Im Mai 2014 wird die von der europäischen Weltraumbehörde ESA betriebenen Kometensonde Rosetta ihr Zielobjekt, den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko, erreichen und in einen Orbit um den Kometen einschwenken. Sechs Monate später wird die Sonde den Lander Philae auf die Oberfläche des Kometen entlassen. Erste Studien favorisieren derzeit die südliche Kometenhemisphäre als potentielles Landegebiet für Philae.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: EPSC 2010.
Am 2. März 2004 begann die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Kometensonde Rosetta nach zwei Startverschiebungen ihre 10 Jahre dauernde Reise zu dem Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko. Im Verlauf des bisher sechs Jahre andauernden Fluges hat Rosetta dreimal die Erde und einmal den Mars passiert und dabei Schwung für die weitere Reise genommen. Außerdem wurden im Verlauf des Fluges bei zwei nahen Vorbeiflügen in den Jahren 2008 und 2010 die Asteroiden Steins und Lutetia mit verschiedenen Instrumenten näher untersucht. Im Mai 2014 wird Rosetta schließlich ihr eigentliches Ziel erreichen und als erste Raumsonde überhaupt in eine Umlaufbahn um einen Kometen einschwenken.
In den folgenden Monaten wird die Raumsonde den Kometen auf seinem Weg durch das innere Sonnensystem bis Dezember 2015 begleiten. Neben einer eingehenden Analyse der Zusammensetzung des Kometen und einer Kartografierung der Oberfläche soll dabei auch die Entwicklung der Aktivität von 67P/Tschurjumow-Gerasimenko mit zunehmender Sonnennähe durch die verschiedenen Instrumente der Raumsonde dokumentiert werden. Um die Zusammensetzung von 67P/Tschurjumow-Gerasimenko zu entschlüsseln, wird dazu unter anderem im November 2014 auch ein spezielles Landegerät, der Kometenlander Philae, auf der Oberfläche des Kometen aufsetzen. Der Lander ist mit 10 verschiedenen wissenschaftlichen Instrumenten ausgestattet. Zum Beispiel kann ein Bohrer Kometenmaterial aus einer Tiefe von bis zu 30 Zentimetern entnehmen und die Proben anschließend den weiteren Instrumenten zu einer ausführlichen Untersuchung zuführen.
Durch die Untersuchung von 67P/Tschurjumow-Gerasimenko erhoffen sich die Wissenschaftler Einblicke in die Frühzeit und die Entwicklungsgeschichte unseres Sonnensystems. „Die Kometenjagd ermöglicht uns einen Rückblick in die Geschichte unseres Sonnensystems“, so Dr. Detlef Koschny von der europäischen Weltraumagentur ESA über die Bedeutung der Rosetta-Mission. „Kometen und Asteroiden sind die Bausteine der Planeten unseres Sonnensystems. Wenn wir ihre Zusammensetzung verstehen, können wir viel über die Entstehung unserer Erde und die Bedingungen zur Entstehung von Leben lernen.“
Obwohl bis zur Landung von Philae noch über vier Jahre vergehen werden und bisher nur wenig über die Oberflächenbeschaffenheit von 67P/Tschurjumow-Gerasimenko bekannt ist, machen sich die an der Mission beteiligten Wissenschaftler bereits jetzt Gedanken über den möglichen Landeplatz des Kometenlanders. Die Ergebnisse einer entsprechenden Studie wurden jetzt auf dem diesjährigen European Planetary Science Congress (EPSC 2010) in Rom präsentiert.
Im Rahmen ihrer Untersuchungen kamen Jeremie Lasue vom Lunar and Planetary Institute (LPI) und seine Kollegen zu dem Ergebnis, dass sich der beste Landeplatz auf der südlichen Hemisphäre des Kometen finden lässt. Demzufolge geben die südlichen Regionen des Kometenkerns sowohl aus wissenschaftlicher Sicht als auch aus Gründen der Sicherheit des Landers das zu favorisierende Landegebiet ab.
