Nach einem mehrere Wochen andauernden Auswahlprozess wurde am gestrigen Tag der Ort festgelegt, wo am 11. November 2014 der von der Raumsonde Rosetta mitgeführte Lander Philae auf der Oberfläche des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko niedergehen soll. Die Entscheidung wurde vor wenigen Stunden von der ESA öffentlich bekannt gegeben.
Erstellt von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA, DLR
Nach einem mehr als zehn Jahre andauernden Flug durch unser Sonnensystem, bei dem eine Distanz von rund 6,4 Milliarden Kilometern zurückgelegt wurde, erreichte die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Rosetta am 6. August 2014 das Ziel ihrer Reise – den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko (der Einfachheit halber ab hier als „67P“ abgekürzt). Seitdem ‚begleitet‘ Rosetta diesen Kometen auf seinem Weg in das innere Sonnensystem und untersucht dieses Relikt aus der Entstehungsphase unseres Sonnensystems intensiv mit elf wissenschaftlichen Instrumenten.
Diese Untersuchungen dienen unter anderem auch dazu, um einen geeigneten Landeplatz für den von Rosetta mitgeführten Kometenlander Philae auszuwählen. Philae soll nach dem gegenwärtigen Stand am 11. November von der ‚Muttersonde‘ abgekoppelt werden, ungefähr sieben Stunden später während der dortigen ‚Morgenstunden‘ auf der Oberfläche des Kometen niedergehen und diese anschließend mit den zehn mitgeführten Instrumenten über einen Zeitraum von mindestens 50 Stunden eingehend untersuchen. Unter optimalen Bedingungen könnten diese Untersuchungen sogar bis zum März 2015 fortgesetzt werden.
Allerdings müssen bei der Auswahl des Landeplatzes verschiedene wissenschaftliche und technische Kriterien berücksichtigt werden. Nach ersten Analysen wurde der Kreis von ursprünglich zehn vorgeschlagenen Landeplätzen bereits vor drei Wochen auf nur noch fünf verbliebene potentielle Landezonen eingeschränkt (Landeregion ausgewählten Bereiches “B“). Seitdem wurden weitere Untersuchungen und Analysen durchgeführt, um aus diesen fünf Regionen das Gebiet auszuwählen, welche den von der an der Mission beteiligten Wissenschaftlern und Ingenieuren vorgegebenen Kriterien am ehesten entspricht.
Landeplatz-Auswahl
Am 13. und 14. September haben sich die Mitarbeiter der für die Auswahl zuständigen ‚Landig Site Selection Group‘ in Toulouse/Frankreich getroffen und das Landegebiet festgelegt. Neben den aktuellsten Aufnahmen der Kometenoberfläche, welche aus Entfernungen von teilweise lediglich nur noch 30 Kilometern angefertigt wurden, flossen auch die Daten der anderen Instrumente der Raumsonde, welche zum Beispiel Informationen über die aktuelle Aktivität des Kometen oder dessen thermischen Eigenschaften von 67P liefern, in dieses Auswahlverfahren ein.
Weitere zu berücksichtigende Faktoren bildeten die Flugbahnberechnungen und die Daten verschiedener Simulationen, in denen die Landung von Philae auf der Kometenoberfläche getestet wurde. Bei diesen Tests, welche bereits im Frühjahr 2013 am DLR-Institut für Raumfahrtsysteme in Bremen durchgeführt wurden, hatten die zuständigen Ingenieure ein 1:1-Landemodell auf hartem und weichen Untergrund in einer speziellen Testanlage, der ‚Landing and Mobility Test Facility‘ (kurz ‚LAMA‘), auf die Probe gestellt. In Computersimulationen konnten so, aktualisiert und ergänzt mit neueren Daten, die Herausforderungen der verschiedenen Landeplätze untersucht werden.
Vor wenigen Stunden gab die ESA die Entscheidung der Expertenkommission offiziell bekannt.
