Bereits seit etwa zwei Wochen registrieren Planetenforscher, welche kontinuierlich das aktuelle Wettergeschehen auf dem Mars beobachten, eine zunehmende Aktivität von Staubstürmen in der Atmosphäre unseres Nachbarplaneten. Die Auswirkungen dieser Staubstürme können mittlerweile auch von den zwei auf der Planetenoberfläche aktiven Rovern registriert werden.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, , Malin Space Science Systems, Planetary Society.
Bereits seit dem März 2006 umkreist die von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Raumsonde Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) den Mars und liefert fast täglich neue und immer wieder faszinierende Detailaufnahmen von der Oberfläche und der Atmosphäre unseres äußeren Nachbarplaneten. Die wissenschaftliche Hauptkamera an Bord des MRO, die von der University of Arizona betriebene HiRISE-Kamera, erreicht dabei mit ihren Aufnahmen eine Auflösung der Planetenoberfläche von bis zu 25 Zentimetern pro Pixel. Durch die Auswertung der durch die HiRISE-Kamera aufgenommenen Bilder ist es den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern unter anderem möglich, gegenwärtig stattfindende Veränderungen auf der Marsoberfläche oder kurzzeitig auftretende atmosphärische Phänomene zu beobachten und näher zu untersuchen. Allerdings kann die HiRISE aufgrund dieser hohen Auflösung pro angefertigtem Bild jeweils nur einen relativ kleinen Ausschnitt des Mars abbilden.
Bei einer weiteren an Bord des Marsorbiters befindlichen Kamera handelt es sich um die „Mars Color Imager“-Kamera (kurz „MARCI“), welche den Mars in „seiner Gesamtheit“ abbilden kann. Diese Aufnahmen werden seit dem Beginn der MRO-Mission in erster Linie dazu genutzt, um einen Wetterbericht vom Mars zu erstellen. Diese mittlerweile über einen längeren Zeitraum erfolgende Beobachtung des täglichen marsianischen Wettergeschehens erlaubt es den Wissenschaftlern, Rückschlüsse auf die Prozesse zu ziehen, welche das Wetter auf dem Mars bestimmen.
Auf seiner sehr exzentrischen Umlaufbahn um die Sonne – der Wert der Exzentrizität der Marsbahn beträgt 0,0935 und weist nach der Umlaufbahn des Planeten Merkur die größte aus dem Sonnensystem bekannte Abweichung einer Planetenbahn von der idealen Kreisbahn auf – durchlebt der Mars eine regelmäßig erfolgende Veränderung in der Dichte und Zusammensetzung seiner Atmosphäre. Sobald auf einer der beiden Hemisphären des Mars der Winter einsetzt, friert das über dem betroffenen Pol in der Atmosphäre befindliche Kohlendioxid, welches mit einem Anteil von 95,32 Prozent den Hauptbestandteil der Atmosphäre bildet, aufgrund der damit verbundenen absinkenden Lufttemperaturen im großen Umfang aus der Atmosphäre aus und schlägt sich in Form von Trockeneisablagerungen auf der Oberfläche nieder.
Im Rahmen dieses Prozesses, welcher regelmäßig zu einer deutlichen Veränderung der Luftdruckwerte in der Marsatmosphäre führt, bildet sich über dem jeweiligen Polargebiet ein ausgedehntes atmosphärisches Tiefdruckgebiet, welches die Luft des Planeten regelrecht in die Richtung des betroffenen Pols zieht. Mit dem einsetzenden Frühling erhöht sich die Lufttemperatur wieder und das zuvor im festen Zustand auf der Polarkappe abgelagerte Kohlendioxid geht erneut in den gasförmigen Zustand über, was eine erneut erfolgende Verdichtung der Atmosphäre zur Folge hat. Dadurch bildet sich jetzt über dem betroffenen Pol ein Hochdruckgebiet, welches die Luftmassen wieder in Richtung des Marsäquators schiebt. Hierdurch werden in den oberen Atmosphärenschichten des Mars unter bestimmten Bedingungen Windgeschwindigkeiten von bis zu 650 Kilometern pro Stunde erzeugt.
Diese auch im unmittelbaren Bereich über der Planetenoberfläche aktiven Winde führen in Verbindung mit weiteren Faktoren wie zum Beispiel einer partiellen Erwärmung der Oberfläche dazu, dass ursprünglich auf der Marsoberfläche befindlicher Staub in die Atmosphäre befördert wird. Etwa alle zwei Jahre, dieser Zeitraum entspricht in etwa einem Marsjahr, entsteht dabei eine Wetterlage, in der sich die unabhängig von den vorherrschenden Jahreszeiten regelmäßig auf dem Mars bildenden Staubstürme von lediglich regional begrenzt auftretenden Phänomenen zu globalen Staubstürmen ausweiten können, welche dann unter Umständen den gesamten Planeten mit einer dichten Staubschicht einhüllen können. Zuletzt konnte dieses Phänomen im Jahr 2007 beobachtet werden.
Vor wenigen Wochen hat mit dem Einsetzen des Frühlings auf der südlichen Hemisphäre des Mars erneut eine Periode begonnen, welche die Bildung solcher Staubstürme begünstigt. Seit dem 5. November 2012 bildeten sich dabei mehrere größere Staubstürme in der nördlichen Tiefebene des Mars und zogen von dort aus in die weiter südlich gelegenen Regionen Chryse Planitia, Isidis Planitia und Elysium Planitia. Weitere kleine und lokal begrenzte Sturmgebiete wurden durch die MARCI-Kamera zeitgleich in den Regionen Tempe Terra und Elysium Planitia sowie am Rand der südlichen Polarkappe über den Regionen Terra Sirenum, Argyre Planitia, Noachis Terra, Hellas Planitia und Terra Cimmeria beobachtet.
