Kollisionswolke statt Kometenschweif

Im Asteroidengürtel erschien Anfang Januar ein längliches unscharfes Objekt, einem Kometenschweif nicht unähnlich. Kometen können hier kaum auftreten: Eine gestochen scharfe Aufnahme des Hubble-Teleskops zeigte nun, dass es erstmalig gelang, die Auswirkungen einer Kollision im Asteroidengürtel zu beobachten.

Ein Beitrag von Karl Urban. Quelle: NASA, Universetoday. Vertont von Peter Rittinger.

Am 6. Januar vermeldete das US-Programm zur Himmelsdurchmusterung Lincoln Near Earth Asteroid Research (LINEAR) die Entdeckung eines neuen, bisher unbekannten Kometen. Während LINEAR nach Gesteinsbrocken Ausschau hält, die potentiell die Erdbahn kreuzen könnten, ist das neu entdeckte und P/2010 A2 getaufte Objekt sichere 140 Millionen Kilometer von uns entfernt. Es ist in der inneren Randregion des Asteroidengürtels zwischen Mars und Jupiter anzutreffen.

Hubble, NASA, ESA
Hubbles Falschfarbenaufnahme im sichtbaren Spektralbereich zeigt Filamentstrukturen, die vermutlich durch den Strahlungsdruck der Sonne entstanden. Die Verklumpungen bildeten sich um nicht sichtbare Gesteinsbrocken.
(Bild: Hubble, NASA, ESA)

Einen Kometen im Asteroidengürtel zu finden, ist aber äußerst unwahrscheinlich. Die mobilen Objekte aus den Jugendtagen des Sonnensystems entstammen der Oortschen Wolke und dem Kuipergürtel am Rande des Sonnensystems und sind meist überkrustet von einer Mischung aus Eis und Staub. So weit draußen ist die Sonne zu schwach, um flüchtige Gase und Wassereis auszutreiben. Kometen bilden ihren charakteristischen Schweif erst aus, wenn sie der Sonne zu nahe kommen. Dann verdampft der Eispanzer. Dies ist für ein Objekt im Asteroidengürtel innerhalb der Jupiterbahn äußerst unwahrscheinlich. Hier ist es einfach zu warm: Asteroiden sind deswegen deutlich trockener als ihre Kollegen aus der Peripherie des Planetensystems, sie haben die flüchtigen Stoffe schon vor langer Zeit verloren. Selbst wenn sie der Sonne eine Stippvisite abstatteten, würden sie kaum einen Schweif ausbilden.

Spacewatch, University of Arizona
Eine frühe Aufnahme von P/2010 A2: Kaum von einem Kometenschweif zu unterscheiden.
(Bild: Spacewatch, University of Arizona)

Mehrtägige Beobachtungen bestätigten nun, dass tatsächlich kein Komet in den Asteroidengürtel eingedrungen ist. Die Bahn der Wolke deckt sich mit jener der Flora-Gruppe. Das sind Gesteinskörper im inneren Bereich des Asteroidengürtels, die etwa fünf Prozent aller Asteroiden stellen. Ein von außen eingedrungener Komet hätte eine völlig andersartige Bahncharakteristik. Also muss zwischen bisher nicht bekannten Mitgliedern der Flora-Gruppe etwas vorgefallen sein.

Am Dienstag sind nun Aufnahmen des Hubble-Teleskops von P/2010 A2 veröffentlicht worden, die viele neue Details enthalten. „Der Staub unterscheidet sich deutlich von den diffusen Wolken, die normale Kometen umgeben“, erklärt David Jewitt von der Universität von Kalifornien in Los Angeles. „Die Wolke besteht aus Staub und Gestein, die erst vor Kurzem aus dem Nukleus entwichen sind.“

Mit Nukleus meint Jewitt einen bisher unbekannten, 140 Meter großen Gesteinskörper. Er scheint der Ausgangspunkt der Wolke zu sein, da er sich an einem der Enden der langgestreckten, X-förmigen Wolke befindet, die von mehreren Filamenten durchzogen wird. Auch die Form unterscheidet sie von einem handelsüblichen Kometenschweif. „Manche dieser Filamente werden durch den Strahlungsdruck des Sonnenlichts zurückgeworfen, was die Streifen hervorruft. In sie sind kleine Verklumpungen aus Staub eingebettet“, so Jewitt weiter.

Diese Interpretation wird von spektroskopischen Messungen gedeckt: Die Staubwolke enthält kaum flüchtige Gase und Wasserdampf, die in Kometenwolken zu den Hauptbestandteilen gehören. Wenn ein schmelzender Eispanzer als Ursache ausscheidet, muss der Staub durch rohe Gewalt ins All geschleudert worden sein: Mindestens fünf Kilometer pro Sekunde dürfte die Geschwindigkeitsdifferenz beider Körper betragen haben.

Solche Kollisionen passierten vor wenigen Milliarden Jahren ständig. Heute sind sie zur Seltenheit geworden. Obwohl der Begriff Asteroidengürtel nahelegt, dass die Gesteinsbrocken dicht an dich liegen, befindet sich hier sehr viel leerer Raum zwischen den Asteroiden. Daher wusste man bisher auch nicht, was genau in den beschleunigten Staubwolken passiert, auch wenn ähnliche Phänomene schon 1996, 2002, 2005 und 2008 beobachtet worden sind. Anders als bei P/2010 A2 ist man sich jedoch nicht sicher gewesen, ob wirklich eine Kollision stattgefunden hatte.

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