Nach dem Abschluss seiner Primärmission und dem am vergangenen Samstag erfolgten Übertritt in einen Schlafmodus hat mittlerweile die Auswertung der Daten begonnen, welche der Kometenlander Philae im Verlauf der letzten Woche von der Oberfläche des Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko zur Erde übermittelt hat. Bereits jetzt zeigt sich, dass die an der Mission beteiligten Wissenschaftler eine reiche Ernte eingefahren haben, was den Erfolg dieser Mission bestätigt.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: DLR, ESA.
Nach einem mehr als zehn Jahre andauernden Flug durch unser Sonnensystem erreichte die von der europäischen Weltraumagentur ESA betriebene Raumsonde Rosetta am 6. August 2014 das Ziel ihrer Reise – den Kometen 67P/Tschurjumow-Gerasimenko (der Einfachheit halber ab hier als „67P“ abgekürzt). Seitdem ‚begleitet‘ Rosetta diesen Kometen auf seinem Weg in das innere Sonnensystem und untersucht dieses Relikt aus der Entstehungsphase unseres Sonnensystems intensiv mit elf wissenschaftlichen Instrumenten.
Am 12. November wurde dabei ein weiterer Höhepunkt dieser überaus ambitionierten und erfolgreichen Mission zur Erforschung unseres Sonnensystems erreicht: Der von der Raumsonde Rosetta mitgeführte Kometenlander Philae wurde von Rosetta abgetrennt und erreichte um 16:35 MEZ die Oberfläche des Kometen 67P. Der Eingang des entsprechenden Signals auf der Erde erfolgte um 17:03 MEZ (Raumfahrer.net berichtete live aus den Raumsondenkontrollzentren in Darmstadt und Köln). Dort kam er schließlich nach einer dreifachen Landung an einem ungeplanten Standort zum Stehen, welcher aufgrund der dort gegebenen Beleuchtungsverhältnisse keine Möglichkeit bot, seine Energiereserven zu erneuern.
Trotzdem konnte der Lander – mit der Energie aus seiner auf eine Einsatzdauer von etwa 60 Stunden ausgelegten Primärbatterie versorgt – in den folgenden 56 Stunden eine Vielzahl an Messungen durchführen. Die dabei gesammelten Daten der zehn Instrumente des Landers wurden regelmäßig bei jedem sich öffnenden Kommunikationsfenster an die Erde übertragen, bevor die Energiereserven am 15. November so weit erschöpft waren, dass sich Philae um 01:36 MEZ in einen „Schlafmodus“ versetzte.
Damit ist die Mission von Philae jedoch keineswegs beendet. Für die beteiligten Wissenschaftler beginnt jetzt vielmehr die Phase einer aufwendigen Datenaufbereitung und -auswertung. Trotzdem liegen dabei bereits zu diesem frühen Zeitpunkt erste Erkenntnisse vor.
„Wir haben viele wertvolle Daten gesammelt, die man nur in direkter Berührung mit dem Kometen erhalten kann. Zusammen mit den Messungen der Rosetta-Sonde sind wir auf einem guten Weg, Kometen besser zu verstehen. Ihre Oberflächeneigenschaften scheinen ganz anders zu sein als bisher gedacht“, so Dr. Ekkehard Kührt vom DLR-Institut für Planetenforschung in Berlin-Adlershof.
Eine eisige und harte Oberfläche
Eines der Instrumente des Landers – die Thermalsonde MUPUS – sollte mit mehreren Sensoren die Oberflächentemperatur und oberflächennahen Temperaturprofile, die thermischen Leitfähigkeit des Oberflächenmaterials sowie die Festigkeit und die Dichte der kometaren Materie ermitteln. Dabei sollte sich die Sonde auch unter die Oberfläche des Kometen ‚hämmern‘.
„Obwohl die Leistung des Hammers stufenweise erhöht wurde, konnten wir sie nicht tief in den Boden fahren“, so Prof. Tilman Spohn vom DLR-Institut für Planetenforschung, der Leiter des für MUPUS zuständigen Wissenschaftlerteams. Daraus leiten die Wissenschaftler ab, dass 67P über eine unerwartet harte Oberfläche verfügt, welche über die Festigkeit von tiefgefrorenem Eis verfügt.
