Mars Express: Der Hadley-Krater auf dem Mars

Die von dem Hadley-Krater angefertigten Aufnahmen der HRSC-Kamera an Bord der Raumsonde Mars Express ermöglichen einen fast drei Kilometer tiefen Einblick in die Kruste des Mars. Verschiedene geologische Strukturen legen nahe, dass dort einstmals Vulkanlava floss und sich Wassereis im Untergrund befunden haben muss.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: FU Berlin, DLR, ESA. Vertont von Peter Rittinger.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine topografische Karte des Hadley-Kraters auf dem Mars. Der durch die HRSC-Kamera abgebildete Bereich ist umrahmt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Bereits seit dem Dezember 2003 befindet sich die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Mars Express in einer Umlaufbahn um den Planeten Mars und liefert den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern eine Vielzahl an Daten, durch deren Auswertung sich neue Einblicke in die Entwicklungsgeschichte unseres äußeren Nachbarplaneten ergeben. Am 9. April 2012 überflog die Raumsonde dabei während des Orbits Nummer 10.572 den Hadley-Krater und bildete diesen mit der High Resolution Stereo Camera (kurz „HRSC“), einem der insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord des Marsorbiters, ab.

Der etwa 115 Kilometer durchmessende Hadley-Krater befindet sich rund 600 Kilometer westlich des Al-Qahira-Tals – so der arabische Name für den Mars – in der unmittelbaren Nähe zu der Übergangszone vom alten, südlichen Hochland des Mars zur jüngeren, fast die gesamte nördlichen Planetenhemisphäre umfassenden nördlichen Tiefebene. Benannt wurde dieser Impaktkrater nach dem britischen Anwalt und Meteorologen George Hadley (1685-1768), welcher auch der so genannten Hadley-Zelle seinen Namen gab. George Hadley darf nicht mit dem englischen Astronomen John Hadley (1682-1744) verwechselt werden, nach dem die berühmte Hadley-Rille auf dem Mond benannt ist – ein Lavakanal, welcher im Jahr 1971 das Ziel der bemannten Mondlandemission Apollo 15 war.

Die bereits am 6. September 2012 von der ESA veröffentlichten Aufnahmen der HRSC-Kamera zeigen einen bei 19 Grad südlicher Breite und 157 Grad östlicher Länge gelegenen Ausschnitt der Marsoberfläche. Aus einer Überflughöhe von knapp 500 Kilometern erreichte die Kamera dabei eine Auflösung von etwa 19 Metern pro Pixel.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Eine Nadir-Farbansicht des durch die HRSC-Kamera abgebildeten Hadley-Kraters. Norden befindet sich rechts im Bild.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Der Bereich des Hadley-Krater wurde im Laufe der Jahrmilliarden gleich mehrmals von größeren Asteroiden oder deren Bruchstücken getroffen, was die Entstehung eines „Vielfachkraters“ zur Folge hatte. Dessen Entstehungsgeschichte kann man sich folgendermaßen vorstellen: Zuerst schlug ein mehrere Kilometer durchmessender Asteroid auf der Marsoberfläche ein, wobei der eigentliche, rund 115 Kilometer durchmessende Hadley-Krater entstand. In den folgenden Jahrmillionen wurde die so entstandene Kratervertiefung zu großen Teilen entweder mit Lava oder mit Sedimenten aufgefüllt.

Dafür, dass es sich um Lava gehandelt haben könnte, spricht das Vorhandensein von so genannten Runzelrücken (engl. „wrinkle ridges“), welche als längliche Formationen durch den nördlichen Teil des Hadley-Kraters verlaufen (rechts im Bild in der nebenstehenden Nadir-Farbansicht). Runzelrücken haben ihren Ursprung immer in vulkanisch-tektonischen Prozessen. Dabei bilden sie sich durch das langsame Erstarrung einer anfangs dünnflüssigen Lavadecke. Durch den Abkühlungsprozess kommt es zu einer Stauchung der Kruste. Dies hat zur Folge, dass die vulkanischen Ablagerungen infolge von tektonischen Druckspannungen komprimiert und übereinander geschoben werden. Vergleichbare geologische Strukturen sind übrigens auch auf dem Erdmond bekannt.

