Rückblick auf die 47ste Lunar and Planetary Science Conference in Houston, einer der größten Tagungen in der Planetologie. Diesmal im Zentrum der Aufmerksamkeit: Ceres und Pluto.
Ein Beitrag von Andreas Morlok. Quelle: Andreas Morlok.
Die auf dem Gebiet der Planetologie wohl wichtigste Tagung ist die alljährliche Lunar and Planetary Science Conference (LPSC). Diese findet seit 1970 in Houston statt. Ort, Name und Datum weisen auf den Ursprung der Tagung hin. Diese sollte eigentlich nur für die Präsentation der ersten Ergebnisse aus den Untersuchungen der Apollo-Proben stattfinden. Aber über die Jahre ist die Tagung stetig gewachsen, schon lange ist sie (leider) zu groß für den ersten Veranstaltungsort, bis 2001 im Johnson Space Center bei Houston (inzwischen im malerischen Woodlands weit im Norden der Stadt).
So eine große Tagung ist natürlich auch ganz praktisch für weitere, kleinere Treffen im Dunstkreis. So findet traditionell am Wochenende vor der LPSC das Micro Symposium statt. Dieses wird gemeinsam von der Brown University in Providence und dem Vernadsky Institut in Moskau veranstaltet. Die Wurzeln des Treffens reichen bis in die Zeit des kalten Krieges, als der wissenschaftliche Austausch zwischen den politischen Blöcken nicht ganz so einfach war. So organisierten Jim Head (dieses Mal mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für die russische Raumfahrt) und Hal Masursky (USGS) 1985 das erste Symposium, um Venusforscher von beiden Seiten in einer informellen Umgebung zusammenzubringen.
Die Vorträge sind etwas länger (30 Minuten), und werden intensiver (aber in freundlicher Atmosphäre) diskutiert. Und da können sich sogar Leute daran beteiligen, die mal auf einer ausgedehnteren Exkursion vor Ort gewesen sind (dieses Mal wieder Harrison Schmitt, auf dem Mond mit Apollo 17 Anno 1972).
Aber zurück zur LPSC. Thematisch umfasst die Tagung inzwischen auch weit mehr als den Mond. Thema sind die inneren, terrestrischen Körper des Sonnensystems, Eismonde, Asteroide und Kometen. Eigentlich alles außer den großen Gasplaneten. Will man aktiv teilnehmen, so findet das in Form eines Vortrages (10 Minuten + 5 Minuten Fragen) oder eines Posters statt. Da steht man in einer langen Reihe von Stellwänden in einer großen Halle vor einem etwa DIN A0 großen Poster über die eigene Forschung. Im Gegensatz zum Vortrag kann man da natürlich lange mit Leuten diskutieren, vorausgesetzt jemand interessiert sich für das mühsam erstellte Poster. Bei Vorträgen kriegt zumindest das anwesende Publikum die Präsentation mit.
Früher hatte die LPSC den Ruf einer ‚härteren‘ Tagung, wo nach Vorträgen noch intensiv nachgefragt wurde. Aber eigentlich hat sich das gelegt, der Umgang ist recht zivilisiert. Die Vorträge fanden dieses Jahr in bis zu 5 Sitzungen parallel statt, es war also schwierig, alles mit zu verfolgen.
Und Tagungen sind natürlich prima Gelegenheiten, mit der Kollegenschaft in Kontakt zu bleiben. Das geht dann in der Regel beim Icebreaker Sonntagabend los. Früher wurde da noch ziemlich feudal Essen und Flüssigkeit mit variablem Alkoholgehalt aufgetischt. Leider haben die vielen Kürzungen auch nicht bei der NASA halt gemacht, und da geht es bei dieser Veranstaltung jetzt deutlich bescheidener zu. Und der Austausch mit den Kollegen ist natürlich auch ein gewichtiger Punkt bei einer solchen Tagung – man bekommt nicht nur mit, was in wissenschaftlicher Hinsicht läuft, sondern auch was sonst so im Feld abgeht. Dazu gehören auch diverse Veranstaltungen im Umfeld, wie das NASA Headquarters Briefing. Da stellen sich die für Geld und Forschung zuständigen den Kollegen. Gerade in jüngerer Zeit wegen der Kürzungen gerne eine lautstarke Veranstaltung.
In den 15 Jahren in denen ich fast jährlich an der LPSC teilnehme, hat sich die Tagung ordentlich verändert – alleine schon von der Größe her. Aber auch inhaltlich: früher hielten sich in etwa die analytische Planetologie (also Laboruntersuchungen von extraterrestrischem Material, was ich so treibe) und planetare Geologie, eher Oberflächenstudien basierend auf Fernerkundungsdaten, in etwa die Waage. Dank der vielen Raumsonden-Missionen in der Zwischenzeit hat sich das Gewicht deutlichst zugunsten letzteren Feldes verschoben (auch wenn insgesamt die Beiträge für alle Gebiete gewachsen sind).
Dieses Mal war die LPSC wegen Ostern etwas verkürzt. Wohl ein Grund, weshalb die Tagung (zumindest gefühlt) deutlich ruhiger war als normalerweise. Aber immer noch ordentlich groß, es sollten wohl knapp zweitausend Teilnehmer gewesen sein.