„Wir haben reiche Ernte eingefahren und müssen diese Daten jetzt noch alle analysieren“, so Professor Spohn weiter. Lediglich die in den Ankern des Landers integrierten Thermalsensoren und Beschleunigungsmesser des MUPUS-Experiments kamen nicht zum Einsatz, da diese Anker, welche Philae auf der Kometenoberfläche fixieren sollten, bei der Landung nicht ausgelöst wurden.
Das SESAME-Instrument
Bei dem SESAME-Instrument handelt es sich um ein aus drei Einzelinstrumenten bestehendes Sensorenpaket, welche der Analyse der akustischen und dielektrischen Eigenschaften des Kometenkerns und seiner oberflächennahen Struktur dienen. Auch die an diesem Instrument beteiligten Wissenschaftler können bereits jetzt bestätigen, dass 67P offenbar bei weitem nicht so weich und ‚fluffig‘ ist, wie zuvor angenommen wurde. Das in den Landerbeinen befindliche Instrument CASSE – eines der drei Einzelinstrumente von SESAME – wurde bereits während des Landeanfluges an 67P aktiviert und registrierte bei der Landung deutlich den ersten Kontakt mit der Kometenoberfläche.
„Die Festigkeit der Eisschicht unter einer Staubschicht am ersten Landeplatz ist überraschend hoch“, so Dr. Klaus Seidensticker vom DLR-Institut für Planetenforschung. Diese Staubschicht verfügt anscheinend über eine Stärke von nur wenigen Zentimetern. Die beiden anderen Instrumentenkomplexe von SESAME liefern dagegen Hinweise auf eine derzeit noch eher geringe Aktivität des Kometen an der Landestelle sowie auf eine größere Menge an Wassereis, welche sich offenbar direkt unter Philae befindet.
Die Analyse einer Bohrprobe
Als letztes der Instrumente von Philae wurde am 14. November der Bohrmechanismus SD2 aktiviert. Hierbei handelt es sich um einen Bohrer, welcher Bodenproben aus einer Tiefe von bis zu 30 Zentimeter zutage fördern und anschließend den Analyseinstrumenten COSAC und PTOLEMY zur Verfügung stellen sollte. COSAC dient der Bestimmung der elementaren, isotopischen und chemischen Zusammensetzung der gefrorenen Komponenten der Kometenoberfläche. Bei PTOLEMY handelt es sich dagegen um ein Massenspektrometer mit einem vorschaltbaren Gaschromatographen zur Untersuchung der isotopischen Zusammensetzung der Bohrproben.
Derzeit gilt als gesichert, dass der Bohrer vollständig ausgefahren wurde und alle erforderlichen Arbeitsschritte abarbeitete, um eine Probe in den dafür vorgesehenen Analyseofen zu transportieren. Ob dabei wirklich eine Bodenprobe gewonnen und auch geliefert wurde ist dagegen noch unklar. Auf jeden Fall reagierte auch das Instrument COSAC wie vorgesehen. In einem nächsten Schritt müssen die Wissenschaftler die gewonnen Daten jedoch zunächst analysieren und dabei unter anderem herausfinden, ob mit dem Gaschromatographen von PTOLEMY tatsächlich eine Bodenprobe analysiert wurde.
„Wir haben zurzeit noch keine Informationen über Menge und Gewicht der Bodenprobe“, so Dr. Fred Goesmann vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen.
Weitere Informationen über die Bohrung sollen im Rahmen einer engen Zusammenarbeit von mehreren Instrumententeams gewonnen werden. Unter anderem kommt hierbei erneut das CASSE-Instrument ins Spiel. CASSE besteht aus drei piezoelektrischen Wandlern zur Erzeugung von akustischen Signalen und einem Empfänger, welcher ebenfalls auf der Basis piezoelektrischer Elemente arbeitet. Dies entspricht dem Prinzip eines Lautsprechers und eines Mikrofons. Für die Bestätigung eines erfolgreich durchgeführten Bohrvorganges wäre es wichtig zu erfahren, ob CASSE dieses Bohren ‚gehört‘ hat. Des weiteren ist es wichtig zu erfahren, welchen Widerstand die Thermalsonde MUPUS bei dem Hämmern registriert hat. Hieraus lässt sich die exakte Bodenfestigkeit ableiten. Und zudem muss analysiert werden, mit welcher ‚Kraft‘ der SD2-Bohrer zum Einsatz kam.
