den Wassermassen widerstehen. Im Zentrum einer hier befindlichen Erhebung befindet sich der knapp 100 Kilometer durchmessende Sharanov-Krater.

Das weiter oben gezeigte Nadir-Farbmosaik der Kasei Valles wurde aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- beziehungsweise rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die perspektivische Schrägansicht wurden aus den Aufnahmen der Stereokanäle der HRSC-Kamera berechnet. Des Weiteren konnten die für die Bildauswertung zuständigen Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wurde, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten, welches über eine Auflösung von 100 Metern pro Pixel verfügt.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein perspektivischer Blick zeigt das Gebiet zwischen Sacra Mensae und dem Sharanov-Krater, welcher hier am oberen Bildrand zu erkennen ist. Die kleineren Impaktkrater entstanden nach der Bildung der Kasei Valles. Bei den dunklen Strukturen handelt es sich um Staub und Sandablagerungen, welche durch den Wind verfrachtet wurden.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Institutionen aus zehn Ländern.

Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) entwickelt und in Kooperation mit mehreren industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
Die hier gezeigten Aufnahmen der Kasei Valles finden Sie auch auf der entsprechenden Internetseite der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders gut zur Geltung.

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