Mit dem Weltraumteleskop Kepler ist es 2011 erstmals gelungen, den theoretisch angenommenen Lichtblitz einer beginnenden Supernova zu beobachten. Ein Glücksfall, der neben den optischen Möglichkeiten des Teleskops auch der (damals) konstanten Ausrichtung und der vergleichsweise hohe Aufnahme-Frequenz zu verdanken war.
Erstellt von Roland Rischer. Quelle: NASA, Garnavich et al.
Im Jahr 2011 hat das 2009 gestartete Kepler-Weltraumteleskop erstmals den Blitz der Schockwelle einer beginnenden Supernova – Ergebnis eines Schockwellendurchbruchs an der Sternenoberfläche – im sichtbaren Wellenlängenbereich dokumentiert. Die umfangreichen Kepler-Daten aus der ersten, ursprünglichen Mission (bis zum Teilausfall seiner Lageregelung 2013), die eigentlich der Entdeckung von Exoplaneten dienen, werden schon länger von Gast-Beobachterteams hinsichtlich möglicher Sternenexplosionen oder auch Supernovae ausgewertet.
So auch ein Team um den Astrophysiker Peter Garnavich an der University of Notre Dame in Indiana, USA. Es analysiert die Daten, die das Kepler-Weltraumteleskop über drei Jahre hinweg alle 30 Minuten aus einem konstanten Sichtfeld mit rund 500 Galaxien und etwa 50 Billionen Sternen lieferte. Er und andere arbeiten im Kepler Extragalactic Survey oder kurz KEGS. Gesucht werden von KEGS unter anderem Hinweise auf Supernovae. Da benötigt man natürlich eine so große Stichprobe, um wenigstens die Chance auf ein paar ungewöhnliche Ereignisse zu haben, die man sich dann näher anschaut. Tatsächlich konnte der Explosionsablauf zweier roter Riesensterne aus dem Datenmaterial herausgefiltert und analysiert werden.
Allein die Zahlenverhältnisse zeigen, was für ein gigantischer Glücksfall vorliegt. Die Beobachtung von Supernovae ist an sich schon selten, und wenn, sieht man sie meist im fortgeschrittenen Stadium. Eine beginnende Supernova hat bereits nach wenigen Tagen ihre maximale Leuchtkraft erreicht und der Blitz der Schockwelle ganz am Anfang dauert nur 20 Minuten. Will man eine Supernova von Anfang an sehen, weil gängige Theorien zum Ablauf nur dann eine Bestätigung finden können, muss man zur richtigen Zeit in die richtige Richtung schauen. Mit dem Kepler-Teleskop ist das, wie man nun weiß, 2011 im sichtbaren Wellenlängenbereich des Lichtes gelungen.
Nicht zu vernachlässigender Nachteil dieser ziemlich verzögerten Datenanalyse: Eine ad hoc initiierte Parallel-Verfolgung der Ereignisse durch irdische Observatorien ist nicht möglich.
Beobachtet wurden zwei Sternenexplosionen. Sie betrafen zum einen den Stern KSN2011a, rund 300 Mal größer als unsere Sonne und 700 Millionen Lichtjahre von der Erde entfernt. Zum anderen entwickelte sich KSN2011d, 500 Mal größer als die Sonne und in einer Entfernung von 1,2 Milliarden Lichtjahren, zu einer Supernova. Der Sternenumfang vor der Explosion ist in beiden Fällen größer als die Erdumlaufbahn.
Beide aufgezeichneten Supernovae entsprechenden dem Typ II, dessen Kennzeichen ist, dass den ständigen Kernfusionsprozessen im Inneren eines roten Riesensterns der Brennstoff ausgeht. Die Schwerkraft lässt den über mehrere Fusionsstufen entstandenen Eisenkern in sich zusammenbrechen und löst damit eine Explosion aus, bei der sich der Stern selbst zerlegt. Die Aufzeichnung des Lichtblitzes der Schockwelle als frühes optisches Anzeichen einer Sternenexplosion gelang bei dem größeren der beiden Sterne und ist ein Meilenstein in der astronomischen Forschung, denn er bestätigt Theorien über den Ablauf eines Supernova-Prozesses. Von KSN2011d lagen aus der Phase zwischen beginnender Aufhellung und maximaler Helligkeit rund 500 photometrische Messungen vor. Der gemessene Anstieg entspricht den theoretischen Aussagen von I. Rabinak und E. Waxmann aus 2011 bezüglich Supernova-Abläufen bei roten Riesensternen. Zusätzlich gab es aber eine auffällige Abweichung in den Daten zur Zeit des theoretisch vermuteten Schockwellen-Durchbruchs an der Sternenoberfläche. Sieben photometrische Messungen wiesen kurz nach Zeitpunkt T0 (der Kernkollaps) signifikant höhere Helligkeitswerte aus und können damit aus wissenschaftlicher Sicht als der Lichtblitz des Schockwellendurchbruchs gewertet werden. Der Blitz entsprach zwölf Prozent der maximalen Supernova-Helligkeit. Statistisch nicht nachgewiesen werden konnten theoretisch zu erwartende Strahlungsvorläufer des Schockwellendurchbruchs. Die Schockwelle aus dem Eisenkernzusammenbruch läuft langsamer nach außen als die freigesetzten Photonen. Diese müssten Stunden vor dem Schockwellendurchbruch registriert werden können.
Die beiden Supernovae zeigten allerdings unerwartete Unterschiede. Während beide Explosionen eine ähnliche Energie entwickelten, konnte bei dem kleineren Stern keine Schockwelle aufgezeichnet werden. Die Wissenschaftler vermuten, KSN2011a könnte von einer Materiewolke umgeben gewesen sein, die den Schockwellen-Blitz verschluckt hat, als er die Sternenoberfläche erreichte. „Das ist eines der Rätsel in unseren Daten“, so Garnavich. „Man sieht zwei Supernovae und registriert verschiedene Dinge.“
Die Erforschung von Supernovae dient unter anderem dem besseren Verständnis der Verteilung schwerer chemischer Elemente in räumlicher und zeitlicher Hinsicht in unserer Heimatgalaxie. Das wiederum könnte ein Baustein zur Erklärung unseres Daseins sein, denn schwere Elemente sind durchweg Ergebnis von Sternenexplosionen und die Grundlage des Lebens in unserem Sinne, betont NASA-Wissenschaftler Steve Howell, am Ames Research Center der NASA im Silicon Valley für die Kepler-Mission zuständig.
Die Analyse der Daten aus der ersten Kepler-Mission bis 2013 durch KEGS steht kurz vor dem Abschluss. Der Kepler-Einsatz mit dem ursprünglichen wissenschaftlichen Beobachtungsprogramm musste 2013 nach dem Ausfall von zwei der vier Reaktionsräder zur Lagestabilisierung des Satelliten aufgegeben werden. Das Problem der Lagestabilisierung konnte jedoch durch eine spezielle Ausrichtung mit dem Ziel einer gleichmäßigen Verteilung des Strahlungsdrucks der Sonne auf die Sonde insoweit gelöst werden, dass das Kepler-Teleskop unter angepasster wissenschaftlicher Zielsetzung für eine Mission K2 nutzbar wurde. Der wesentliche Unterschied zu vorher ist ein alle 83 Tage wechselndes Sichtfeld. Das KEGS-Team wird auf der Suche nach weiteren Supernovae also weiterhin genügend Kepler-Daten durchkämmen können. Bei Ames-Research erwartet man von der Kepler-K2-Mission trotz Sichtfeldwechsel Dutzende weiterer Supernova-Beobachtungen. Mit viel Glück dürfte auch wieder ein Schockwellen-Blitz dabei sein.
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