Eine erste Untersuchung der Dunklen Energie mit dem Röntgenteleskop eROSITA liefert Hinweise, dass diese gleichmäßig in Raum und Zeit verteilt ist. Eine Presseinformation der Ludwig-Maximilians-Universität München.
Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München 3. Mai 2023.
3. Mai 2023 – Als Edwin Hubble in den 1920er Jahren entfernte Galaxien beobachtete, machte er eine bahnbrechende Entdeckung: Das Universum dehnt sich immer weiter aus. Erst 1998 fanden Wissenschaftler durch die Beobachtung von Supernovae des Typs Ia schließlich heraus, dass sogar eine Phase der beschleunigten Expansion begonnen hat. „Um diese Beschleunigung zu erklären, brauchen wir eine Quelle“, sagt Joe Mohr, Astrophysiker an der LMU. „Und diese Quelle bezeichnen wir als „Dunkle Energie“.“ Sie liefert eine Art „Antischwerkraft“ zur Beschleunigung der kosmischen Expansion. Wissenschaftlich betrachtet ist die Existenz der Dunklen Energie und der kosmischen Beschleunigung durchaus überraschend, deutet sie doch darauf hin, dass unser derzeitiges Verständnis der Physik entweder unvollständig oder falsch ist. Welche Bedeutung die Entdeckung der sich beschleunigenden Expansion hat, zeigt der 2011 verliehene Nobelpreis für Physik. „Die Natur der Dunklen Energie ist längst zum nächsten Nobelpreisproblem geworden“, sagt Mohr.
Nun hat I-Non Chiu von der National Cheng Kung University in Taiwan gemeinsam mit den LMU-Astrophysikern Matthias Klein, Sebastian Bocquet und Joe Mohr eine erste Untersuchung der Dunklen Energie mit Hilfe des Röntgenteleskops eRosita veröffentlicht, im Focus stehen dabei die Galaxienhaufen im Universum.
Die von der Dunklen Energie möglicherweise verursachte Antigravitation drückt Materie auseinander und verhindert die Bildung großer kosmischer Objekte, die sich sonst aufgrund der anziehenden Wirkung der Gravitation bilden würden. Die Dunkle Energie beeinflusst somit auch, wo und wie die größten Objekte im Universum entstehen, die „Galaxienhaufen“ mit einer Gesamtmasse von 1013 bis 1015 Sonnenmassen. „Wir können viel über die Natur der Dunklen Energie lernen, wenn wir die Anzahl der im Universum gebildeten Galaxienhaufen als Funktion der Zeit – oder in der Beobachtungswelt als Funktion der Rotverschiebung – zählen“, erklärt Klein.
Allerdings sind Galaxienhaufen extrem selten und schwer zu finden, was Durchmusterungen eines großen Teils des Himmels mit den empfindlichsten Teleskopen der Welt erfordert. Zu diesem Zweck startete im Jahr 2019 das eROSITA-Röntgenteleskop unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für extraterrestrische Physik (MPE) in München, es durchmustert seitdem den Himmel auf der Suche nach Galaxienhaufen. In der sogenannten eROSITA Final Equatorial-Depth Survey (eFEDS), einer Mini-Durchmusterung, die der Leistungsüberprüfung der folgenden All-Sky-Durchmusterung diente, wurden zunächst rund 500 Galaxienhaufen nachgewiesen. Es ist eine der größten Stichprobe massearmer Galaxienhaufen. Sie deckt die letzten 10 Jahrmilliarden in der kosmischen Entwicklung ab.
Chiu und seine Kollegen nutzten für ihre Untersuchung nicht nur die eFEDS Daten, sondern zusätzlich einen weiteren Datensatz, nämlich die optischen Daten des sogenannten Hyper-Suprime-Cam Subaru Strategic Program, das von Taiwan, Japan und Princeton University geleitet wird. Der ehemalige LMU Doktorand I-Non Chiu und seine LMU-Kollegen nutzten diese Daten, um die Galaxienhaufen in eFEDS zu charakterisieren und ihre Massen mithilfe des schwachen Gravitationslinseneffektes zu messen. Die Kombination beider Datensätze ermöglichte die erste kosmologische Studie mit Galaxienhaufen, die von eROSITA entdeckt wurden.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Dunkle Energie nach dem Vergleich zwischen den Daten und den theoretischen Vorhersagen 76 Prozent der gesamten Energiedichte im Universum ausmacht. Außerdem ergaben die Berechnungen, dass die Energiedichte der Dunklen Energie gleichmäßig im Raum und konstant in der Zeit zu sein scheint. „Unsere Ergebnisse stimmen gut mit anderen unabhängigen Ansätzen überein, wie zum Beispiel früheren Untersuchungen von Galaxienhaufen sowie solchen, die schwache Gravitationslinsen und den kosmischen Mikrowellenhintergrund verwenden“, sagt Bocquet. Bislang deuten alle Beobachtungsergebnisse, einschließlich der jüngsten Ergebnisse von eFEDS, darauf hin, dass die Dunkle Energie durch eine einfache Konstante beschrieben werden kann, die gewöhnlich als „kosmologische Konstante“ bezeichnet wird.
„Die derzeitigen Fehler bei der Bestimmung der Dunklen Energie sind zwar immer noch größer, als wir es uns wünschen würden, aber bislang nutzt unsere eFEDS-Stichprobe auch nur einen Bereich von weniger als 1 Prozent des gesamten Himmels“, sagt Mohr. Die erste Analyse könnte somit eine gute Grundlage für künftige Studien der eROSITA-Stichprobe für den gesamten Himmel sowie für andere Haufenproben bieten.
Originalpublikation:
I-Non Chiu, Matthias Klein, Joseph Mohr, Sebastian Bocquet. Cosmological constraints from galaxy clusters and groups in the eROSITA final equatorial depth survey. Monthly Notices of the Royal Astronomical Society, 2023
doi.org/10.1093/mnras/stad957
https://academic.oup.com/mnras/article/522/2/1601/7110415
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