Mars Express : Die Ausflusstäler der Osuga Valles

Am vergangenen Donnerstag veröffentlichte Aufnahmen der HRSC-Kamera an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express zeigen den zentralen Bereich der Osuga Valles auf dem Mars. Dieses Ausflusstal entspringt im Bereich der Region Eos Chaos und wurde vor langer Zeit durch mehrere plötzlich auftretende Flutkatastrophen geschaffen.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, ESA.

NASA, MGS, MOLA Science Team, FU Berlin
Eine topografische Karte der Umgebung der Osuga Valles auf dem Mars. Der von der HRSC-Kamera abgebildete Bereich ist hier umrahmt.
(Bild: NASA, MGS, MOLA Science Team, FU Berlin)

Bereits seit dem 25. Dezember 2003 befindet sich die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express in einer Umlaufbahn um den Mars und liefert den an dieser Mission beteiligten Wissenschaftlern seitdem regelmäßig eine Vielzahl an Daten und Bildern von der Atmosphäre und speziell von der Oberfläche unseres äußeren Nachbarplaneten. Durch die Auswertung der gewonnene Daten und Aufnahmen ergeben sich für die Planetenforscher wertvolle Einblicke in dessen Entwicklungsgeschichte.

Am 7. Dezember 2013 überflog Mars Express während des Orbits Nummer 12.624 den zentralen Bereich der ‚Osuga Valles‘ und bildete diese Region mit der High Resolution Stereo Camera (kurz „HRSC“), einem der insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Marsorbiters, ab. Aus einer Überflughöhe von mehreren hundert Kilometern erreichte die HRSC dabei eine Auflösung von ungefähr 17 Metern pro Pixel. Die bei dieser Gelegenheit angefertigten Aufnahmen geben einen bei etwa 15 Grad südlicher Breite und 322 Grad östlicher Länge gelegenen Ausschnitt der Marsoberfläche wieder.

Bei den ‚Osuga Valles‘ handelt es sich um das etwa 164 Kilometer lange Netzwerk eines Ausflusstals, welches sich etwa 170 Kilometer südlich der Region ‚Eos Chasma‘ – einem östlichen Teilabschnitt des rund 4.000 Kilometer langen Grabenbruchsystems der Valles Marineris – befindet. An einigen Stellen erreichen die ‚Osuga Valles‘ eine Breite von bis zu 20 Kilometern und eine Tiefe von bis zu 900 Metern. Neben dem Talsystem sind in den von der HRSC-Kamera angefertigten Aufnahmen auch mehrere Impaktkrater erkennbar, von denen einige im Laufe der Jahrmilliarden fast vollständig mit Oberflächenmaterial verfüllt wurden. Derartige Krater, die nahezu vollständig durch Lava oder Sand und Staub bedeckt und deren Umrisse nur noch schemenhaft erkennbar sind, werden auch als „Geisterkrater“ bezeichnet.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine Nadir-Farbansicht der Umgebung der Osuga Valles. Norden befindet sich rechts im Bild.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Chaotische Gebiete
Das „Quellgebiet“ dieses Ausflusstals befindet sich in der etwas weiter östlich gelegenen Region ‚Eos Chaos‘. Derartige „chaotische Gebiete“, welche auf dem Mars speziell im östlichen Bereich der Valles Marineris anzutreffen sind, beherbergen ein Gewirr von kleinen, in alle Richtungen verlaufenden und sich gegenseitig schneidenden Tälern und Schluchten. Diese Regionen zeichnen sich zudem durch eine Häufung von unterschiedlich großen Gesteinsblöcken und stark erodierten, tafelbergähnlichen Erhebungen aus, welche über eine Ausdehnung von bis zu zehn Kilometern und über eine relative Höhe von mehreren hundert Metern, stellenweise sogar bis zu einen Kilometer verfügen.

