Der Erfolg anspruchsvoller extra-terrestrischer Erkundungen von Planeten und Monden unseres Sonnensystems hängt beim Landeanflug einer Raumsonde vom Funktionieren ihres Schutzschildes ab.
Ein Beitrag von Karl Urban. Quelle: ESA.
Temperaturen von weit über 1000 Grad Celsius gilt es zu überstehen. Anderenfalls wird aus einem Späh- ein Kamikazeunternehmen. Für die ESA-Missionen Huygens zum Saturnmond Titan sowie Mars Express zum roten Planeten haben sich die ESA-Tüftler besondere Schutzmaßnahmen einfallen lassen.
Landungen von Raumsonden auf extraterrestrischen Planeten gehören zu den schwierigsten Phasen einer Erkundungsmission. Dringt ein Lander mit hoher Geschwindigkeit in die Atmosphäre eines Planeten ein, können an seiner Außenhaut Temperaturen von mehreren tausend Grad Celsius entstehen. Con McCarthy, ein leitender Ingenieur des Mars Express-Projektes der Europäischen Raumfahrtorganisation ESA, vergleicht diesen Prozess mit dem Abbremsen eines Autos: „Wenn man die Bremsen eines schnell fahrenden Autos betätigt, wird die gesamte Bewegungsenergie des Fahrzeugs in Wärme umgewandelt. Deshalb erhitzen sich die Bremsscheiben. Ähnlich verhält es sich bei einem Lander, der mit hoher Geschwindigkeit in die Atmosphäre eines Planeten eintritt. Ein großer Teil der Hitze wird dabei durch Reibung erzeugt.“ Deshalb werden Landesonden, Rückkehrkapseln sowie wiederverwendbare Systeme mit Hitzeschilden ausgestattet, die derartigen Temperaturen standhalten können. Dass von einem wirkungsvollen Schutz auch das Leben von Menschen abhängt, hat erst kürzlich auf tragische Weise die Columbia-Katastrophe verdeutlicht.
Supermaterialien schützen Landegeräte
Hitzeschilde sind Hightech-Produkte aus maßgeschneiderten Materialkombinationen, sogenannten Compositen. Um leistungsfähige Schutzschilde bauen zu können, haben die Ingenieure zwei verschiedene Technologien entwickelt. Das erste Verfahren nutzt sogenanntes ablatives Material. Es nimmt beim Eintritt in die Atmosphäre die Hitze auf, indem es schmilzt und allmählich zerstört wird. Wenn die Schichtdicke richtig berechnet wird, reicht der Superwerkstoff aus, um das Landeobjekt sicher zu schützen. Die zweite Technologie arbeitet mit Materialien, die die Wärme aufnehmen, zwischenspeichern und erst später wieder an die Umgebung abgeben können. Das sind sehr effektive Isolatoren, die das ihnen anvertraute Gerät vor dem Hitzetod bewahren.
Ablative Materialien repräsentieren die konservative Technologie. Sie sind relativ preiswert, haben aber eine größere Masse als die modernen wärmespeichernden Werkstoffe. Ein großer Vorteil der neuen Supercomposite besteht in ihrer Wiederverwendbarkeit. Sie werden beispielsweise beim Space Shuttle in Form der Hitzeschutzkacheln eingesetzt.
Reibung auch bei dünnen Atmosphären
Extraterrestrische Atmosphären weisen sehr unterschiedliche Eigenschaften auf. Entscheidende Faktoren für den Eintritt eines Flugkörpers sind ihre Dichte und ihre chemische Zusammensetzung. Danach richtet sich die konkrete Materialauswahl.
„Wir müssen etliche Parameter berücksichtigen“, erläutert Kai Clausen, leitender ESA-Experte für die Huygens-Sonde. „Die endgültige Auswahl wird aus einer Kombination verschiedenartiger Elemente bestimmt. Zuerst müssen die Materialien zur chemischen Zusammensetzung und der Dichte der Atmosphäre kompatibel sein. Zweitens gilt es zu berücksichtigen, dass unterschiedliche Materialien ein unterschiedliches thermisches sowie mechanisches Verhalten bedingen. Beides muss aufeinander abgestimmt werden. Und schließlich drittens müssen die Experten jenes Eintrittsprofil finden, das die Landesonde am geringsten belastet.“ Das Eintrittsprofil beschreibt sowohl die Eintrittswinkel als auch -geschwindigkeiten in Abhängigkeit von der Flughöhe und der Dichte der Atmosphäre.
Ein Beispiel: Die Atmosphäre des Mars ist dünner als die der Erde. Trotzdem verhält sie sich wie eine dicke Suppe, die den Lander abbremst. Beim Auftreffen auf die Marsatmosphäre mit der 25 bis 30fachen Schallgeschwindigkeit – das entspricht einer Geschwindigkeit von etwa 330 m/s bzw. 1200 km/h – wird das Schutzmaterial immerhin noch Temperaturen von über 1000 Grad Celsius erreichen. „Der Hitzeschild von Beagle 2, dem Lander der Mars Express-Mission der ESA, besteht aus ablativem Material, dessen Struktur mit Kork vergleichbar ist“, erläutert McCarthy. „Beim Eintritt in die Mars-Atmosphäre nimmt das Material die Hitze auf, wobei ein Teil von ihm verbrennt.“
Für die ESA-Sonde Huygens, die 2004 auf dem Saturnmond Titan landen soll, wählten die Fachleute einen Hitzeschild des modernen „Radiatortyps“. Er besteht aus einem mit Silicon-Fasern verstärkten Kunststoff. Beim Eintritt in die Titan-Atmosphäre erhitzt er sich auf etwa 1800 Grad Celsius. Da die Bedingungen vor Ort nur ungenügend bekannt sind, haben die Ingenieure noch eine zusätzliche Sicherheit eingebaut. Wenn nötig, kann ein Teil des Schutzmaterials im Augenblick der höchsten Temperaturbelastung abschmelzen. Dann würde eine Kombination aus ablativem und speicherndem Material zum Einsatz kommen. Obwohl seit über vierzig Jahren Hunderte verschiedener Rückkehrkapseln und Raumsonden in die Erdatmosphäre oder die Atmosphäre extraterrestrischer Körper eingetaucht und sicher gelandet sind, stellt die Konstruktion moderner Schutzsysteme auch heute noch eine große Herausforderung dar. Diese wird umso größer, je weiter die Objekte entfernt und je weniger von ihren atmosphärischen Parametern bekannt sind. Auch in Zukunft dürften die Konstrukteure und Materialwissenschaftler so manch harte Nuss zu knacken haben.