Rund 90 internationale Forscher arbeiten an den Universitäten Wien und Graz sowie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften an einem bis zu acht Jahre dauernden und mit rund 600.000 Euro pro Jahr dotierten astrophysikalischen Großprojekt. Die Forscher gehen den Voraussetzungen für die Entstehung von lebensfreundlichen und lebenserhaltenden Umgebungen auf anderen Planeten nach.
Ein Beitrag von Ralf Mark Stockfisch. Quelle: http://astro.univie.ac.at. Vertont von Peter Rittinger.
Welche physikalischen Bedingungen müssen im Umkreis von jungen Sternen und Planeten herrschen, damit dort Leben entstehen kann? Wie wirken Sterne, Sternwinde, Gas- und Staubscheiben, Magnetfelder und Planetenatmosphären zusammen, um die essentiellen Moleküle und Wasser zu bilden und auf die Planeten zu bringen? Welches sind die frühesten Phasen, in denen man in der Sternumgebung schon lebensfreundliche oder lebenserhaltende – sogenannte habitable – Zonen finden kann, und wie verändern sich diese im Laufe der Zeit? Diesen fundamentalen astrophysikalischen Voraussetzungen geht das Forschungsnetzwerk unter Gesamtleitung von Prof. Dr. Manuel Güdel, Leiter des Instituts für Astronomie der Universität Wien, nach. In sechs Teilprojekten werden stellare und planetare Bedingungen untersucht. „Wir suchen nicht nach Leben im All an sich, sondern nach den physikalischen und chemischen Voraussetzungen dafür – von der Stern- und Planetenentstehung bis zum Transport von Wasser“, erklärt Güdel, der sich sicher ist, dass im Universum außer uns noch Leben existiert: „Es wäre doch seltsam, wenn das nicht auch irgendwo anders passiert wäre.“
Die Wissenschafter interessieren sich besonders dafür, wie sich Habitabilität in den frühesten, widrigen Zeiten des Sonnensystems entwickelt hat, als die Sonne tausend Mal kräftigere Röntgenstrahlung und dutzende Male stärkere Ultraviolettstrahlung als heute aussandte. Damals wehten viel stärkere Sonnenwinde, und die Erdatmosphäre war völlig anders zusammengesetzt. Aber auch extreme Bedingungen in extrasolaren Planetensystemen, etwa auf Planeten in sehr kleiner Entfernung vom zentralen Stern, werden unter die Lupe genommen. Heute sind über 700 extrasolare Planeten bekannt, die unter mannigfachen Bedingungen ihre Bahn um andere Sterne ziehen. Dabei hat sich in letzter Zeit gezeigt, dass Planeten sich gerade auch in Doppel- oder Mehrfachsternsystemen bilden – die häufigste Konfiguration, in der Sterne im Universum vorkommen. Gibt es in solchen Sternsystemen stabile, habitable Planeten? „Ganz besonders interessiert mich dabei die Frage nach den Voraussetzungen für die Entstehung von Leben – angefangen bei der Chemie in protoplanetaren Scheiben bis hin zur Bestrahlung von Planetenatmosphären“, meint Güdel.
Das Großprojekt widmet sich mit neuen Methoden bisher unangetasteten Forschungsgebieten. Sowohl astronomische Beobachtungen wie auch modernste numerische Simulationen und theoretische Studien werden in internationaler Kooperation untersuchen, wie junge protoplanetare Scheiben sich über mehrere Millionen Jahre chemisch und thermisch entwickeln; Modellrechnungen werden zeigen, wie und wo sich Wasser und organische Moleküle entwickeln und in die „habitablen“ Zonen transportiert werden. Ein besonderes Augenmerk richtet das Projektteam auf den zentralen Stern, der einerseits die Hauptenergiequelle für die thermochemischen und physikalischen Prozesse darstellt, sich aber im Laufe der Zeit auch selbst stark weiterentwickelt. Seine magnetische Aktivität, seine Hochenergiestrahlung und sein Sternwind beeinflussen die Hochatmosphären und Magnetosphären der Planeten wesentlich und können sogar zur Erosion massiver Atmosphären führen. Diese Prozesse werden spezifisch mit numerischen Simulationen des planetaren Atmosphären-Magnetosphären-Systems unter Berücksichtigung der äußeren Strahlung weiter untersucht.