Mars Direct

Der faszinierende Plan des Mars-Forschers Robert Zubrin, um eine bemannte Marsmission extrem kostengünstig, schnell und sicher durchzuführen.

Autor: David Langkamp.

So ähnlich könnte eine erste bemannte Marsmission aussehen.
(Grafik: Mars Society)

In der Welt der Science Fiction spielt der Mars oftmals eine wichtige Rolle. Seit je her übt der rote Planet eine Faszination auf die Menschen aus. Doch wie sieht es in der Realität aus – ist eine bemannte Erforschung des Mars wirklich eine Aufgabe, die in den Bereich von Science Fiction gehört?

Viele Leute denken, ein Flug zum Mars sei Aufgabe zukünftiger Generationen und unfinanzierbar. Beide Argumente sind nicht einfach so von der Hand zu weisen. Bis 1990 hielt man an den konventionellen Ideen für eine erste Forschungsmission zum Mars fest. Diese Ideen stammten teilweise noch aus den 50er und 60er Jahren.

Alle Konzepte sahen in etwa ähnlich aus. Zuerst errichtet man im Orbit eine Art Schiffswerft (eine große Raumstation mit einem gigantischen Trockendock zum Bau des Schiffes). Dort wird dann ein riesiges Raumschiff (mit über 1.000 Tonnen Masse!! Vergleich: ein Space Shuttle wiegt etwa 70 Tonnen!) gebaut. Dazu bräuchte man eine enorme Montagecrew im Orbit; folglich auch Versorgungseinrichtungen für diese Crew sowie Wohnraum im Orbit. Wenn man sich die voraussichtlichen Kosten von 100 Milliarden DM für den Bau der ISS ansieht wird einem schnell klar, das die Kosten für eine solche Marsmission ins Unermeßlich schießen würden. Die benötigte Raumstation wäre um vieles größer. Manche Entwürfe sahen sogar vor, zuerst eine Basis auf dem Mond zu errichten um dort die auf dem Mars einzusetzenden Technologie zu testen. Gegebenenfalls sollte das Raumschiff auf dem Mond auftanken, um dann von dort zum Mars aufzubrechen. Als Reiseroute wollte man die Opposition zwischen Erde und Mars nutzen. Die Zeit eines Hinfluges beträgt in diesem Fall 180 Tage, die Zeit für den Rückflug 430 Tag. Aufgrund der Startfenster plante man nur eine Zeit von 30 Tagen auf der Oberfläche ein. Außerdem hätte nur ein Teil der Crew wirklich auf dem Mars landen können, das Raumschiff wäre im Orbit geblieben. Dadurch wäre aber die auf der Oberfläche verfügbare Masse an Gütern sehr gering gewesen. Im sogenannten „90-Day Report“ schätzte man die Kosten für so eine Marsmission, die scherzhaft „Battlestar Galaktica“-Konzept genannt wurde, auf 450 Milliarden Dollar. Der Zeitraum um alle erforderlichen Technologien zu entwickeln wurde auf mindestens 30 Jahre angesetzt. Der Schock, den diese Zahlen im Kongress auslösten, machte jegliche Chancen auf eine Marsmission zunichte.

Künstlerische Darstellung des Starts einer bemannten Mission.
(Grafik: Mars Society)

Im Angesicht dieser Kosten würde jeder vernünftige Mensch sich gegen so ein Projekt aussprechen. Doch man sollte sich die Umstände unter denen diese Pläne entstanden sind näher ansehen. Auf das Projekt wirkten viele Entscheidungsträger aus zahlreichen Institutionen mit. Jeder wollte das Projekt so haben, dass Technologien seines Institutes zum Einsatz kommen. Teams mit dem Aufgabenbereich Raumstationen machten deutlich, wie „unverzichtbar“ eine riesige Raumstation für einen Marsflug ist. Personen mit dem Aufgabengebiet Mond wollten um jeden Preis eine Mondbasis haben, damit von dort die Flüge zum Mars starten. Antriebsspezialisten drängten einen riesigen nuklearen Antrieb auf, usw. Hier wird ganz klar, wo das Problem lag. Jeder wollte das Projekt in eine bestimmte Richtung (die beste für ihn) bringen. Dadurch ging die ursprüngliche Zielsetzung verloren. Bei Kosten von 450 Milliarden Dollar, einer Zeit von 30 Jahren um dann lediglich 30 Tage auf der Oberfläche zu verbringen springt mir die Ineffizienz dieses Vorhabens ins Auge.

Robert Zubrin, ein anerkannter Forscher mit dem Fachgebiet Mars dachte kritisch über die Schwächen bisheriger Konzepte nach und legte deren absurde Natur offen. Einige – aus meiner Sicht – sehr überzeugende Gedanken Zubrins:

  • Um das Marsraumschiff zum Mond zu bringen bräuchte man mehr Treibstoff, als würde es aus dem Erdorbit direkt zum Mars fliegen. D.h. selbst wenn auf dem Mond jede Menge Treibstoff vorrätig wäre, würde es absolut keinen Sinn machen zuerst zum Mond zu fliegen. Bedenkt man, dass der Treibstoff dort erst mühsam hergestellt werden muss erscheint der Vorschlag einer Mondbasis als Startort noch absurder;
  • Es ist sehr ineffizient tausende Tonnen zum Mars zu fliegen, wenn auf der Oberfläche letztendlich kaum Masse vorhanden ist;
  • Man braucht keineswegs eine orbitale Werft, da man ein kleines Schiff direkt von der Erde starten könnte ohne es im Orbit zu bauen;
  • Die Montage von Hitzeschilden ist sehr umständlich. Im Erdorbit eine ausreichende Präzision zu erreichen ist sehr, sehr schwer;
  • Ein großes Raumschiff wäre schwer wiederverwertbar. Man müßte die Hitzeschilde nach jedem Flug warten. Dies ist wie gesagt im Orbit sehr schwer. Die Kosten für ein solches Raumschiff würden sich erst nach hunderten Flügen rechnen. Man sollte bedenken, dass sich nur etwa alle zwei Jahre ein Startfenster öffnet. Es ist wohl mehr als naiv zu glauben, dass ein solch hochtechnisches Raumschiff zuverlässig über hunderte Jahre arbeitet.

    Diese und noch viele andere Gedanken führten Zubrin zu Entwicklung von „Mars Direct“. Lassen Sie mich diesen Plan kurz beschreiben. Zuerst startet von der Erde ein Rückkehrschiff (ERV – Earth Return Vehicle) zum Mars. Dieses wird von einer Trägerrakete mit der Stärke einer Saturn V (diese wurden bei den Apollo-Missionen eingesetzt) zum Mars gebracht. Dort angekommen aktivieren sich ein kleiner Nuklearreaktor (80 bis 100 KW) und eine chemische Fabrik.

    Diese chemische Fabrik ist der Schlüssel zur einer günstigen Marsmission. Die Luft auf dem Mars besteht zu 95 Prozent aus Kohlendioxid. Mit dem Import von nur 6 Tonnen (!) Wasserstoff von der Erde ließen sich in chemischen Reaktionen Methan (besteht aus Kohlenstoff und Wasserstoff) sowie Sauerstoff herstellen. Man hätte den Treibstoff für die Rückkehr, Sauerstoff und Wasser für die Forscher. Auch könnte der Treibstoff in einem Marsrover verwendet werden. Erst wenn das ERV aufgetankt ist startet von der Erde die Crew zum Mars. Diese fliegt mit einem „Hab“, das wie das ERV von einer einzigen Trägerrakete gestartet wird. Nach 180 Tagen Flug am Mars angekommen, landet dieses Hab und dient als Wohnung und Forschungsstation. Sobald sich das nächste Startfenster öffnet, nach etwa 550 Tagen auf der Oberfläche, steigen die Forscher in das ERV und fliegen in 180 Tagen zur Erde zurück. Diese Variante wäre wesentlich effektiver als ein „Battlestar Galaktica“-Modell. Die Kosten lägen bei 40 bis 50 Milliarden Dollar. Alle Technologien sind entweder heute schon verfügbar, oder könnten ohne große Probleme in den nächsten Jahren entwickelt werden. Das Projekt wäre innerhalb von zehn Jahren realisierbar.

    Auf der Oberfläche hätten die vier Forscher dann die Möglichkeit umfangreiche Forschungen durchzuführen. Sie hätten mehr Material zu Verfügung als bei einer herkömmlichen Mission. Diese Mission ist ebenfalls sehr sicher, weil sie erprobte Technologien einsetzt und über sehr viele Backups verfügt. Mit einem Druckrover, dem Hab und dem ERV stehen drei primäre Lebenserhaltungssysteme zur Verfügung. Die chemische Fabrik produziert viel mehr Sauerstoff als die Crew verbrauchen kann. Im ERV stehen genug Vorräte zum Überleben der Besatzung zur Verfügung. Sollte das ERV funktionsuntüchtig seien wäre es kein Problem ein zweites ERV von der Erde zu starten um die Crew dann zur Erde zurückzubringen. Zwar müssten in dem Fall die Wasserrationen gekürzt werden, doch Lebensgefahr für die Forscher bestände nicht. Es würde den Rahmen dieses Focus sprengen auf alle Details (Abbruchmöglichkeiten, Rationseinteilungen, Technik der Lebenserhaltung, genauer Ablauf der chemischen Prozesse usw.) einzugehen.

    Bleibt die Frage offen, wozu zum Mars? Auch darauf kennt Zubrin eine Antwort. Uns interessiert die Frage ob es Leben auf dem Mars gibt. Diese Erkenntnisse werden entscheidend zu unserem zukünftigen Weltbild beitragen. Sollte auf dem Mars wirklich Leben existieren (oder existiert haben) wäre es nicht mehr zu leugnen, dass die Entstehung von Leben ein Vorgang ist, der überall (unter den geeigneten Bedingungen) im Universum stattfindet. Die Erde wäre nicht mehr so einzigartig, wie sie viele gerne sehen wollen. Doch langfristig gehen Zubrins Gedanken weiter. Auf dem Mars gibt es die idealen Standortfaktoren für eine menschliche Siedlung. Alle Rohstoffe einer industriellen Gesellschaft können dort gewonnen werden. Mit seinen großen Deuteriumvorräten hat der Mars ein Exportprodukt, das in Zukunft die Energieversorgung der Menschheit sichern könnte – Deuterium ist für Kernfusion unentbehrlich. Zubrins Ideen gehen in seinem Buch „The Case for Mars“ noch weit über eine erste Forschungsmission hinaus. Ich möchte mit diesem Bericht aber nicht näher auf weitere Ideen Zubrins eingehen.

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