Kometen – Botschafter aus der Vergangenheit

Kometen sind meist einige Kilometer große „schmutzige Schneebälle“, die ein- oder mehrmals die Sonne umfliegen und dabei in Sonnennähe durch einen leuchtenden Schweif aus Staub und Gasen auffallen – so oder ähnlich könnte man diese prominenten Erscheinungen des nächtlichen Himmels in aller Kürze beschreiben.

Ein Beitrag von Michael Stein. Vertont von Dominik Mayer.

Giotto-Nahaufnahme vom Kometenkern des Halleyschen Kometen.
(Foto: ESA)
Giotto-Nahaufnahme vom Kometenkern des
Halleyschen Kometen.
(Foto: ESA)

Doch natürlich gibt es viel mehr über diese Himmelskörper zu erzählen, zu denen sich die europäische Raumsonde Rosetta am 2. März 2004 auf den Weg gemacht hat.

Wider die himmlische Ordnung

Aufgrund ihrer optisch auffälligen Erscheinung sind Kometen seit Urzeiten den Menschen bekannt. Zu den ältesten Aufzeichnungen gehören schriftliche Hinweise auf das Erscheinen des berühmten Halleyschen Kometen aus dem Jahr 240 v.Chr in China. Eine andere äußerst bekannte Darstellung desselben Kometen findet sich auf dem so genannten Bayeux-Gobelin, der an die Eroberung Englands durch die Normannen im Jahre 1066 erinnert. Vor dem Beginn der Neuzeit haftete Kometen gerade im christlichen Europa lange Zeit ein schlechtes Image an, da sie die ansonsten als ewig angenommene göttliche Ordnung des Himmels durch ihr Erscheinen erschütterten – immerhin legitimierte sich die christliche Kirche unter anderem auch durch Hinweis auf die gottgewollte Ordnung des Lebens, in der sie und ihre Würdenträger demnach einen ebenso gottgewollten und nicht in Frage zu stellenden Platz innehatten, und da konnten die himmlische Ordnung störende und dazu noch optisch überaus prominente Himmelskörper wie Kometen kaum etwas Gutes bedeuten.

Diese Wahrnehmung begann sich wie in vielen anderen Bereichen auch mit dem Beginn der Neuzeit zu ändern, als zunehmend rationale Erklärungen für vorher mystisch gedeutete Naturphänomene gesucht wurden. So beobachtete der dänische Astronom Tycho Brahe (1546-1601) nur mit dem bloßen Auge – das Fernrohr wurde erst 1609 durch Galileo Galilei erfunden – Kometenbahnen mit erstaunlicher Genauigkeit und schloss aus seinen Beobachtungen, dass die griechische Einteilung des Himmels in verschiedene Sphären nicht richtig sein konnte. Der englische Astronom und Mathematiker Edmond Halley (1656-1742) wies in einer Veröffentlichung des Jahres 1705 nach, dass sich Kometen auf elliptischen Umlaufbahnen um die Sonne bewegen. Berühmt wurde er vor allem deshalb, weil er auf Basis seiner Berechnungen die Wiederkehr des nach ihm benannten Kometen für das Jahr 1758 korrekt vorhersagte. (Mit einer Umlaufdauer von 76 Jahren ist der Halleysche Komet so etwas wie eine menschliche Generationen zählende „Uhr“ – ein Teil seiner Popularität mag auch daher stammen.)

Aufnahme des Kometenkerns von Wild 2 durch die Raumsonde Stardust.
(Foto: NASA
Aufnahme des Kometenkerns von Wild 2 durch
die Raumsonde Stardust.
(Foto: NASA)