Nach der teilweisen Verfüllung des Hadley-Kraters ereigneten sich weitere Asteroideneinschläge. Über deren zeitlichen Ablauf geben sowohl deren Anordnung als auch der Verwitterungsgrad Auskunft. Speziell im westlichen Bereich des Hadley-Kraters (oberer Bildbereich) befinden sich einige fast vollständig mit Ablagerungen aufgefüllte Krater, von denen lediglich noch die Umrisse erkennbar sind. Als besonders interessant für die Marsforscher gestalten sich dabei die Auswurfdecken von mehreren kleineren Kratern im Inneren des Hadley-Kraters. Zwei von ihnen – der westliche (am oberen Rand der Farbdraufsicht) und der kleinere, tiefe Krater im südlichen Bereich von Hadley – sind von deutlich erkennbaren Auswurfdecken umgeben, welche einen unregelmäßig verlaufenden, lobenförmigen Rand aufweisen.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein perspektivischer Blick in das Innere des Hadley-Kraters.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Diese auch als „Ejektadecken“ bezeichneten Formationen sind ein untrügerisches Zeichen dafür, dass sich zu dem Zeitpunkt, als sich die beiden für die Entstehung der kleineren Krater verantwortlichen Impakte ereigneten, direkt unter der Oberfläche des Hadley-Kraters Wassereis befunden haben muss. Durch die großen Energiemengen, welche im Rahmen der beiden Impaktprozesse freigesetzt wurden, wurden diese Eisvorkommen mobilisiert, was bis zu einem gewissen Grad zu einer Verflüssigung des Marsbodens führte.

Das jetzt teilverflüssigte Untergrundmaterial wurde durch die Wucht des Impaktes zuerst in die Höhe geschleudert und fiel anschließend in der Umgebung des Kraters wieder zur Oberfläche zurück. Dabei bildeten die Ejektadecken zu ihrer Umgebung hin deutlich erkennbare Geländestufen aus, welche besonders gut auf der nebenstehenden perspektivischen Schrägansicht zu erkennen sind. Der zugrunde liegende Prozess ist vergleichbar mit dem Wurf eines Steins in eine angetrocknete Schlammpfütze.

In der Gegenwart bietet sich durch die Untersuchung des Hadley-Kraters und der darin gelegenen kleineren Impaktkrater ein etwa 2.600 Meter tiefer Einblick in die Marskruste. Unter Berücksichtigung der Topographie der beiden von Auswurfdecken umgebenen Krater könnte dort einstmals bis in eine Tiefe von etwa 1.800 Metern Eis im Untergrund vorhanden gewesen sein beziehungsweise sich immer noch dort befinden.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Ein weiterer perspektivischer Blick.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die hier gezeigten Nadir-Farbansicht der Umgebung der Hadley-Kraters wurde aus dem senkrecht auf die Planetenoberfläche blickenden Nadirkanal und den vor- beziehungsweise rückwärts blickenden Farbkanälen der HRSC-Stereokamera erstellt. Die perspektivischen Schrägansichten wurden aus den Aufnahmen der Stereokanäle der HRSC-Kamera berechnet. Das weiter unten zu sehende Anaglyphenbild, welches bei der Verwendung einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille einen dreidimensionalen Eindruck der Landschaft vermittelt, wurde aus dem Nadirkanal und einem Stereokanal der Kamera abgeleitet. Des Weiteren können die Wissenschaftler aus einer höhenkodierten Bildkarte, welche aus den Nadir- und Stereokanälen der HRSC-Kamera errechnet wird, ein digitales Geländemodell der abgebildeten Marsoberfläche ableiten.

Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Sonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Institutionen aus zehn Ländern.

ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum)
Durch die Betrachtung mit einer Rot-Cyan- oder Rot-Grün-Brille wird mit dieser 3D-Aufnahme ein räumlicher Eindruck der Landschaft vermittelt.
(Bild: ESA, DLR, FU Berlin (G. Neukum))

Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
Weitere während des Orbits Nummer 10.572 durch die HRSC-Kamera angefertigte Aufnahmen des Hadley-Kraters finden Sie auf der entsprechenden Internetseite der FU Berlin. Speziell in den dort verfügbaren hochaufgelösten Aufnahmen kommen die verschiedenen Strukturen der Marsoberfläche besonders gut zur Geltung. Dort finden Sie auch die weiter oben erwähnte höhenkodierte Karte.

Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum:

Verwandte Seiten:

Nach oben scrollen