Eine heute von der ESA veröffentlichte Aufnahme der Raumsonde Mars Express zeigt das Talsystem der Valles Marineris auf dem Mars. Hierbei handelt es sich um das größte bisher bekannte Canyon-System unseres Sonnensystems.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: DLR, ESA, FU Berlin.
Mit einem Durchmesser von 6.792 Kilometern ist der Mars nur etwa halb so groß wie unser Heimatplanet. Trotzdem kann unserer äußerer Nachbarplanet mit einigen landschaftlichen Superlativen aufwarten, welche in unserem Sonnensystem ihresgleichen suchen. Das auf der südlichen Marshemisphäre gelegene Hellas-Impaktbecken verfügt über einen Durchmesser von etwa 1.600 x 2.200 Kilometern und ereicht eine Tiefe von bis zu neun Kilometern. Nach dem Südpol-Aitken-Becken auf dem irdischen Mond handelt es sich hierbei nach dem bisherigen Wissensstand um das zweitgrößte Einschlagbecken in unserem Sonnensystem.
Mit einer Gipfelhöhe von über 22 Kilometern und einem Basisdurchmesser von rund 550 Kilometern ist der Olympus Mons der höchste Vulkan im derzeit bekannten Sonnensystem. Auch die benachbarten Schildvulkane Arsia Mons, Pavonis Mons und Ascraeus Mons sind mit Höhen von 13, 12 und 18 Kilometern deutlich höher als der höchste Berg der Erde – der 8.848 Meter hohe Mount Everest.
Als besonders spektakulär präsentiert sich dem irdischen Betrachter jedoch das imposante Talsystem der Valles Marineris. Dieses bis zu 11 Kilometer tiefe System aus diversen, teilweise parallel zueinander verlaufenden und zugleich miteinander verbundenen Tälern erstreckt sich über eine Länge von fast 4.000 Kilometern entlang des Marsäquators und erreicht dabei eine Breite von stellenweise deutlich mehr als 200 Kilometern. Mit diesen Abmessungen handelt es sich bei den Valles Marineris um das mit Abstand größte bekannte Grabenbruchsystem innerhalb unseres Sonnensystems.
Ein heute von der ESA veröffentlichtes Mosaikbild zeigt den zentralen Abschnitt der Valles Marineris. Das Mosaik setzt sich aus 20 Einzelaufnahmen zusammen, welche mit der High Resolution Stereo Camera (HRSC), einem der insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumente an Bord des von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebenen Marsorbiters Mars Express, angefertigt wurden. Mars Express befindet sich seit dem Dezember 2003 in einer polaren Umlaufbahn um unseren Nachbarplaneten und überfliegt und fotografiert dabei auch immer wieder die Region der Valles Marineris. Abhängig von den dabei gegebenen Überflughöhen verfügen die einzelnen Bildstreifen der HRSC dabei über Breiten zwischen 50 und 200 Kilometern.
Das Aufnahmeprinzip der HRSC ermöglicht es, aus den neun einzelnen Aufnahmekanälen der Kamera – vier dieser Kanäle sind Stereokanäle – so genannte digitale Geländemodelle abzuleiten. Dies bedeutet, dass für jeden abgebildeten Bildpunkt auch die dazugehörige Höhe über der Marsoberfläche ermittelt werden kann. Im Computer können aus diesen Informationen anschließend perspektivische Ansichten der Marsoberfläche berechnet werden. Eine solche perspektivische Ansicht, welche die Marsoberfläche aus einem Blickwinkel von 45 Grad zeigt, wurde für die Erstellung des hier gezeigten Mosaiks verwendet. Die abgebildete Region verfügt über eine Fläche von rund 630.000 Quadratkilometern. Die Auflösung liegt bei 100 Metern pro Pixel.
Zur besseren Darstellung wurden die Höhen vierfach überhöht, was bedeutet, dass die abgebildeten Hänge und Bergflanken in dem Mosaik steiler erscheinen als in der Realität. Zudem sind die Farben in diesem Bild leicht verfälscht dargestellt. Durch eine Steigerung des Kontrastes in den einzelnen Farbkanälen werden auf diese Weise verschiedene, auf den ersten Blick eher unscheinbare Geländemerkmale dieser geologisch äußerst komplexen Region sowie Unterschiede in der Zusammensetzung der Oberfläche deutlicher sichtbar.
Die Entstehungsgeschichte der Valles Marineris ist bisher aus wissenschaftlicher Sicht noch nicht vollständig geklärt. Sehr wahrscheinlich steht sie aber in einem direkten Zusammenhang mit der Herausbildung der Tharsis-Region, welche sich im Westen und Süden unmittelbar an das Talsystem anschließt. Bei der Tharsis handelt es sich um eine mehr als vier Kilometer hohe Aufwölbung der Marsoberfläche, welche über eine Ausdehnung von etwa vier Millionen Quadratkilometern verfügt. In diesem Gebiet befinden sich auch die bereits weiter oben erwähnten vier größten Vulkane des Mars.