Ursprung und Bahnen der Kometen
Es gibt zwei Quellen für die in unserem Sonnensystem auftretenden Kometen: Der Kuiper-Gürtel und die Oorthsche Wolke. In beiden Fällen handelt es sich um riesige Ansammlungen unzähliger Überreste aus der Entstehungszeit des Sonnensystems vor etwa 4,6 Milliarden Jahren. Der Kuiper-Gürtel ist nach dem holländischen Planetenforscher Gerard Kuiper (1905-1973) benannt, der 1951 die Existenz eines solchen Rings aus Asteroidenähnlichen Himmelskörpern jenseits der Neptun-Umlaufbahn postulierte. Ein Jahr früher bereits hatte der Astronom Jan Hendrik Oort (1900-1992) durch Analyse von Kometenbahnen auf die Existenz einer kugelförmigen Sphäre aus vergleichbaren Überresten der Entstehung unseres Sonnensystems geschlossen, die weit jenseits der Pluto-Umlaufbahn beginnen und sich neuesten Berechnungen zufolge bis zu 1,5 Lichtjahre in das Weltall hinaus erstrecken soll. (Bisher konnten aufgrund der gigantischen Entfernungen jedoch noch keine Mitglieder der Oorthschen Wolke beobachtet werden, noch also ist sie nur ein theoretisches Konstrukt – das allerdings die hyperbolischen Kometenbahnen gut erklären kann.)
 
Während der Kuiper-Gürtel als Ursprung der meisten Kometen angesehen wird, die auf elliptischen Bahnen mit Orbitperioden von bis zu 200 Jahren die Sonne umlaufen, gilt die Oortsche Wolke als Quelle der nur einmal in die Nähe der Sonne fliegenden Kometen auf hyperbolischen Umlaufbahnen: Nach der Passage der Sonne fliegen sie wieder in das Weltall hinaus, ohne noch einmal in das innere Sonnensystem zurückzukehren. Wieso aber verlassen die in der Oorthschen Wolke vorhandenen Himmelskörper überhaupt ihre Position und fliegen in das Zentrum des Sonnensystems? Man nimmt an, dass Störungen durch in der „Nähe“ des Sonnensystems vorbeiziehende Sterne die Hauptursache dafür sind. Wenn ein solches Ereignis stattfindet kann es allerdings gleich ganze Kometenschwärme auslösen, die dann bei ihrem Flug durch das Sonnensystem durchaus auch Zusammenstöße mit den dortigen Planeten und Monden provozieren können. Glücklicherweise sind solche Ereignisse nur sehr selten, andernfalls wären die Konsequenzen für die Entwicklung des Lebens auf der Erde wohl katastrophal gewesen.
 
Heutzutage werden Kometen häufig durch die Raumsonde SOHO entdeckt, die permanent unsere Sonne beobachtet. Schon eine dreistellige Anzahl dieser Himmelskörper sind auf SOHO-Aufnahmen identifiziert worden, die sie beim Vorbeiflug oder auch beim Sturz in die Sonne zeigen.
 
Zusammensetzung
Kometen sind wie zu Beginn bereits angedeutet meist einige hundert Meter bis zu einigen Kilometern groß und von unregelmäßiger Gestalt. Sie sind außerhalb des Asteroidengürtels, wenn sie noch nicht aktiv sind – also noch keinen Schweif zeigen -, nur sehr schwer zu entdecken, da sie nicht nur äußerst klein sondern auch extrem dunkel sind: ihre Oberfläche ist oftmals dunkler als Steinkohle. Nach heutigen Erkenntnissen bestehen Kometen aus einer Mischung von Gestein und Eis, was bei Annäherung an die Sonne zum Ausgasen der flüchtigen Elemente und damit zur Bildung des oft mehrere Millionen Kilometer langen Schweifs führt.
 
Der vergleichsweise kleine und feste Kometenkern ist von einer Koma umgeben, die sich aus Wasser und verschiedenen Gasen zusammensetzt, die vom Kern abgegeben werden. Diese Koma ist vergleichsweise dicht, was die Beobachtung des Kometenkerns durch erdgebundene Teleskope sehr erschwert. Der Schweif setzt sich aus Staubteilchen und ionisierten Atomen zusammen und zeigt unabhängig von der Flugrichtung des Kometen immer von der Sonne weg, da er durch den von der Sonne ausgehenden „Sonnenwind“ erst verursacht wird.
 
Die Astronomen interessieren sich vor allem deswegen für Kometen, weil ihre Zusammensetzung im Vergleich zu der von Planeten oder Monden seit Entstehung des Sonnensystems kaum verändert worden ist. Natürlich sind sie selbst in den ungeheuren Entfernungen jenseits der Pluto-Umlaufbahn nicht frei von äußeren Einflüssen – Beispiele sind die energiereiche kosmische Strahlung oder auch das permanente Bombardement durch kosmischen „Sternenstaub“ -, aber im Vergleich zu den Einflüssen, die sämtliche Himmelskörper im inneren Sonnensystem alleine durch unser Zentralgestirn erfahren, ist diese Beeinträchtigung doch geringer.
 