Landung bei dem Kandidaten „J“
„Wie wir auf aktuellen Nahaufnahmen sehen, ist der Komet Tschurjumow-Gerasimenko eine schöne und zugleich sehr extreme Welt. Er ist wissenschaftlich spannend, hat aber eine Form, die für die Landung eine große Herausforderung darstellt“, so Dr. Stephan Ulamec vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, der Projektleiter für den Kometenlander Philae. „Keiner unserer fünf Kandidaten hat daher zu 100 Prozent alle Kriterien erfüllt, aber Landplatz „J“ ist eindeutig die beste Lösung.“
Die Landung auf der Oberfläche von 67P soll im Bereich des früheren Landeplatzkandidaten „J“ erfolgen, welcher sich auf dem etwa 2,6 x 2,4 x 1,6 Kilometer abmessenden ‚Kopf‘ des Kometen befindet. Hier findet Philae einen Landeplatz mit einer abwechslungsreichen, aber nicht zu stark zerklüfteten Landschaft vor, die über nur wenige steile Hänge verfügt und wo zudem eine gute Beleuchtung durch die Sonne gegeben ist. Nach der Abtrennung von Rosetta wird Philae etwa sieben Stunden später die Oberfläche von 67P erreichen, bereits während dieses ‚Fluges‘ Daten sammeln und nach der Landung sofort damit beginnen, nach einem ausgeklügelten und bis ins letzte Detail festgelegten Plan wissenschaftliche Daten von der Kometenoberfläche zu sammeln.
Während dieser so genannten ‚First Science Phase‘ wird der Lander, der von dem ‚Lander Control Center‘ des DLR in Köln gesteuert, betrieben und überwacht wird, über seine Batterien mit Energie versorgt. Diese Energie sollte ausreichen, um den Betrieb über einen Zeitraum von mindestens 50 Stunden zu gewährleisten. Anschließend sorgen durchschnittlich sieben Sonnenstunden pro Kometentag dafür, dass sich die Batterien von Philae immer wieder neu aufladen können.
Aus diesem Grund legte das für die Landeplatzauswahl verantwortliche Team auch so großen Wert darauf, dass Philae an einem relativ ’sonnigen‘ Standort landet. Aus wissenschaftlicher Sicht ist dieses Gebiet vor allem durch die Aktivitäten des Kometen interessant, welche auf dem weiteren Weg von 67P in das innere Sonnensystem noch weiter zunehmen werden. In einer Entfernung von lediglich etwa 500 Metern zu der Landestelle „J“ befinden sich verschiedene Vertiefungen, die bereits jetzt aktiv sein könnten.
In den kommenden Wochen wird der Landeplatz „J“ nun aus noch größerer Nähe auch weiterhin eingehend untersucht. Zudem werden die für die Flugplanung verantwortlichen Ingenieure des Raumsondenkontrollzentrums am ESOC in Darmstadt immer exaktere Flugbahnberechnungen für Orbiter und Lander erstellt. Für den Fall, dass sich dabei zum Beispiel herausstellt, dass das Gelände innerhalb der Landeregion deutlich zerklüfteter ist als erwartet oder extremes Ausgasen des Kometen eine Landung an diesem Ort gefährden könnte, hat sich die Expertenkommission mit dem Landplatzkandidaten „C“ eine alternative Option offen gehalten.
Die Alternative: Der Landeplatz „C“
Auch dieser Landeplatz, der sich auf dem größeren Teil des Kometen – dem etwa von 4,1 x 3,6 x 1,7 Kilometern abmessenden ‚Körper‘ – befindet, weist diverse interessante Strukturen wie Vertiefungen, Klippen, Hügel und ebene Gebiete auf. Außerdem befindet sich hier auch Material, welches auf den Kameraaufnahmen heller als gewöhnlich erscheint und somit aus wissenschaftlicher Sicht besonders interessant sein dürfte. Auch dieser Landeplatz würde über ausreichend Sonnenlicht verfügen.
Die übrigen drei Landeplatzkandidaten „A“, „B“ und „I“, welche ebenfalls in der engeren Auswahl waren, stehen nicht mehr zur Diskussion, da sich bei den detaillierten Analysen herausgestellt hatte, dass sie einige der gestellten Anforderungen nicht ausreichend erfüllen. So wurden auf den Nahaufnahmen aus rund 30 Kilometern Entfernung zum Beispiel deutlich, dass der Landeplatzkandidat „B“ eine kraterähnliche Struktur beherbergt, in deren Inneren sich deutlich mehr größere Felsblöcke und Gesteinsbrocken befinden als zunächst angenommen.
Am 15. Oktober 2014 soll der ausgewählte Landeplatz endgültig bestätigt oder ein Ausweichen auf den Ersatz-Landeplatz beschlossen werden.
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