Auch an den Rändern der Valles Marineris finden sich zahlreiche Spuren von Vulkanismus. An den kilometerhohen Hängen lassen sich Schichtablagerungen erkennen, welche offensichtlich einstmals von dünnflüssiger, basaltischer Lava gebildet wurden. Diese Lavamassen haben sich in der Vergangenheit immer wieder über die Oberfläche unseres Nachbarplaneten ergossen. Auch die Hochebenen in der Umgebung der Valles Marineris bestehen aus diesen Basaltdecken.
Durch Druck von unten, welcher vermutlich von riesigen Magma-Blasen erzeugt wurde, die wiederum ursprünglich in großer Tiefe entstanden und aufgrund ihrer geringeren Dichte durch den plastischen Mantel des Mars bis unmittelbar unter die Marskruste aufstiegen, bauten sich in der Phase der Aufwölbung der Tharsis-Region vor drei bis vier Milliarden Jahren diverse tektonische Spannungen in der Marskruste auf. Diese Spannungen führten letztendlich zu Dehnungsbrüchen in der Kruste. Gewaltige Krustenblöcke sanken dabei zwischen den Flanken der aufgebrochenen Kruste mehrere tausend Meter in die Tiefe ab. Auch auf der Erde existieren vergleichbare Strukturen, wenn auch in einem viel kleineren Maßstab. Ein Beispiel hierfür ist der etwa 300 Kilometer lange Oberrheingraben zwischen Basel und Frankfurt am Main.
Auf der Oberfläche des Mars haben sich als Folge dieser Dehnungsspannungen charakteristische Muster von tektonischen Brüchen gebildet. Die jüngsten dieser Dehnungsbrüche sind in der Bildmitte und entlang der unteren Bildkante zu erkennen. Durch das Aufbrechen der Kruste und durch die damit verbundenen Veränderungen im Landschaftsprofil erfolgten entlang der Geländekanten zahlreiche Abbrüche und Hangrutschungen von teilweise gewaltigen Ausmaßen. Die Spuren dieser Massebewegungen sind entlang der südlichen (unteren) und nördlichen (obere Bildmitte) Begrenzung der Valles Marineris zu erkennen.
In der Folgezeit hat offensichtlich auch Wasser, welches in großen Mengen und mit viel Energie durch die Valles Marineris strömte, zu einer weiteren Veränderung der Landschaft. Zum einen haben die Wassermassen die Ränder der einzelnen Chasmata – der Täler der Valles Marineris – regelrecht „weggefräst“. Zu anderen hat das Strömen des Wassers zu einer zusätzlichen Vertiefung der Talsohle geführt. Diese Wassermassen – dies zeigt sich durch das Höhenprofil der einzelnen Talsysteme – flossen von Westen in Richtung Osten entlang des Talarmes in der rechten Bildhälfte ab und ergossen sich in ein nach Norden führendes System von Ausflusskanälen, welche in der Tiefebene Chryse Planitia auf der nördlichen Hemisphäre des Mars münden.
Diese Wassermassen müssen dabei anscheinend auch über einen relativ langen Zeitraum über die Marsoberfläche geströmt sein. Messungen des OMEGA-Spektrometers an Bord von Mars Express zeigen, dass die dortigen Gesteine durch den Einfluss von Wasser auch mineralogisch verändert wurden. So finden sich an vielen Stellen in den Valles Marineris Schichten und Ablagerungen von Sulfatmineralen. Beispiele hierfür sind Gips (Kalziumsulfat) und Kieserit (Magnesiumsulfat). Beide entstehen auf der Erde in Gewässern und in ihren Kristallgerüsten ist Kristallwasser enthalten.
Das HRSC-Kameraexperiment an Bord der ESA-Sonde Mars Express wird vom Principal Investigator (PI) Prof. Dr. Gerhard Neukum von der Freien Universität Berlin geleitet. Dieser hat auch die technische Konzeption der hochauflösenden Stereokamera entworfen. Das für die HRSC-Kamera verantwortliche Wissenschaftlerteam besteht aus 40 Co-Investigatoren von 33 Institutionen aus zehn Ländern.
Die HRSC-Kamera wurde am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter der Leitung von Prof. Dr. Gerhard Neukum entwickelt und in Kooperation mit industriellen Partnern (EADS Astrium, Lewicki Microelectronic GmbH und Jena-Optronik GmbH) gebaut. Sie wird vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof betrieben. Die systematische Prozessierung der Bilddaten erfolgt am DLR. Die Darstellungen der hier gezeigten Mars Express-Bilder wurden von den Mitarbeitern des Instituts für Geologische Wissenschaften der FU Berlin in Zusammenarbeit mit dem DLR-Institut für Planetenforschung erstellt.
Höher aufgelöste Darstellungen dieser Mosaikaufnahme finden Sie auf der entsprechenden Internetseite der ESA.
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