Bisherige Forschungsmissionen
Die europäische Forschungsmission Giotto des Jahres 1986 war ein Pionier, da die Raumsonde bei einem Vorbeiflug in knapp 600 Kilometern Entfernung erstmals den Kern des Halleyschen Kometen detailliert fotografieren konnte. Zur selben Zeit waren zwei russische und zwei japanische Raumsonden mit gleichem Ziel unterwegs, doch am bekanntesten sind wohl die Aufnahmen der europäischen Raumsonde. Im Juli 1992 gelang der Sonde dann noch ein Vorbeiflug an dem Kometen Grigg-Skjellerup, dieses Mal in der bis heute unerreichten Distanz von weniger als 200 Kilometern. Da jedoch die Kamera während des Halley-Vorbeiflugs durch Staubpartikel des Kometen beschädigt worden war konnten von Grigg-Skjellerup keine Aufnahmen angefertigt werden.
 
Im Jahr 2001 flog dann die kleine amerikanische Raumsonde Deep Space 1 in nur 2.200 Kilometern Entfernung an dem Kometen Borrelly vorbei und machte faszinierende Aufnahmen dieses Himmelskörpers. Dieser Erfolg war umso erstaunlicher, als vorher während des Fluges von Deep Space 1 massive technische Probleme auftraten. Außer fotografischen Aufnahmen konnte die Raumsonde auch Ionen- und Elektronenmessungen im Umfeld des Kometen vornehmen und die Zusammensetzung des Kometenkerns mit einem Infrarot-Spektrometer analysieren. Wie schon Giotto mussten alle Messungen und Aufnahmen jedoch während eines relativ kurzen Zeitrahmens gemacht werden, da die Sonde mit hoher Geschwindigkeit an dem Kometen vorbeiflog.
 
Vor wenigen Wochen erst, am 2. Januar 2004, passierte dann die amerikanische Raumsonde Stardust ihren Zielkometen Wild 2 in nur 240 Kilometern Entfernung und machte dabei mit ihrer Navigationskamera beeindruckende Bilder des kartoffelförmigen Kometenkerns. Das eigentliche Ziel aber war das Sammeln von Kometenstaub mit Hilfe eines Tennisschlägergroßen Auffanggerätes, das anschließend in einer Kapsel versiegelt wurde und im Januar 2006 zur Erde zurückgebracht werden soll, um den Kometenstaub intensiv untersuchen zu können. Bisher ist die Mission trotz eines vergleichsweise kleinen Budgets exzellent gelaufen.
 
Die ebenfalls amerikanische Raumsonde Deep Impact wird zwar erst nach Rosetta Ende 2004 starten, ihren Zielkometen Tempel 1 jedoch bereits im Juli 2005 erreichen. In einem Aufsehen erregenden Experiment soll dann ein 350 Kilogramm schwerer Einschlagskörper von der Raumsonde gelöst werden und mit hoher Geschwindigkeit auf dem Kometen aufschlagen. Der dabei entstehende rund 25 Meter tiefe Krater soll zum einen aufgrund seiner Form und Größe Aufschluss über die Zusammensetzung des Kometenkerns geben, zum anderen sollen spektroskopische Untersuchungen des Auswurfmaterials ebenfalls etwas darüber preisgeben. Unabhängig von diesen wissenschaftlichen Zielen soll dabei auch gleich untersucht werden, inwieweit sich die Flugbahn eines solchen Himmelskörpers durch technische Mittel verändern lässt – „Armageddon“ und ähnliche Filme lassen grüßen.
 
Mit Rosetta ist nun erstmals der Orbit um einen Kometen und die Landung auf ihm geplant. Wenn diese anspruchsvolle Mission wie geplant ablaufen sollte wird unser Wissen über diese eindrucksvollen Boten aus den Tiefen des Weltalls deutlich anwachsen – und damit auch das Wissen über die Ursprünge unseres Sonnensystems.

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