Die Suche nach organischen Molekülen
Sollte tatsächlich die Entnahme und Analyse einer Bodenprobe gelungen sein, so könnte sich in den dabei gewonnenen Daten auch zeigen, dass darin verschiedene organische Moleküle enthalten sind, welche allgemein als die „Grundbausteine des Lebens“ bezeichnet werden. Unabhängig davon, ob derartige Moleküle aus einer Tiefe von mehreren Zentimetern an die Oberfläche befördert und analysiert werden konnten, konnte das Instrument COSAC die ‚Atmosphäre‘ des Kometen analysieren und dabei auch die ersten organischen Moleküle aufspüren. Die genaue Analyse der dabei gewonnenen Spektren und die Identifikation der nachgewiesenen Moleküle hat bereits begonnen. Diese Arbeiten benötigen aber noch Zeit.
Die ROLIS-Kamera
Einer der großen ‚Gewinner‘ der dreifachen Philae-Landung ist die an der Unterseite des Landers angebrachte ROLIS-Kamera, welche die Phase der ersten Landung mit mehreren Aufnahmen dokumentiert hat. Aber auch nach der finalen Landung auf 67P wurde ROLIS erneut aktiviert und fertigte anschließend multispektrale Aufnahmen der Kometenoberfläche aus nächster Nähe an. Somit liegen dem Team nun Daten von gleich zwei verschiedenen Orten auf dem Kometen vor.
Radiowellen analysierten das Innere des Kometen
Bei dem Instrument CONSERT (kurz für „Comet Nucleus Sounding Experiment by Radio wave Transmission“) handelt es sich um ein Experiment, welches in Form von zwei Baugruppen sowohl auf dem Kometenlander als auch auf dem Orbiter Rosetta vertreten ist. Zwischen den beiden Instrumentenkomplexen ausgetauschte Radiowellen durchdrangen nach der Landung von Philae auf dem Kometen dessen Kern und lieferten dabei ein dreidimensionales Profil, welches Dank der reichlich gewonnenen Daten detaillierte Informationen über die innere Struktur und die Zusammensetzung des Kometenkerns liefern wird. Allerdings müssen auch diese Daten zuerst ausgewertet werden, bevor gesicherte Aussagen getätigt werden können. Derartige CONSERT-Messungen stellten dann auch die letzten wissenschaftlichen Aktivitäten dar, bevor sich Philae am 15. November in den energiebedingten Schlafmodus versetzte.
Ein erneuter Kontakt mit Philae im nächsten Frühjahr?
Diese Daten müssen aber nicht zwingend die letzten Informationen gewesen sein, welche Philae an die Erde übermittelt hat. Es besteht die eventuelle Möglichkeit, dass der Lander seinen derzeitigen Schlafmodus beendet, sobald sich die an seinem derzeitigen und im Detail immer noch unbekannten Aufenthaltsort gegebenen schlechten Lichtverhältnisse verbessern. Im Frühjahr oder spätestens im Sommer 2015 könnten sich dabei eine Beleuchtungs- und Temperatursituation ergeben, welche ein Aufladen der Batterien und damit eine Weiterführung der Mission ermöglicht.
„Ich bin sehr zuversichtlich, dass Philae wieder Kontakt mit uns aufnimmt und wir die Instrumente erneut betreiben können“, so der Philae-Projektleiter Dr. Stephan Ulamec vom DLR. Der Kometenorbiter Rosetta ist jedenfalls auch weiterhin ‚auf Empfang‘ und wird auch in den kommenden Monaten nach entsprechenden Signalen von Philae Ausschau halten. „Auf dem ersten Landeplatz hätten wir dazu natürlich bessere Beleuchtungsbedingungen vorgefunden“, so Dr. Ulamec weiter. „Jetzt stehen wir etwas schattiger und werden für das Aufladen [der Batterien] länger benötigen.“
Trotzdem bietet dieser ’schattige Landeplatz‘ auch einen Vorteil, welcher sich auf die Dauer der zukünftig fortzusetzenden Mission auswirkt. Philae wird an seinem jetzigen Standort in Zukunft sehr wahrscheinlich nicht so stark erwärmt werden wie an dem ursprünglich angepeilten Landeplatz Agilkia (ehemals als „Landeplatz J“ benannt). Dies erhöht prinzipiell die Chance, dass der Lander länger einsatzfähig bleibt als – wie ursprünglich vorgesehen – nur bis zum März 2015.
Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum:
Verwandte Seiten bei Raumfahrer.net: