Bei kombinierten Beobachtungen des Weltraum-Teleskops Hubble und des europäischen Großteleskops VLT in Chile konnten erstmals „junge“ Sternhaufen in einer alten elliptischen Galaxie entdeckt werden.
Ein Beitrag von Michael Stein, bearbeitet von Star-Light, Quelle: ESA.
Zum ersten Mal konnten in einer Galaxie dieses Alters mehrere Perioden der Sternentstehung unterschieden werden. Bisher wurde stets davon ausgegangen, dass elliptische Galaxien eine anfängliche Periode der Sternentstehung durchlaufen und danach keine Sterngeburten mehr zu verzeichnen haben. Durch den Verbund der größten Teleskope im Weltraum und am Boden wurde jetzt nachgewiesen, dass solche Galaxien mehr in sich bergen als zunächst angenommen.
Die meisten Sterne sind in elliptischen Galaxien zu finden, deren Erscheinungsbild bisher vermuten ließ, dass sie und ihre Sterne alt sind. Diese Galaxien geben ein diffuses, rötliches Leuchten von sich, das normalerweise mit viele Milliarden Jahre alten Sternen in Verbindung gebracht wird. Bis vor kurzem sind die meisten Astronomen mangels anderer Beobachtungsdaten davon ausgegangen, dass die Entstehung neuer Sterne in solchen Galaxien im Wesentlichen nicht mehr stattfindet.
Um das „Sternengemisch“ in elliptischen Galaxien in seine verschiedenen Bestandteile zu zerlegen, hat ein Team aus europäischen und amerikanischen Astronomen massereiche Sternhaufen in und um nahe gelegene Galaxien beobachtet. Diese wegen ihrer Gestalt als „Kugelsternhaufen“ bezeichneten Ansammlungen kommen in großer Zahl um alle beobachteten Galaxien vor. Sie erhalten durch jede Sternbildungsepisode, die sie durchlaufen, eine besondere Prägung. Am Alter der Kugelhaufen in einer Galaxie lassen sich somit die vergangenen Epochen aktiver Sternbildung in einer Galaxie ablesen. Durch Untersuchen der Prägung und Bestimmung der Altersverteilung der Kugelsternhaufen können die Astronomen ermitteln, wann ein Großteil der Sterne in einer elliptischen Galaxie entstanden ist.
Ein Team aus europäischen und amerikanischen Wissenschaftlern kombinierte nun eine Reihe von Galaxienaufnahmen der Hubble-Weitwinkel- und Planetenkamera Nr. 2 mit Infrarotaufnahmen, die mit dem vielseitig einsetzbaren ISAAC-Instrument auf dem 8,2 m-VLT-Teleskop Antu des Paranal-Observatoriums der ESO („European Southern Observatory“) in Chile gemacht worden waren. Dabei entdeckten sie, dass viele Kugelsternhaufen in der Galaxie NGC 4365, die zum großen Virgo-Galaxienhaufen gehört, nur wenige Milliarden Jahre alt sind – also weit jünger als die meisten anderen Sterne in dieser Galaxie, deren Alter auf rund 12 Milliarden Jahre geschätzt wird.
Die Astronomen konnten drei Hauptgruppen von Sternhaufen ausmachen: eine alte Population von Haufen metallarmer Sterne, einige Haufen alter, aber metallreicher Sterne und nun die erstmals aufgespürte Population von Haufen junger und metallreicher Sterne. Diese Erkenntnis wurde durch spektroskopische Beobachtungen mit einem anderen Riesenteleskop, dem 10 m-Keck-Teleskop auf Hawaii, voll bestätigt. Die Entdeckung junger Kugelsternhaufen in alten Galaxien ist überraschend, weil man bisher glaubte, dass die Sterne in den gigantischen elliptischen Galaxien ausnahmslos in einer einzigen Epoche der frühen Geschichte des Universums entstanden sind. Jetzt ist klar, dass manche Galaxien ihr wahres Wesen verbergen und in Wirklichkeit sehr viel jüngere Perioden aktiver Sternbildung durchlaufen haben.
„Wir freuen uns sehr, dass aus der Zusammenarbeit zwischen zwei von Europa geförderten Projekten – VLT und Hubble – so bedeutende wissenschaftliche Ergebnisse hervorgehen“, sagt der Hubble-Projektwissenschaftler der ESA, Piero Benvenuti. „Die Synergie zwischen den modernsten Boden- und Weltraumteleskopen trägt weiterhin Früchte und bereitet den Weg für eindrucksvolle neue Entdeckungen, die sonst nicht möglich wären.“