Wie die amerikanische Luft- und Raumfahrtorganisation NASA am 11.05.2018 mitteilte, wird mit dem Mars 2020 Rover auch ein autonomer „Mars Helicopter“ zum roten Planeten gebracht. Der kleine Flugkörper soll in der dünnen Marsatmosphäre Erkundungsflüge durchführen, hochauflösende Fotos des Terrains erstellen und diese, über den Mars 2020 Rover als Relaisstation, an die Erde senden.
Ein Beitrag von Stefan Goth. Quelle: NASA, JPL, Caltech.
Der Start des Mars 2020 Rovers und seines kleinen Begleiters ist für Juli 2020, die Landung für Februar 2021 geplant. Das Fluggerät soll als Technologiedemonstrator die Möglichkeiten eines „schwerer-als-Luft-Fluggeräts“ auf dem Mars aufzeigen.
Die Entwicklung begann bereits 2013 am NASAs Jet Propulsion Labortory (JPL). Am Ende der Entwicklung steht ein würfelförmiger Hauptkörper mit ko-axialen, gegenläufigen Rotoren mit einer Masse von 1,8 kg. Die Drehflügel rotieren mit 3.000 U/min (etwa 10 mal so schnell wie ein Hubschrauber auf der Erde), um in der dünnen Marsatmosphäre (ungefähr 1 % der Dichte auf der Erde) genügend Auftrieb gegen die Marsgravitation (etwas mehr als 1/3 der Erdanziehung) zu erreichen.
Während die anderen Instrumente des Rovers bereits seit längerem feststehen, war bis zur genannten Mitteilung der NASA unklar, ob der kleine fliegende Pfadfinder mit auf die Reise gehen wird oder nicht. Angaben des JPL von 2016 gingen noch von einer Masse von ungefähr 1 kg aus. Damals wurden 1,1 m Rotordurchmesser genannt. Aktuell sind 1,21 m geplant. Die Größe ist durch den verfügbaren Platz am Rover und unter den Schutzabdeckungen für Start- und Transferphase begrenzt.
Nachdem der Mars 2020 Rover mit Hilfe eines sog. Skycranes gelandet sein wird, wird der Mars Helicopter zu einem späteren Zeitpunkt vom Rover abgesetzt. Dieser fährt in einen sicheren Abstand von mindestens 100 m. Die Rotoren werden entfaltet werden und durch die Solargeneratoren, die über den Rotoren angebracht sind, wird die Batterie des Fluggeräts aufgeladen. Die Kapazität reicht für Flüge von 90 bis 200 Sekunden Länge. In Höhen von 10 bis 100 m sollen damit Flüge von bis zu 600 m Länge möglich sein. Es werden mit der „Return-to-Earth-Kamera“ (RTF) hochauflösende Farb-Fotos erstellt, an eine Empfangsbox die am Rover angebracht ist gesendet und von dort zur Erde übertragen. Eine Einweg-Datenübertragung ist bereits im Flug möglich. Die meisten Daten werden aber während der gelandeten Phasen in einer sicheren Zweiwege-Kommunikation erfolgen.
Die Flüge müssen vollständig autonom durchgeführt werden, da eine Fernsteuerung bei der langen Signallaufzeit nicht in Frage kommt. Das stellt höchste Anforderungen an die Automatisierungstechnik des kleinen Fluggeräts. Dafür wird eine separate Navigationskamera verwendet, welche direkt nach unten ausgerichtet ist. Über zwei Inertial Measurement Units (IMU) wird die Raumlage bestimmt. Ein Altimeter ermittelt die Höhe über Grund.
Flüge sind bis max. 5 m/s Windgeschwindigkeit möglich. Für eine möglichst weiche Landung stehen vier elastische Beine aus Kohlefaser zur Verfügung. Auf dem Boden soll das Gerät Wind bis 45 m/s überstehen.
Die Lithium-Ionen-Batterie wird tagsüber aufgeladen. Je nach Jahreszeit und sonstigen Beleuchtungskonditionen werden ein bis mehrere Sols benötigt, um diese zu laden. Neben dem Antrieb und der Steuerung der Rotoren wird die Energie auch für die Datenverarbeitung und Kommunikation benötigt. Die wichtigste Anwendung sind jedoch die Heizelemente, die dafür sorgen, dass die „Commercial-Off-The-Shelf“ (COTS) Elektronik (also Mikroelektronik, die auch in irdischen Mobilgeräten Verwendung findet) nicht zu kalt wird. Die Nächte auf dem Mars können -100° C oder kälter werden. Batterie und Elektronik dürfen -15° C nicht unterschreiten.
Die gewonnen Fotos können für die weitgehend autonome Navigation des Rovers verwendet werden. Curiosity kann momentan bei flachem Terrain mit seinen Kameras vor einer geplanten Fahrt etwa einen Radius von 100 bis 120 m in brauchbarer Auflösung abbilden und auswerten. Damit wird auch die ungefähr autonom zurücklegbare Entfernen limitiert. Beim Mars 2020 Rover oder einem seiner Nachfolger könnte diese Reichweite um die Flugentfernung von ca. 600 m verlängert werden.
Das „fliegende Auge“ soll aber nicht nur zur Navigation eingesetzt werden, sondern auch wissenschaftlichen Aufgaben dienen. Derzeit stehen den Forschern die Sensoren und Kameras auf den Orbitern und die an den Rovern Opportunity und Curiosity zur Verfügung. Die Orbiter können große Gebiete abdecken, die Rover lokal eine hohe Auflösung erreichen. Für die Größenordnungen dazwischen fehlen momentan geeignete Hilfsmittel. Diese Lücke könnten der Mars Helicopter und seine möglichen Nachfolger schließen. Außerdem kann ein Fluggerät auch Bereiche einsehen, die für die Fahrzeuge am Boden unerreichbar sind, weil diese sich beispielsweise hinter oder in tiefen Schluchten befinden.
Im Flug wird der Helicopter immer einen ausreichenden Sicherheitsabstand vom Rover halten, um diesen auch bei einem Absturz nicht zu beschädigen. Nominell sind für die Technologiedemonstration 30 Sol mit mindestens fünf Flügen geplant. Da keine Verbrauchsstoffe benötigt werden, kann man davon ausgehen, dass die Funktion des kleinen Drehflüglers am ehesten durch eine harte oder ungeplante Landung beendet wird. Insbesondere wenn das Gerät auf dem Rücken zu liegen käme, wäre sein Ende wohl besiegelt. Allerdings kann auch eine unzureichende Energieversorgung, z.B. im Winter oder durch Staubablagerungen, zum „Erfrierungstod“ in der Nacht führen.
In einem kleinen Video hat das JPL einige Highlights der Mission zusammengefasst:
Mars Helicopter Technologiedemonstration (NASA/JPL)
Sollte der kleine Mars Helicopter als Technologiedemonstration funktionieren und eindrucksvolle Bilder liefern, wäre er ein würdiger Nachfolger im marsianischen Luftraum für den Pathfinder Sojurner, der den folgenden Rovern auf der Marsoberfläche voraus fuhr. Da eine Kamera des Mars 2020 Rovers sogar Videoaufnahmen erstellen kann, dürfen wir auf spektakuläre Bilder und Filme hoffen.
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