Die Bildung dieser chaotischen Gebiete wird allgemein darauf zurückgeführt, dass sich in der Vergangenheit im Untergrund vorhandenes Eis, Wasser oder Magma verlagerte, wodurch die darüber liegenden Gesteinsschichten zum Einsturz gebracht wurden. Auch die Erosion durch Wind scheint in der Folgezeit eine nicht zu vernachlässigende Rolle bei der Bildung der heute erkennbaren Geländeformen gespielt zu haben. Der genaue Mechanismus, welcher zu der Entstehung dieser manchmal mehrere hundert Kilometer durchmessenden chaotischen Regionen führte, ist bisher allerdings nur ungenügend verstanden. Die chaotischen Gebiete sind deshalb von besonderem Interesse für die Planetologen und Marsforscher, weil das Verständnis ihrer Entstehung Hinweise auf die Beziehung zwischen den chaotischen Terrains, den Valles Marineris, den dort befindlichen Ausflusstälern und der weiter nördlich gelegenen Tiefebene Chryse Planitia geben kann.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein perspektivischer Blick über die Osuga Valles. Die in Flussrichtung ausgerichtete Perspektive zeigt deutliche Details des zerfurchten Talbodens und der Inseln.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die Osuga Valles
Bei der Entstehung der ‚Osuga Valles‘ dürften mehrere plötzlich auftretende, katastrophale Flutereignisse eine entscheidende Rolle gespielt haben. Schnell fließendes Wasser schnitt sich dabei in die den südöstlichen Rand der Valles Marineris begrenzenden Hochebene ein und schuf diverse stromlinienförmige Inseln und schmale Schluchten. Der stromlinienförmige Verlauf der Inseln zeigt an, dass sich das Wasser von Südwesten kommend in die nordöstliche Richtung ergoss. Diverse parallel verlaufende schmale Furchen am Boden der Flusstäler sind zudem ein Hinweis auf eine hohe Fließgeschwindigkeit des Wassers. Höhenunterschiede in den Plateaus und Überschneidungen von einzelnen Kanälen legen des weiteren nahe, dass die Region der ‚Osuga Valles‘ in der Vergangenheit zahlreiche Flutereignisse erlebte.

Zwei unregelmäßig geformte Blöcke am nördlichen Rand des Kanals (rechts in den Draufsichten erkennbar) scheinen von dem umgebenden Plateau abgebrochen zu sein. Sie wurden durch das Wasser weniger stark erodiert und verfügen im Vergleich zu den abgerundeten Inseln über eine eher eckige Form. Die Wassermassen mündete eventuell in einer rund 2.500 Meter tiefen Senke in einem weiteren chaotischem Gebiet am unteren Rand der Bilder. Bisher ist jedoch ungeklärt, ob das Wasser dort direkt im Untergrund versickerte oder ob es vorübergehend einen See gebildet hat.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine höhenkodierte Bildkarte der Osuga Valles. Weiß und Rot markieren die am höchsten gelegenen Regionen – Gelb, Grün und Blau die tiefsten.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Bildverarbeitung und HRSC-Kamera
Die weiter oben gezeigte Nadir-Farbansicht der ‚Osuga Valles‘ wurde aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- beziehungsweise rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die perspektivische Schrägansicht wurde aus den Aufnahmen der Stereokanäle der HRSC-Kamera berechnet. Das weiter unten zu sehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Marslandschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal der Kamera abgeleitet. Des Weiteren konnten die für die Bildauswertung zuständigen Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wurde, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.

Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Raumsonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Ralf Jaumann geleitet. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Instituten aus zehn Ländern.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Durch die Betrachtung mit einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille wird mit dieser 3D-Aufnahme ein räumlicher Eindruck der Landschaft vermittelt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die hochauflösenden Stereokamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit mehreren industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof erstellt.
Die hier gezeigten Aufnahmen der ‚Osuga Valles‘ finden Sie auch auf der entsprechenden Internetseite der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders gut zur Geltung.

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