Heute veröffentlichte Aufnahmen der Raumsonde Mars Express zeigen die Tiefebene Acidalia Planitia. Auf den Bildern sind verschiedene ausgetrocknete Flusstäler und mehrere ehemalige Kraterseen erkennbar.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: DLR, FU Berlin.
Am 21. Juni 2011 überflog die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express während ihres Marsorbits Nummer 9.534 den westlichen Rand der Region Acidalia Planitia und bildete das Gebiet mit der High Resolution Stereo Camera (HRSC), einem der insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Marsorbiters ab. Diese heute veröffentlichten Aufnahmen zeigen einen bei 37 Grad nördlicher Breite und 306 Grad östlicher Länge gelegenen Ausschnitt des Acidalia Planitia. Aus einer Überflughöhe von mehreren hundert Kilometern erreichte die HRSC-Kamera dabei eine Auflösung von etwa 15 Metern pro Pixel.
Bei dem Acidalia Planitia handelt es sich um eine der ausgedehnten Ebenen des nördlichen Mars-Tieflandes. Es befindet sich zwischen der weiter westlich gelegenen Tharsis-Vulkanprovinz und dem im Südosten angrenzenden Arabia Terra. Das Acidalia Planitia beherbergt unter anderem auch die berühmte Cydonia-Region und das dort befindliche angebliche „Mars-Gesicht“.
Außerdem befinden sich in dieser Übergangszone zwischen dem Marshochland und der nördlichen Tiefebene zahlreiche weit verzweigte Flusstäler. Einige dieser Täler weisen ein sogenanntes dendritisches Muster auf, welche in ihrer Form an die gleichmäßigen Verzweigungen eines Baumes erinnert. Diese Rinnenmuster bildeten sich durch Niederschlag, zum Beispiel in Form von Regen oder Schnee. Die Existenz von dendritischen Abflusssystemen auf dem Mars zeigt, dass unser Nachbarplanet in der Vergangenheit zumindestens zeitweise ein wärmeres und feuchteres Klima aufwies, welches im Gegensatz zu den aktuell vorherrschenden Bedingungen das Vorhandensein von flüssigem Wasser ermöglichte.
Das am 21. Juni 2011 durch die HRSC-Kamera abgebildete Gebiet verfügt über eine Ausdehnung von etwa 150 x 70 Kilometern und ist somit etwas größer als die Mittelmeerinsel Kreta. Im nördlichen Bereich der Aufnahme (rechte Bildhälfte im nebenstehenden Farbbild) sind vereinzelte Brüche in der Marskruste zu erkennen, welche sich bis in die angrenzende und auf diesem Bild nicht abgebildete Region „Idaeus Fossae“ – einem etwa 200 Kilometer langen Grabensystem – fortsetzen. Aus diesen Bruchstrukturen, so die Interpretation der Planetenforscher, könnte einstmals Wasser, welches in Hohlräumen unter der Marsoberfläche gespeichert war, ausgetreten sein.
Im Westen der Szenerie (oberer Bildrand) sind des weiteren verschiedene zehn bis zwanzig Kilometer durchmessende und fast vollständig von Sedimenten verfüllte Krater zu erkennen, aus denen zum Teil Flusstäler entspringen. Es liegt die Vermutung nahe, dass diese Krater einst mit Wasser gefüllt waren und Seen bildeten. Die dort aufgestauten Wassermassen brachen sich schließlich einen Weg in die Umgebung und erzeugten dabei die heute noch erkennbaren Flusstäler.
Speziell im mittleren Abschnitt der Bilder fallen zudem einige kleinere und immer noch sehr gut erhaltene Krater auf. Der geringe Grad der Erosion ist ein Anzeichen für ein relativ geringes Alter dieser Krater. Sie haben sich vermutlich erst nach dem Ende Wasseraktivitäten in dieser Region gebildet, so dass sie nicht von den Wassermassen aufgefüllt und anschließend abgetragen oder durch Schlammablagerungen verfüllt wurden.
Bei der Suche nach Anzeichen für ehemaliges oder immer noch vorhandenes Leben auf dem Mars sind Gebiete wie die hier kurz vorgestellte Region des Acidalia Planitia für die Astrobiologen von großer Bedeutung. Die deutlichen Hinweise auf Kraterseen belegen das frühere Auftreten von Oberflächenwasser in der Entwicklungsgeschichte des Mars. Die Sedimente solcher ehemaliger Seen sind für astrobiologische Untersuchungen besonders interessant, da das längerfristige Vorhandensein von flüssigem Wasser nach allgemeiner Ansicht eine notwendige Grundvoraussetzung für die Entstehung und die weitere Entwicklung von Mikroorganismen darstellt.
Die hier gezeigten Farbansicht des Acidalia Planitia wurde aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- bzw. rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Das weiter unten zu sehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal der Kamera abgeleitet. Des Weiteren können die Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wird, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.
Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Sonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Institutionen aus zehn Ländern.
Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
Weitere während des Orbits Nummer 9.534 durch die HRSC-Kamera angefertigte Aufnahmen des Acidalia Planitia finden Sie auf der entsprechenden Internetseite der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders gut zur Geltung.
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