Dieses Mal gab es zwei eindeutig dominierende Themen, die sich auch gut ergänzten – Ceres und natürlich Pluto. In beiden Fällen wurde die erste Runde an Daten inzwischen ordentlich verarbeitet, so dass sich allmählich ein Gesamtbild ergibt. Ceres ist die Endstation der Dawn-Sonde, nach dem außerordentlich erfolgreichen Besuch von Vesta. Also die erste echte interplanetare Raumsonde, die in eine Umlaufbahn um mehrere planetare Körper ging.
Was die Zusammensetzung des Kleinplaneten angeht, so scheint man sich auf einen Matsch aus ammoniakhaltigen Tonmineralen, Eisenoxiden, Karbonaten plus kohlenstoffhaltigem Zeug geeinigt zu haben. Ein zentraler Punkt bei der Mission war die Verbindung von Vesta und Ceres mit Meteoriten. Bei Vesta ist der schon zuvor vermutete Link zu den häufigen HED-Meteoriten (Howardite, Eukrite, Diogenite) dank Dawn wohl gesichert. Bei Ceres war es schon schwammiger, es gab zuvor viel Spekulation in Richtung kohlige Chondrite.
Der Vergleich von Infrarotspektren ergab jetzt zwar keine direkte Verbindung zu einer speziellen Meteoritengruppe. Das ist aber aufgrund der sich abzeichnenden Entstehungsgeschichte von Ceres gar nicht zu erwarten. Wie es aussieht, waren kohlige Chondrite wohl in etwa das Ausgangsmaterial. Dieses wurde in der Frühzeit durch Hitze aus kurzlebigen Isotopensystemen aufgeheizt, und regelrecht durchgeköchelt. Es wird davon ausgegangen, dass Ceres etwas spät gebildet wurde, weshalb er nur vergleichsweise wenig radioaktives Material abbekommen hat.
So sammelte sich das meiste flüchtige und flüssige Material in den oberen Schichten an, wo auch Silikate ordentlich in die Tonminerale umgewandelt (alteriert) wurden. Die inneren Schichten sind dann wohl deutlich Gesteinsreicher. Die Hypothese ist, dass es sich beim Material an der Oberfläche um noch höher alteriertes Material handelt, als in den Meteoritensammlungen Verfügbar – wo die CI-Chondrite vom Typ 1 bisher das Ende der Fahnenstange darstellen. Vielleicht das erste Vorkommen vom Typ 0?
Außerdem ist das Vorkommen von Wassereis auf Ceres jetzt wohl gesichert. Ceres ist wohl ein Zwischenglied zwischen Gesteinskörpern des inneren Sonnensystems und den Eiskugeln weiter außen. Eine interessante Idee ist, dass Ceres vielleicht selber etwas weiter außen gebildet wurde, um die Stabilität von Ammoniak zu erklären.
Die Reaction Wheels, notwendig um die Sonde für die hohe räumliche Auflösung zu stabilisieren, werden voraussichtlich bis 2017 durchhalten, also ist noch einiges an weiteren Daten zu erwarten. Was auch auffiel war das einige der Vortragenden bei den Fragen etwas ausweichend waren, einige Ergebnisse sind wohl unter Embargo bis zur Veröffentlichung. Bester Kommentar von Thomas McCord vom Bear Fight institute (zum weißen Fleck im Occator-Krater): „The dome looks like Mount St. Helens before it blew up“. Und in der Tat gibt es Hinweise, dass Ceres durchaus noch geologisch aktiv sein könnte.
Und dann Pluto. Von einer traurigen Anordnung an Pixeln zu einem kartographierten Körper innerhalb von knapp einem Jahr, dank der spektakulären New Horizons-Mission. Dass Team Pluto verdienterweise in außerordentlich ekstatischer Stimmung war, braucht wohl nicht extra betont zu werden. Entsprechend groß war auch der Andrang zu den Sessions, der Saal war in der Regel voll.
Die Ergebnisse wurden in der Presse wohl schon ausführlich behandelt – die Oberfläche wird durch Methan und Stickstoff dominiert, Wassereis spielt ein wenig die Rolle von Gestein.
Teile der Oberfläche sind jung, sehr jung – Teile der Sputnik Planum sind wohl jünger als 10 Millionen Jahre. Das erlaubt Spekulationen über heutige Aktivität auf Pluto.
Noch besser, selbst die sehr dünne Atmosphäre des nicht mehr ganz-Planeten scheint regelrechte Zirkulationsmuster zu zeigen. Ein weiteres spektakuläres Ergebnis, das passenderweise auch zeitgleich mit der Tagung veröffentlicht wurde, ist die Entdeckung eines mutmasslichen True Polar Wander (TPW) Ereignisses auf dem Mond. TPW bedeutet, dass der Mantel eines Körpers auf dem Eisenkern verrutscht, so dass die Pole (nicht aber die Rotationsachsen!) sich verschoben haben.
TPW ist ein echtes Hot Topic zur Zeit. Auch für Pluto wurde ein solches Ereignis auf der LPSC vorgeschlagen, sowie auch für Merkur, und gerade erst wurde ein Paper über ein ähnliches Ereignis auf dem Mars veröffentlicht.
Ein paar Veranstaltungen wurden gefilmt (findet sich hier). Einige Poster gibt es hier online, und auch Twitter war sehr aktiv, besonders ein Kollege aus Arizona hier.
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