Der achtgrößte Saturnmond Hyperion war etwa drei Jahre lang Gegenstand verschiedener Cassini-Vorbeiflüge und -Messungen. Der dichteste Vorbeiflug fand im September 2005 statt. Zwei Publikationen mit den ausgewerteten Ergebnissen dieser Messungen sind am 5. Juli 2007 im wissenschaftlichen Magazin „Nature“ erschienen.
Ein Beitrag von Kirsten Müller. Quelle: ciclops.org; NASA/JPL
Hyperion hat einen ungeregelten Spin und umkreist den Saturn einmal in 21 Tagen. Besonders zeichnet er sich durch seine poröse, schwammähnliche Struktur aus. Grund für diese Struktur, so die Wissenschaftler, ist seine geringe Dichte, welche etwa die Hälfte jener von Wasser beträgt. Dies konnte beim Flyby im September 2005 festgestellt werden, bei dem genaue Messungen der Masse und Größe des Mondes durchgeführt wurden.
„Während des Vorbeiflugs verursachte der Mond eine winzige, aber messbare Abweichung von Cassinis Umlaufbahn. Anhand dieser Abweichung konnten unsere italienischen Kollegen die Masse relativ genau berechnen“, sagt Nicole Rappaport, stellvertretende Leiterin des Cassini Radio Science Team beim Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, Kalifornien. „Aus Bildaufnahmen ließ sich außerdem Hyperions Volumen bestimmen, woraus sich schließlich die Dichte errechnen ließ.“
Nach anfänglichen Vermutungen war die Ursache von Hyperions ungewöhnlicher Oberfläche dunkel gefärbtes Material, das sich erst auf den Böden von Kratern bildet und durch die Einwirkung von Sonnenlicht tiefer in die Oberfläche einschmilzt. Den neuen Messungen zufolge sorgen jedoch die niedrige Dichte und folglich die niedrigen Anziehungskräfte an der Oberfläche des Mondes dafür, dass die Krater, die sich auf Hyperion bilden, anders aussehen als die Krater auf anderen, dichteren Himmelskörpern im Sonnensystem. Schlägt ein Objekt auf Hyperions poröser Oberfläche ein, bildet es einen Krater, indem es die Oberfläche „eindrückt“, statt durch seinen Einschlag andere Materie wegzustoßen. Außerdem verschwindet durch die niedrige Gravitation des Mondes viel Materie, die durch den Einschlag weggeschleudert wird, in den Weltraum, statt auf den Mond zurückzufallen. Dadurch sehen Hyperions Krater ausgeprägter aus als bei anderen Himmelskörpern und sind nicht so sehr von Staub und Abfall umgeben.
Auch wurde die Zusammensetzung des Mondes erforscht. So wurden, neben Wasser- und Kohlenstoffdioxideis, in den Kratern Kohlenwasserstoffe entdeckt.
Damit ist Hyperion ein weiterer Ort in unserem Sonnensystem, auf dem Chemikalien vorkommen, welche die Basis für Leben bilden. „Die Anwesenheit dieser Kohlenwasserstoffe ist besonders interessant für uns, da sie auch in Kometen, Meteoriten und dem Staub in unserer Galaxie vorkommen“, so Dale Cruikshank, Planetenwissenschaftler beim NASA Ames Research Center in Moffett Field, Kalifornien, Hauptautor der Nature-Veröffentlichung. „Wenn man diese Moleküle in Eis einbettet und mit ultraviolettem Licht bestrahlt, bilden sich neue, biologisch signifikante Moleküle. Das braucht nicht zu bedeuten, dass wir jetzt Leben gefunden haben, ist aber ein weiteres Indiz dafür, dass die grundlegende Chemie für Leben im Universum weit verbreitet ist.“
Cassinis Ultraviolett-Spektrograph und Visual and Infrared Mapping Spectrometer, mit denen sich die chemischen und mineralischen Eigenschaften des Mondes untersuchen lassen, haben verschiedene Variationen in der Zusammensetzung von Hyperions Oberfläche festgestellt. So wurde Wassereis gefunden, ebenso wie festes Kohlenstoffdioxid (Trockeneis), das sich auf unerwartete Weise mit dem Wassereis gemischt hat. Messungen der hellsten Regionen von Hyperions Oberfläche zeigen kristallines Wassereis, genau wie auf der Erde.
„Größtenteils besteht Hyperions Oberfläche aus einer Mischung von Wassereis und organischem Staub, allerdings ist auch viel gefrorenes Kohlenstoffdioxid vorhanden. Es ist kein reines Kohlendioxid, sondern hängt irgendwie mit anderen Molekülen zusammen“, erklärt Cruikshank.
Frühere Messdaten von anderen Saturnmonden sowie von den Jupitermonden Callisto und Ganymed lassen vermuten, dass das molekulare Kohlenstoffdioxid auf verschiedene Arten mit anderen Oberflächen „Komplexe“ bildet oder sich dort anhängt. Cruikshank: „Wir nehmen an, dass einfaches Kohlendioxid längerfristig von den Monden des Saturn verdampft. Hängt es jedoch mit anderen Molekülen zusammen, ist es viel stabiler.“
Amanda Hendrix, Cassini-Wissenschaftlerin am Ultraviolet Imaging Spectrograph beim JPL in Pasadena, Kalifornien: „Der Hyperion-Vorbeiflug war ein schönes Beispiel dafür, was Cassinis Instrumente bei verschiedenen Wellenlängen vermögen. Bei dieser allerersten Ultraviolett-Beobachtung von Hyperion gibt uns die Entdeckung von Wassereis Informationen über die variierende Zusammensetzung dieses bizarren Himmelskörpers.“
Auch über den Mond Iapetus wurden Berechnungen angestellt. Bei einem Flyby Silvester 2004 stellte Cassini fest, dass dieser Mond die Form einer Walnuss hat mit einer Erhebung in seinen mittleren Regionen. Außerdem hat er eine Bergkette genau an seinem Äquator.