„Tschurjumow-Gerasimenko ist eine Zeitkapsel, welche Material aus der Geburtsphase unseres Sonnensystems enthält. Die südliche Hemisphäre des Kometenkerns ist dabei nach den bisher erfolgten Sonnenumläufen deutlich stärker erodiert als die nördliche, weshalb Philae dort Zugang zu unberührtem Material finden kann, ohne tiefe Bohrungen durchführen zu müssen. Zum Zeitpunkt des Rendezvous mit Rosetta werden Gas und Staub hauptsächlich von der nördlichen Hemisphäre des Kometen entweichen, weshalb eine Landung im Süden sicherer ist. Außerdem wird die Südseite des Kometen in Sonnennähe weniger starken Temperaturunterschieden ausgesetzt sein.“
Im Rahmen ihrer Studien haben Jeremie Lasue und seine Kollegen von den in Rom ansässigen Einrichtungen Instituto di Astrofisica Spaziale e Fisica Cosmica (INAF-IASF) und Instituto di Fisica dello Spazio Interplanetario (INAF-IFSI) dreidimensionale Computermodelle entwickelt, um die Entwicklung der Aktivität des Kerns von 67P/Churyumov-Gerasimenko im Zeitraum zwischen der Ankunft der Raumsonde bei dem Kometen bis zum Passieren der Periapsis, der größten Annäherung von 67P/Tschurjumow-Gerasimenko an die Sonne, am 13. August 2015 abzuschätzen.
Kometen sind eine sehr poröse Mixtur aus Staub, Eis und gefrorenen Gasen wie zum Beispiel Kohlenmonoxid und Kohlendioxid. Bei der erfolgenden Annäherung an die Sonne erwärmt sich die Oberfläche des Kometenkerns. Die Bestandteile beginnen sich zu verflüchtigen und bilden eine Koma um den Kern. Lasue und seine Kollegen schätzen die dabei auftretenden Emissionsraten von Staub, Wassereis und gefrorenen Gasen, welche sich von der nördlichen Hemisphäre verflüchtigen, zum Zeitpunkt der Landung von Philae auf rund 30 Kilogramm Gas und 50 Kilogramm Staub pro Sekunde.
Durch die während der Erwärmung des Kometenkerns erfolgenden Ausgasung kommt es zu einem Transport von Staubpartikeln aus dem Inneren des Kerns an die Oberfläche. Kleinere Staubpartikel werden dabei direkt in die Koma des Kometen transportiert. Größere Partikel werden dagegen auf der Oberfläche des Kometen abgelagert. Die Simulationen zeigen, dass sich dabei eine etwa 20 Zentimeter dicke Staubschicht auf der südlichen Hemisphäre absetzt, woraus sich eine einmalige Gelegenheit ergibt, Material direkt aus dem Inneren des Kometen zu analysieren. Aufgrund des höheren Gasdrucks sollte die Stärke dieser auch als „Staubmantel“ bezeichneten Schicht in der Nordhemisphäre dagegen lediglich mehrere Zentimeter betragen.
„Zum Zeitpunkt der Landung von Philae können die Temperaturen im Bereich des Äquators von 67P/Tschurjumow-Gerasimenko um bis zu 150 Grad Celsius fluktuieren. Die Bereiche unmittelbar um den Südpol werden dagegen deutlich ausgeglichenere Temperaturverhältnisse aufweisen. Unsere gegenwärtigen Daten zeigen, dass die südliche Kometenhemisphäre den besten Landeplatz darstellt. Sobald weitere Daten zur Verfügung stehen werden wir diese den Computermodellen zufügen“, so Maria Christina De Sanctis vom INAF-IASF, eine der Co-Autorinnen der Studie.
Ein weiterer nicht zu vernachlässigender Grund für eine Landung auf der Südhemisphäre des Kometen ist die dadurch erreichbare bessere Ausrichtung der Solarpaneele von Philae in Richtung auf die Sonne, was sich letztendlich positiv auf die Energiegenerierung des ausschließlich mit Solarenergie betriebenen Kometenlanders auswirken wird.
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