Knochenschwund bei Astronauten macht Sorgen

Sind große Knochen stärkere Knochen? Nicht notwendigerweise, einer neuen NASA-Studie zufolge, die Astronauten wie Thomas Reiter die Gesundheit ihrer Knochen erhalten will.

Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: NASA.

NASA
DEXA-Röntgenscans eines Hüftknochens und einer Wirbelsäule.
(Bild: NASA)

Dass Astronauten sich nach der Rückkehr von langen Weltraummissionen nur mühsam auf den Beinen halten können, hat man zuletzt wieder bei dem deutschen ESA-Langzeitraumfahrer Thomas Reiter gesehen, der auf das triumphale Verlassen des Shuttles zusammen mit seinen weniger raumerfahrenen Kollegen verzichten musste. Aber nicht nur die Muskeln von Astronauten sind von der Schwerelosigkeit betroffen, sondern auch ihre Knochen, und das ist auf lange Sicht wahrscheinlich sogar das größere Problem.

Eine vierjährige Studie zu den langfristigen Auswirkungen der Schwerelosigkeit zeigte jetzt, dass sich bei Langzeit-Besatzungsmitgliedern der Internationalen Raumstation (ISS) die Hüftknochen um immerhin durchschnittlich 11 Prozent abbauten.

Die Untersuchung fand auch, dass sich ein Jahr nach der Rückkehr zur Erde zwar ein Großteil des verlorenen Knochenmaterials regeneriert hatte. Struktur und Dichte der Knochen hatten sich gegenüber dem Zustand unmittelbar nach der Landung deutlich verbessert, waren aber noch nicht wieder hundertprozentig auf dem alten Stand. Die Forscher meinen, dass es deutlich länger als ein Jahr dauern dürfte, bis die alte Stärke des Hüftknochens wieder erreicht ist.

Die Ergebnisse der Untersuchung sind wichtig im Hinblick auf einen Langzeitflug zum Mars und zurück. Schon nach dem wahrscheinlich jahrelangen Hinflug steigt die Gefahr eines Knochenbruchs – auf dem Mars, wo der Astronaut ihn am wenigsten brauchen kann. Und nach dem ebenso langen Rückflug zur Erde mit ihrer ungleich höheren Schwerkraft wächst das Risiko erst recht.

Auch bei Menschen, die die Erde nie verlassen, ist Knochenschwund keine Seltenheit. Ärzte behandeln Millionen von Frauen und Männern wegen Osteoporose – einer Krankheit, bei der Knochenschwund dazu führt, dass Knochen poröser werden und leichter brechen. Die Auswirkungen sind vergleichbar: Daten der NASA-Untersuchung zeigen, dass ISS-Crewmitglieder in einem Monat im Schnitt soviel Knochenmasse verloren wie eine ältere Frau in einem ganzen Jahr. Obwohl gesunde Astronauten während ihres vier- bis sechsmonatigen Aufenthalts keineswegs Osteoporose bekamen, war der Grad ihres Knochenschwunds doch hoch genug, um Befüchtungen wachsen zu lassen, dass sie schon unter relativ leichter Belastung, wie sie etwa beim Arbeiten, Heben, oder auch Hinfallen auftreten kann, Knochenbrüche erleiden könnten.

„Der Erfolg bemannter Forschungsmissionen hängt davon ab, Gegenmaßnahmen für diese Effekte zu finden“, sagte Julie Robinson, ISS-Programm-Wissenschaftlerin am Johnson-Weltraumzentrum der NASA in Houston. „Es gibt bedeutende Synergien zwischen der Osteoporoseforschung auf der Erde und den Knochenstudien an ISS-Astronauten. Die Forschungsgebiete ergänzen einander.“

Die Untersuchung war eine der ersten des Human-Research-Programms, das an Bord der Raumstation durchgeführt wurde. Dieses Programm überwacht diverse Gesundheitsexperimente an Astronauten, um deren Gesundheitsrisiken beim Einsatz im Weltraum zu verstehen und zu minimieren.

Beginnend mit der Expedition 2 von März bis August 2001 bis zur Expedition 8 von Oktober 2003 bis April 2004 nahmen 16 Besatzungsmitglieder an der Studie teil. Die Forschung konzentrierte sich auf ihre lasttragenden Knochen, darunter vor allem den Hüftknochen, da frühere Untersuchungen gezeigt hatten, dass dieser den höchsten Knochmassenverlust im Verlauf einer Raummission erleidet. Gleichzeitig ist er auch die am meisten von Osteoporose betroffene Stelle des menschlichen Skeletts bei älteren Menschen.

Die Knochen jedes Astronauten wurden dreimal vermessen: Vor und nach ihrer Mission sowie ein Jahr nach ihrer Rückkehr zur Erde. Der Forschungsleiter dieses Experiments, Dr. Thomas Lang von der Universität von Kalifornien, nutzte eine fortgeschrittene Röntgentomografie-Technik, um den Wiederaufbau verlorener Knochenmasse und Änderungen in Größe und Stärke der Knochen zu charakterisieren. Die Technik liefert eine Serie von Querschnitten durch den Hüftknochen, die dreidimensionale Messungen ohne Beeinflussung durch umliegendes Gewebe erlaubt. Lang nutzte die Röntgentechnologie, um die dichten äußeren (kortikalen) und die poröseren inneren (trabekularen) Schichten des Knochens separat zu vermessen und so den Knochenmasseverlust in Hüfte und Wirbelsäule zu bestimmen. Mit der dreidimensionalen Tomografie kann man herausfinden, ob der Verlust in einem Teil des Knochens ausgeprägter ist als in einem anderen.

„Es gibt Hinweise aus der Altersforschung, dass sich Knochen als Ausgleich für Knochenmasseverlust vergrößern. Wir vermuten, dass etwas Ähnliches geschehen würde, wenn Crewmitglieder nach Langzeitflügen in die Schwerkraft zurückkehren“, sagte Lang. „Unsere einjährigen Messungen wären konsistent mit einem solchen Zuwachs der Knochengröße; allerdings dürfte dieser Zuwachs nicht genug sein, um die volle Stärke des Hüftknochens wiederherzustellen. Wir werden mit den Knochendichtemessungen weiter machen, um zu ermitteln, wie viel länger es dauert, um sowohl die Knochen als auch ihre Stärke wiederherzustellen, und ob diese strukturellen Änderungen von Dauer sind.“

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