Bereits am Donnerstag veröffentlichte Aufnahmen der Raumsonde Mars Express zeigen die Region der Ladon-Täler auf dem Mars.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, DLR, ESA.
Bereits vor mehreren Monaten führte die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express in der Umlaufbahn des Mars ein Orbitmanöver durch. Durch die dabei entstandene Veränderung des Orbits wird es der Raumsonde möglich sein, während der in den frühen Morgenstunden des 6. August 2012 erfolgenden Landung des von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebenen Marsrovers Curiosity wichtige Zustandssignale aufzufangen und diese später an die Erde zu übermitteln (Raumfahrer.net berichtete).
Unabhängig davon setzte die Raumsonde in den letzten Monaten jedoch auch ihre regulären Forschungsaktivitäten fort. Während des Marsorbits Nummer 10.602 überflog Mars Express dabei am 27. April 2012 einen Bereich der Marsoberfläche, welcher sich unmittelbar westlich der Landon Valles befindet. Bei den Landon Valles, benannt nach einem Fluss in Griechenland, handelt es sich um ein im südlichen Hochland des Mars gelegenes Talsystem, welches sich unmittelbar nordöstlich der beiden Impaktkrater Holden und Eberswalde über eine Länge von etwa 250 Kilometern ausdehnt.
Aus einer Überflughöhe von mehreren hundert Kilometern erreichte die High Resolution Stereo Camera (HRSC), eines der insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Marsorbiters, eine Auflösung von etwa 20 Metern pro Pixel. Die so gewonnenen Aufnahmen zeigen einen Ausschnitt der Marsoberfläche, welcher sich bei 18 Grad südlicher Breite und 329 Grad östlicher Länge befindet.
Auf der nebenstehenden topografischen Übersichtskarte geht hervor, dass sich einstmals beträchtliche Wassermassen aus der südlichen Richtung kommend nach Norden ergossen haben und dabei in ein altes, mehrere hundert Kilometer durchmessendes Impaktbecken geflossen sind. Am südwestlichen Rand dieses Impaktbeckens befinden sich zwei sich teilweise überlappenden Krater – der Sigli-Krater (südlich) und der Shambe-Krater (nördlich) – welche auf den HRSC-Aufnahmen deutlich zu erkennen sind.
In der nebenstehenden Farbansicht der abgebildeten Region sind westlich (im Bild oberhalb) dieses Doppelkraters mehrere kleine Flussläufe zu erkennen, welche sich scheinbar in das Einschlagbecken erstrecken. Unmittelbar östlich (unterhalb) der beiden Krater befindet sich dagegen die Mündung der Ladon Valles in das Impaktbecken. Speziell in diesem Bereich, aber auch an vereinzelten Stellen weiter nördlich, sind helle Ablagerungen auf der Marsoberfläche erkennbar.
In hochaufgelösten Aufnahmen der Landschaft ist erkennbar, dass es sich hierbei um geschichtete Ablagerungen handelt. Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass es sich hierbei unter anderem um Tonminerale handelt. Das Vorhandensein dieser Minerale lässt darauf schließen, dass in dieser Region flüssiges Wasser über einen relativ langen Zeitraum auf der Marsoberfläche vorhanden war, wahrscheinlich in einem größeren stehenden Gewässer wie einem See oder einem kleinen Binnenmeer.
Im mittleren und rechten Bildausschnitt sind neben vereinzelten, kleineren Impaktkratern auch ausgedehnte, teilweise bogenförmige Bruchstrukturen zu erkennen. Diese Brüche bildeten sich vermutlich durch eine Auflast und die damit verbundene Kompaktion großer Sedimentmassen, welche im Laufe der Zeit in dem Einschlagsbecken abgelagert wurden und dadurch Spannungen in der Planetenkruste erzeugten.
Die beiden Krater Sigli und Shambe sind vermutlich durch den Doppeleinschlag eines Asteroiden, welcher beim Durchqueren der Marsoberfläche in zwei Teile zerbrach, nahezu gleichzeitig entstanden. Dieser Doppelkrater wurde ebenfalls teilweise mit Sedimentablagerungen aufgefüllt.
Im Gegensatz zu dem größeren Einschlagsbecken weisen diese beiden Krater viele Brüche auf, welche jedoch vermutlich nicht durch tektonische Spannungen in der Marskruste verursacht wurden. Das Muster der Bruchstrukturen erinnert vielmehr an ein in einem großen Umfang erfolgtes Auftreten von Trockenrisse. Diese Risse könnten somit von einst feuchten Sedimentschichten herrühren, welche im Laufe der Zeit austrockneten, dadurch bedingt ihr Volumen verringerten und Dehnungsrisse entstehen ließen.
Die hier gezeigten Nadir-Farbansicht der Umgebung der Ladon Valles wurde aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- beziehungsweise rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die perspektivischen Schrägansichten wurden aus den Aufnahmen der Stereokanäle der HRSC-Kamera berechnet. Das weiter unten zu sehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal der Kamera abgeleitet. Des Weiteren können die Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wird, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.
Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Sonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Institutionen aus zehn Ländern.
Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
Weitere während des Orbits Nummer 10.602 durch die HRSC-Kamera angefertigte Aufnahmen des Melas Dorsa finden Sie auf der entsprechenden Internetseite der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders gut zur Geltung.
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