Seit dem 10. November konnte zudem ein Staubsturmgebiet beobachtet werden, welches sich mittlerweile über weite Teile der südlichen Hemisphäre erstreckt. Ursprünglich bildete sich dieser Sturm über der in der nördlichen Hemisphäre gelegenen Tiefebene Utopia Planitia und zog von dort aus in den folgenden Tagen in Richtung Süden. Nach dem Passieren der Regionen Isidis Planitia und Syrtis Major Planum dehnte sich der Sturm noch weiter in die östlichen, südlichen und westlichen Richtungen aus. Gegen Ende der vergangenen Woche bedeckte dieser Sturm ein Areal mit einer Fläche von etwa 10,4 Millionen Quadratkilometern.
„Es handelt sich hier um einen regionaler Staubsturm“, so Rich Zurek, der hauptverantwortliche Mars-Wissenschaftler des Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA. „Er hat derzeit einen relativ großen Bereich mit einem Staubschleier verhüllt und er befindet sich in einer Region des Planeten, in der in der Vergangenheit aus solchen regionalen Stürmen globale Stürme hervorgegangen sind, welche dann den ganzen Planeten eingehüllt haben.“
Diese zunehmende Staubkonzentration in der Marsatmosphäre führte zu einen Anstieg der dortigen Temperaturen, welche durch das „Mars Climate Sounder“-Experiment des MRO seit dem 16. November in einer Höhe von rund 25 Kilometern über dem betreffenden Sturmgebiet nachgewiesen werden konnte. Diese Temperaturzunahme von rund 25 Grad Celsius hatte während der letzten Tage zur Folge, dass sich die Menge und Dichte der in der Marsatmosphäre befindlichen Wolken aus Wassereiskristallen verringerte.
Während seiner Bewegung in die südliche Richtung und der damit verbundenen Ausbreitung zeigte das Sturmsystem allerdings erste Anzeichen einer einsetzenden Abschwächung. Dies wird von den Wissenschaftlern derzeit dahingehend interpretiert, dass dieser Sturm trotz seiner gegenwärtigen Abmessungen nicht über die Kapazitäten verfügt, um sich zu einem globalen, den gesamten Mars umspannenden Staubsturm auszuweiten.
Trotzdem haben die Mitarbeiter der in San Diego/Kalifornien ansässigen Firma Malin Space Science Systems (MSSS), welche für die Erstauswertung der MARCI-Aufnahmen zuständig sind, die Wissenschaftler der auf der Planetenoberfläche aktiven Marsrover-Missionen Opportunity und Curiosity auf die aktuelle Entwicklung aufmerksam gemacht. Das Zentrum des Sturmgebietes näherte sich den Standorten dieser beiden Rover bisher nie weiter als etwa 1.300 Kilometer. Trotzdem zeigte sich in den Kameraaufnahmen der beiden Rover eine deutlich erkennbare Eintrübung des Himmels.
Im Gegensatz zu Opportunity verfügt der erst am 6. August 2012 auf dem Mars gelandete Marsrover Curiosity über eine Wetterstation, mit der sich verschiedene Wetterdaten wie Lufttemperatur, Luftdruck und Windgeschwindigkeiten ermitteln lassen. Dieses Wetterlabor stellte im Rahmen seiner Messungen während der letzten Tage Veränderungen fest, welche sich direkt auf dieses Sturmgebiet zurückführen lassen. Speziell während der Nächte auf dem Mars konnte dabei ein mehr als üblich abfallender Luftdruck und eine leicht erhöhte Temperatur gemessen werden.
Die Beobachtung der weiteren Entwicklung dieses Sturmgebietes wird in den kommenden Wochen eine primäre Rolle in der Marsforschung einnehmen. Neben den dabei zu gewinnenden Daten über das aktuelle Wettergeschehen auf dem Mars und den damit neu zu gewinnenden Erkenntnissen über das dortige Wettergeschehen hat dieser Staubsturm auch direkte Auswirkungen auf die aktuellen Beobachtungskampagnen der verschiedenen Orbiter und Rover.
Welche Bereiche der Marsoberfläche können die Kameras der derzeit drei aktiven Marsorbiter der NASA und der ESA in den kommenden Tagen abbilden, ohne dass die daraus resultierenden Aufnahmen von den aufgewirbelten Staubmassen beeinträchtigt werden? Welche Auswirkungen wird die erfolgte Zunahme des Staubanteils in der Marsatmosphäre auf die Energiegewinnung des ausschließlich auf Sonnenenergie angewiesenen Rovers Opportunity haben? Und in welcher Form wird sich der Staubsturm auf Curiosity auswirken? Dieser wird zwar ausschließlich durch einen Radioisotpengenerator mit Energie versorgt und ist somit im Gegensatz zu Opportunity nicht vom Sonnenlicht abhängig. Trotzdem verschlechtert eine erfolgende Eintrübung der Atmosphäre die gegebenen Sichtbedingungen und somit auch den wissenschaftlichen Output der anzufertigenden Kameraaufnahmen.
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