In seinen, für astronomische Begriffe, „Teenagerjahren“ ist der Mond quasi „schockgefroren“ worden und hat dadurch seine jugendliche Gestalt mehr als drei Milliarden Jahre lang behalten können, so die Wissenschaftler. Julie Castillo vom Jet Propulsion Laboratory in Pasadena, Kalifornien: „Iapetus drehte sich schnell um seine eigene Achse, fror in jungen Jahren ein und behielt dabei einen Körper mit bleibenden Rundungen.“ Anders als die anderen Monde im Sonnensystem hat Iapetus damit die gleiche Form wie früher, als er erst 100 Millionen Jahre alt war, und ist somit ein gut erhaltenes Relikt aus der Zeit, als das Sonnensystem noch jung war. Diese Ergebnisse erschienen in der Online-Version des Journals Icarus.
Wie die Wissenschaftler jetzt annehmen, weisen die Erhebungen in der Mitte sowie die langsame Drehung des Mondes auf Erhitzung durch radioaktive Elemente in der Entstehungszeit des Sonnensystems hin, die mittlerweile lange zerfallen sind. „Wie haben mit Modellen nachvollzogen, wie sich auf Iapetus durch seine Eigenrotation der große Buckel gebildet hat und wie sich seine Rotation auf die heutigen achtzig Tage verlangsamt hat. Außerdem hat uns der Mond netterweise sein Alter verraten“, sagt Dennis Matson, Cassini-Wissenschaftler am JPL. „Von einem schnell rotierenden Mond könnte man eine solche Unebenheit erwarten, aber nicht von einem langsam rotierenden – da wäre die Unebenheit viel flacher.“
Ursprünglich drehte sich der Mond, nach den Berechnungen der Wissenschaftler, viel schneller um seine Achse – mit mindestens fünf, aber auf jeden Fall weniger als sechzehn Stunden pro Umdrehung. Durch die schnelle Umdrehung bekam der Mond die Form einer Oblate, und seine Oberfläche vergrößerte sich genauso, wie sich die Oberfläche eines runden Ballons vergrössert, wenn man ihn an beiden Seiten eindrückt. Als sich die Rotation des Mondes auf 16 Stunden verlangsamt hatte, war seine äußere Schale mittlerweile gefroren. Außerdem hatte sich durch die Abkühlung die Oberfläche des Mondes verkleinert. Das überschüssige Oberflächenmaterial war zu starr, um sich in den Mond einzupassen. Stattdessen stapelte es sich als Bergkette am Äquator auf.
„Iapetus’ Entwicklung hat sprichwörtlich mittendrin aufgehört“, so Castillo. „Damit Gezeitenkräfte seine Rotation verlangsamen, hätte der Mond eine viel höhere Innentemperatur haben müssen, in etwa den Gefrierpunkt von Wasser.“ Während der Entwicklung eines Modells über das schnelle Gefrieren von Iapetus lag die Herausforderung darin, zuerst einmal herauszufinden, wie er überhaupt so warm wurde, dass sich auf ihm die Wölbung bilden konnte, und dann, wie diese Wärme wieder verschwinden konnte, damit Iapetus gefrieren konnte.
Die Wärmequelle muss sehr kurzlebig gewesen sein, wenn sich die Kruste so schnell abgekühlt und seine so ursprüngliche Form erhalten hat. Nach dem Betrachten verschiedener Modelle kamen die Wissenschaftler zu dem Schluss, dass die Wärme aus Iapetus’ Gestein gekommen sein muss, wo sich die für geologische Begriffe sehr kurzlebigen Isotope Aluminium-26 und Eisen-60 befinden. Da die Halbwertszeit dieser Isotope bekannt ist, gelang es den Wissenschaftlern anhand des Aluminium-26 mit Hilfe einer Art „Radiocarbonmethode“ das Alter des Mondes auf etwa 4.564 Milliarden Jahre zu schätzen.
Hinweise auf die gleichen Isotope, Aluminium-26 und Eisen-60, sind in Meteoriten im inneren Sonnensystem gefunden worden. So ist es möglich, die frühe Entstehungsgeschichte des äußeren Sonnensystems mit Objekten im inneren Sonnensystem, wie der Erde, dem Erdmond und von Asteroiden, zu vergleichen.
Matson: „Dies ist der erste direkte Beweis über die frühe Geschichte der Rotation bei einem Satelliten im äußeren Sonnensystem. Er lehrt uns mehr über den Einfluss der Rotationsgeschwindigkeit eines Körpers auf seine Evolution und erweitert unser Wissen über die Frühgeschichte von Planetenmonden im äußeren Sonnensystem.“
Am 10. September 2007 wird Cassinis nächste Begegnung mit Iapetus stattfinden, wenn sich die Sonde dem Mond auf bis 1000 km nähern wird.