Leistung letzter Rockot und ihrer Nutzlast rätselhaft

Am 15. Januar 2013 hatte eine konvertierte russische Interkontinentalrakete drei militärische Kommunikationssatelliten in den Weltraum transportiert. Beteiligte Unternehmen und staatliche Stellen bezeichneten den Start damals als Erfolg. Jetzt mehren sich die Anzeichen für Probleme mit der Raketenoberstufe und den im Weltraum ausgesetzten Satelliten.

Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: flightglobal.com, Raumfahrer.net, spacesafetymagazine.com.

ESA / P. Carril
Rockot mit Nutzlast unter Verkleidung – Illustration
(Bild: ESA / P. Carril)

Kurz nach dem Start der sogenannten Konversionsrakete, einer ehemaligen Rakete des Typs SS-19 (alias Stiletto, russische Bezeichnung RS-18), hatte unter anderem flightglobal.com bereits auf den ungewöhnlichen Umstand hingewiesen, dass die Raketenoberstufe Breeze-KM zusammen mit den ausgesetzten Satelliten in ähnlichen Bahnen die Erde umkreist. Es hatte eventuell kein größeres Kollisionsvermeidungsmanöver und vermutlich keine Aktivitäten der Oberstufe zur Vorbereitung eines Deorbitings gegeben.

Aus Unterlagen des Vermarkters der Rakete Eurockot geht hervor, dass die Raketenoberstufe im Verlauf einer typischen Mission rund 11 Minuten nach dem Aussetzen des letzten Satelliten mit einer letzten Brennphase ihres Hauptantriebs beginnen sollte, damit die Umlaufgeschwindigkeit und damit das Perigäum der Bahn – der erdnächste Bahnpunkt – der Stufe herabgesetzt wird, um so eine Flugbahn zu erreichen, die einen rascheren zerstörerischen Wiedereintritt des nicht mehr benötigten Flugkörpers ermöglicht.

ESA
Oberstufe vom Typ Breeze-KM
(Bild: ESA)

Hat die letzte geplante Brennphase nicht stattgefunden, ist davon auszugehen, dass sich noch nicht unerhebliche Mengen Treibstoffe an Bord der Oberstufe befinden. Liefen die automatischen Vorgänge an Bord der Stufe nicht wie ursprünglich geplant ab, ist es außerdem nicht unwahrscheinlich, dass sich die Stufe nicht passiviert hat, was bedeutet, dass es neben den Treibstofftanks andere Behälter und Leitungen gibt, die unter Druck und Spannung stehen. In diesem Zustand und auf dieser Bahn stellt die Oberstufe eine reale Gefahr für andere Raumfahrzeuge dar. Andere Raketenoberstufen, die ihre Missionen in der Vergangenheit nicht abwickelten wie geplant, explodierten nach einiger Zeit und sorgten für eine maßgebliche Vermehrung gefährlichen Weltraumschrotts.

Dass die Oberstufe nach dem Start am 15. Januar 2013 sich nicht wie geplant verhielt, meldete zwischenzeitlich die russische Tageszeitung Iswestija unter Bezug auf hochrangige Mitarbeiter der russischen Raumfahrtbehörde Roskosmos. Nach Angaben der Quelle der Zeitung wurden die Satelliten nicht auf den ursprünglich vorgesehenen Bahnen ausgesetzt und bewegten sich schneller als geplant – was bedeutet, dass die Bahnen von Kosmos 2.482, 2.483 und 2.484 zumindest zum Teil zu niedrig ausfielen.

In der Iswestija hieß es weiter, dass die drei ausgesetzten Satelliten drei Monate lang unter nachteiligen Bedingungen um die Erde kreisten, während man versuchte, von Kontrollzentren aus die Einsatzbereitschaft der Satelliten herzustellen. Zwei der Satelliten habe man derzeit unter Kontrolle, den dritten könne man als Totalverlust betrachten. Die drei Satelliten mit einer Masse von jeweils rund 280 Kilogramm befinden sich nach aktuellen Daten auf Bahnen mit einer Inklination von rund 82,5 Grad mit den erdnächsten und erdfernsten Bahnpunkten wie folgt: 1.480,7 x 1.522,7 km, 1.484,1 x 1.510,1 km und 1.482,0 x 1.521,3 km. Die nicht entsorgte Oberstufe läuft ebenfalls auf einer Bahn mit einer Neigung von 82,5 Grad gegen den Äquator um die Erde, ihr erdnächster Bahnpunkt liegt bei 1,482 km, ihr erdfernster Bahnpunkt bei 1.521,3 km.

Reschetnjow Informational Satellite Systems
russ. Kosmos-Kommunikationssatellt – Illustration
(Bild: Reschetnjow Informational Satellite Systems)

Die Fehlersignatur der Oberstufe ähnele nach Angaben des Herstellers des Geräts Chrunitschew der beim Start des Geodäsisatellliten GEO-IK-2 aufgetretenen, berichtete spacesafetymagazine.com am 16. Mai 2013. GEO-IK-2 war nach der Abtrennung von der Oberstufe in einem Orbit mit einem Apogäum von rund 1.021 und einem Perigäum von rund 369 Kilometern über der Erde unterwegs, statt wie geplant auf einer annähernd kreisförmigen Bahn in rund 1.000 Kilometern Höhe.

Nach monatelangem Kampf gelang es, den Satelliten immerhin unter ein stabiles Betriebsregime zu bringen, und als Ausbildungssatelliten zur Verfügung zu stellen. Seinen ursprünglichen Einsatzzweck kann GEO-IK-2 auf seiner jetzigen Bahn nicht erfüllen. Die ungeeignete Bahn wird auf einen Fehler im Kontrollsystem der Oberstufe zurückgeführt. Nach dem neuerlichen Oberstufenfehler könnten Starts von Rockot-Raketen im Juli 2013 wieder aufgenommen werden, habe der Chrunitschew-Sprecher Alexander Bobrenew mitgeteilt, meldete spacesafetymagazine.com. Roskosmos habe verlauten lassen, dass es keine Rockot-Starts geben werde, bis ein Komitee unter Beteiligung verschiedener russischer Ministerien eine vom Hersteller vorgeschlagene Veränderung an Oberstufen des Typs Breeze-KM abgenommen hat, schrieb das Magazin weiter.

Nach oben scrollen