Gestern hat SES bekanntgegeben, dass man den Satelliten SES 10 im Oktober 2016 auf einer wiederverwendeten Falcon 9 starten lassen wolle. Damit hilft SES SpaceX ein weiteres Mal bei der Einführung einer neuen Dienstleistung in den Markt.
Erstellt von Tobias Willerding. Quelle: SES, SpaceX, SpaceNews, SFN
Erst SES 8, dann SES 9 und jetzt SES 10: Die Beziehung zwischen SES und SpaceX scheint eine Besondere. Im Dezember 2013, als SpaceX gerade die Falcon 9 v1.1 eingeführt hatte, war SES der erste Kunde, der mit dieser Rakete einen Satelliten in den geostationären Orbit startet. Der erfolgreiche Flug schockt die Konkurrenz, unter anderem die aus Europa. Im März 2016 ist SES erneut erster Kunde, der mit der neuen Falcon 9 v1.2 einen Satelliten in den geostationären Orbit startet.
Man hoffte auch auf die erste erfolgreiche Seelandung bei dieser Mission, doch dieser Erfolg ist SpaceX und SES verwehrt geblieben. Zu gerne wollte man die erste Stufe der Rakete wiederverwenden und bei SES 10 ein weiteres Mal mit derselben ersten Stufe einen Satelliten starten. Doch jetzt muss eine andere Stufe, nämlich die, die bereits die Dragon CRS-8 Kapsel zur ISS beschleunigte, für den Einsatz bei SES 10 herhalten.
Der ausgehandelte Startpreis für diese Pioniertat ist nicht öffentlich, dürfte sich aber wahrscheinlich zwischen 30 und 45 Millionen US-Dollar bewegen. Der Preis für eine neue Falcon 9 Rakete liegt bei circa 60 Millionen US-Dollar.
Technologischen Fortschritt gibt es nicht ohne Risiko. Irgendjemand muss als erster eine Nutzlast auf einer neuen Rakete fliegen. Wenn nur eine Testmasse fliegt, liegt das Risiko zu 100 Prozent beim Raketenbauer. Allerdings profitiert auch der Satellitenbetreiber von einer erfolgreichen Markteinführung und so scheint ein Teilen des Risikos nicht unangemessen, zumal die Versicherungsraten gerade sehr niedrig sind.
Das Vertrauen von SES in SpaceX ist nicht nur eine kurzfristige Laune, sondern ein Teil eines langfristigen Plans. Wenn man sich die SES-Strategie auf deren Webseite für Investoren anschaut, dann sind wiederverwendbare Raketen ein Teil eines größeren Plans, die Kosten für die Satelliten zu senken.
SES plant ebenfalls das Nachtanken der Satelliten im Orbit, volle Digitalisierung der Satellitennutzlast und weiteres mehr. Dadurch sollen die Investitionskosten für Satelliten weiter sinken, was letzten Endes auch dem Endkunden am Boden zu Gute kommt.
Ein Teil der Motivation von SES ist also klar, günstigere Satelliten möchte man haben. Daneben ist die Falcon 9 auch ein Ersatz für die Proton-Rakete aus Russland, die in letzter Zeit bei der Zuverlässigkeit schwächelt. Allerdings ist eine Wegwerf-Falcon 9 auch schon relativ günstig und die Kosten allein können den massiven Einsatz für wiederverwendbare Raketen seitens SES wohl nicht erklären.
Vielleicht schaut man bei SES im Vorstand auch gerne Science-Fiction-Filme im Kino, träumt von Reisen zu fremden Welten. Vielleicht möchte man einen kleinen Beitrag leisten, um dieser Zukunft ein bisschen näher zu kommen. Ein bisschen intrinsische Motivation tut ja vielleicht ab und zu ganz gut, anstatt nur nach dem Vorteil für die eigene Firma zu suchen.
Der weltweit größte Satellitenbetreiber aus Luxemburg setzt stark auf SpaceX. In Zukunft sollen nach SES 10 auch SES 11, SES 14 und SES 16 mit SpaceX fliegen. Nur SES 12 und SES 15 sind bei Arianespace gebucht.
Das Vertrauen von SES in SpaceX ist auch insofern bemerkenswert, als dass kürzlich der CEO von Airbus Safran Launchers, Alain Charmeau, in einem Interview bei SpaceflightNow mitgeteilt hat, bei Airbus glaube man, dass der Kunde eine neue Rakete und eben keine wiederverwendete Rakete beim Start bevorzugt. Das haben Airbus nach seiner Aussage Kunden gesagt. Welche Kunden das sind, wissen wir nicht, SES kann damit offensichtlich nicht gemeint sein.
SES ist bisher der einzige Akteur von Gewicht in Europa, der sich für wiederverwendbare Raketen ernsthaft einsetzt. Airbus arbeitet an Adeline, einem Konzept, um das Vulcain 2 zu bergen, CNES / DLR arbeiten an Prometheus (Methantriebwerk) und gemeinsam mit Japan an Callisto, einem Gefährt, das senkrecht starten und landen können soll. Aber das sind bestenfalls Demonstratoren, deren Umsetzung in eine orbitale Rakete eher perspektivisch ist, schlechtestenfalls PR-Projekte, um in der öffentlichen Meinung nicht Nichts-tuend dazustehen.
Ein ernsthaftes „commitment“ sieht jedenfalls anders aus. Aber SES 10 wird von Airbus gebaut, da können sich die Airbus-Ingenieure bei der Nutzlastintegration die Falcon 9 noch einmal aus der Nähe anschauen und vielleicht zu einem anderen Fazit kommen.
Ob sich wiederverwendbare Raketen langfristig etablieren, wird man in ein paar Jahren wissen. Als Europäer kann es einen bereits jetzt mit Stolz erfüllen, dass wenigstens eine Größe der europäischen Raumfahrt die Initiative in die Hand nimmt und nicht wie der Rest darauf wartet, dass sich die Welt von alleine verbessert.
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