Seit Anfang der Woche kann der Komet C/2012 S1 (ISON) wieder von der Erde aus beobachtet werden. Zusätzlich bereiten sich derzeit verschiedene Raumsonden auf die Ankunft dieses Kometen vor. Erste Beobachtungen sind dabei für die kommende Woche vorgesehen und werden vom Mars aus erfolgen.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, The Planetary Society.
Der am 21. September 2012 von den beiden Amateurastronomen Witali Njewski und Artjom Nowitschonok entdeckte Komet C/2012 S1 (ISON) nähert sich derzeit immer weiter dem inneren Bereich unseres Sonnensystems. Bereits im Mai 2013 hatte der Komet dabei eine Position am Himmel eingenommen, auf der er sich von der Erde aus betrachtet in der Nähe der Sonne befand, was eine erfolgreiche Überwachung durch erdgestützte Beobachter während der letzten Monate unmöglich machte.
Mittlerweile kann der Komet jedoch wieder von der Erde aus gesehen werden. Die ersten entsprechenden Aufnahmen gelangen dem US-amerikanischen Amateurastronomen Bruce Gary bereits am 12. August 2013, der den Kometen C/2012 S1 (ISON) an diesem Tag im Rahmen einer gezielten Suche mit einem Celestron-11-Teleskop – einem Teleskop mit einer Hauptspiegeldurchmesser von 28 Zentimetern – von seiner Hobbysternwarte aus „wiederentdeckte“. Auf den entsprechenden Aufnahmen ist der immer noch extrem lichtschwache Komet als ein Objekt mit einer Helligkeit von etwa 14 mag erkennbar, bei dem sich langsam ein Schweif ausbildet.
Auf seiner Umlaufbahn um die Sonne wird sich C/2012 S1 (ISON) dem Zentralgestirn unseres Sonnensystems am 28. November 2013 bis auf eine Distanz von etwa 1,8 Millionen Kilometern annähern. Professionelle wie Amateurastronomen rechnen damit, dass der Komet dabei einen spektakulären Anblick am Himmel bieten wird. Es wird erwartet, dass der Komet von Anfang November 2013 bis Mitte Januar 2014 mit dem bloße Auge zu sehen ist, wobei er kurzzeitig sogar die Helligkeit des Vollmondes erreichen könnte. Unter besonders günstigen Umständen könnte der Komet dabei Ende November während des Tages sogar als sogenannter „Tageskomet“ als heller Fleck neben der Sonne erkennbar sein.
Eine Grundvoraussetzung für ein spektakuläres Himmelsereignis im Dezember und Januar ist allerdings, dass der Komet diese Sonnenpassage übersteht und nicht durch die dabei auf den Kometenkern einwirkenden enormen Gravitationskräfte zerrissen wird. Unabhängig davon sind Prognosen über die zukünftige Helligkeitsentwicklung von Kometen allerdings extrem schwierig und führen aufgrund des immer noch geringen Wissens über die Kometen im Allgemeinen und einzelne Kometen im Speziellen sowie über die verschiedenen Prozesse, welche zur Ausbildung einer Koma und eines Kometenschweifes führen, zu fehlerhaften Vorhersagen.
Auch um das bisherige Wissen zu erweitern wird der Komet C/2012 S1 (ISON) deshalb in den kommenden Monaten ein bevorzugtes Ziel der Astronomen darstellen. Neben diversen erdgebundenen Großteleskopen werden dabei auch verschiedene Weltraumteleskope und Raumsonden zum Einsatz kommen.
Geplante Aufnahmen aus der Umlaufbahn des Mars
Eine der hierzu einzusetzenden Raumsonden befindet sich gegenwärtig etwa 2,355 Astronomische Einheiten – dies entspricht rund 352 Millionen Kilometern – von der Erde entfernt in einer Umlaufbahn um den Mars. Die von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Raumsonde Mars Reconnaissance Orbiter (MRO) soll den Kometen am 20. August 2013 mit einem der sechs an Bord dieses Marsorbiters mitgeführten Instrumente, der HiRISE-Kamera, abbilden.
Hierzu müssen die für die Steuerung des Orbiters verantwortlichen Mitarbeiter des in Pasadena/Kalifornien beheimateten Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA die Raumsonde jedoch zunächst entsprechend ausrichten. Der Orbiter befindet sich normalerweise in einer Orientierung im Raum, durch welche die verschiedenen Instrumente direkt auf die Marsoberfläche zeigen. Zwecks der erfolgreichen Beobachtung des Kometen muss der MRO so „gedreht“ werden, dass statt unseres Nachbarplaneten der Komet in das Aufnahmefeld der Kamera gerät. Außerdem muss berücksichtigt werden, dass die HiRISE-Kamera dazu ausgelegt ist, lediglich wenige 100 Kilometer entfernte Ziele in hoher Auflösung abzubilden. Der Komet ISON wird am 20. August jedoch fast 150 Millionen Kilometer von dem Marsorbiter entfernt sein.
Zu Beginn dieser Woche wurden am JPL verschiedene Simulationen durchgeführt, in deren Rahmen die verschiedenen für die Beobachtung notwendigen Steuerungssequenzen getestet wurden. Dabei wurden keine Fehler in den zuvor erstellten Kommando-Scripts entdeckt. Sofern es zu keinen kurzfristigen Änderungen in den Plänen kommt, wird die HiRISE-Kamera am 20. August ab 19.22 Uhr MESZ 13 Aufnahmen des Kometen anfertigen. Ab 21.00 Uhr MESZ soll der Orbiter dann wieder auf den Mars ausgerichtet werden und den reguläre Beobachtungsbetrieb der Marsoberfläche fortsetzen.
Bei diesen Beobachtungen handelt es sich allerdings nur um einen Testlauf. Aufgrund der großen Distanz zwischen dem Orbiter und dem Kometen werden die HiRISE-Aufnahmen über eine extrem geringe Auflösung verfügen, welche bei lediglich etwa 150 Kilometern pro Pixel liegen dürfte.
Anders wird sich die Situation dagegen am 2. Oktober 2013 gestalten. An diesem Tag wird sich der Komet C/2012 S1 (ISON) dem Mars bis auf eine Distanz von etwa 10,8 Millionen Kilometern annähern. Bereits einige Tage zuvor – am 29. September wird sich dem MRO die beste Sicht auf den Kometen bieten – sollen erneute Beobachtungen durchgeführt werden. Neben der HiRISE-Kamera wird dabei auch das CRISM-Spektrometer des Orbiters – ein mit 544 verschiedenen Spektralkanälen ausgestattetes Spektrometer zur Analyse von Mineralen auf der Marsoberfläche – Daten von ISON sammeln. Die dabei erwartete Auflösung der HiRISE-Kamera liegt bei etwa 10 Kilometern pro Pixel. Dies ist zwar zu wenig, um den etwa fünf Kilometer durchmessenden Kern des Kometen aufzulösen, reicht aber aus, um vermutlich spektakuläre und zudem wissenschaftlich relevante Aufnahmen von der Koma und dem Schweif anzufertigen.
Ebenfalls zur Beobachtung des Kometen sollen zudem die beiden derzeit aktiven Marsrover Opportunity und Curiosity eingesetzt werden. Auch die Hauptkameras dieser beiden ebenfalls von der NASA betriebenen Rover sollen Aufnahmen von ISON anfertigen. Etwas unklar ist dagegen bisher die Lage bei dem zweiten derzeit von der NASA betriebenen Marsorbiter, der Raumsonde Mars Odyssey. Sollte sich in den kommenden Wochen zeigen, dass der Komet ohne zusätzlichen Aufwand auch in deren Aufnahmebereich gerät, so sind Beobachtungen durch deren THEMIS-Spektrometer – auch dieses dient der Analyse von Mineralen auf dem Mars – vorgesehen. Ein spezielles Manöver, durch welches Mars Odyssey auf ISON ausgerichtet würde, ist dagegen aufgrund des fortgeschrittenen Alters dieses dienstältesten Marsorbiters nicht vorgesehen.
C/2012 S1 (ISON)
Der Komet C/2012 S1 (ISON) gehört zu den langperiodischen Kometen, welche sich auf extrem langgestreckten Umlaufbahnen um die Sonne bewegen. Er stammt somit sehr wahrscheinlich aus der Oortschen Wolke – einem Bereich des äußersten Sonnensystems, welcher vermutlich die Heimat von mehreren 100 Milliarden Kometen darstellt. Durch gravitative Störungen werden die Umlaufbahnen dieser Kometen gelegentlich verändert, wodurch einige von ihnen in das innere Sonnensystem abgelenkt werden können. Die dabei erreichten Umlaufperioden dieser Kometen können dann von einigen zehntausend Jahren bis hin zu mehreren Millionen Jahren betragen.
Die bisherigen Berechnungen der Umlaufbahn von C/2012 S1 (ISON) haben ergeben, dass der Komet sich jetzt – mehr als 4,5 Milliarden Jahre nach seiner Entstehung – möglicherweise das erste Mal der Sonne nähert. Aus diesem Grund gehen die Kometenforscher davon aus, dass der Kern von C/2012 S1 (ISON) noch über seine ursprüngliche Oberflächenzusammensetzung verfügt, welche große Mengen an leichtflüchtigen Stoffen wie gefrorenes Kohlendioxid oder Wassereis enthalten dürfte.
Der Oktober 2014
Die jetzt bevorstehende dichte Passage von C/2012 S1 (ISON) am Mars ist allerdings nur das Vorspiel für ein noch „größeres“ Ereignis. Bereits im Oktober 2014 wird ein weiterer „Schweifstern“, der Komet C/2013 A1 (Siding Spring), unseren äußeren Nachbarplaneten in einer Entfernung von wahrscheinlich lediglich etwa 100.000 bis 130.000 Kilometern passieren (Raumfahrer.net berichtete). Dabei, so die aktuellen Prognosen, dürfte die HiRISE-Kamera eine maximale Auflösung von sogar etwa 100 Metern pro Pixel erreichen. Auch während dieser nächsten Kometenpassage am Mars sind zusätzliche Beobachtungen durch die dann aktiven Marsorbiter und -rover vorgesehen.
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