Wenn am 15. Februar 2011 das unbemannte europäische Transportschiff Johannes Kepler (ATV 2) von einer Ariane-5-Rakete ins All transportiert wird, verfolgt eine Station auf der portugiesischen Insel Santa Maria die Flugbahn der Rakete mit ihrer Nutzlast.
Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: ESA.
Im Jahr 2008 war die Station auf der Azoreninsel Santa Maria in der Nähe des rund 3.000 Einwohner zählenden Ortes Vila do Porto in Betrieb genommen worden. Integriert ist sie in das Bahnverfolgungsnetz der Europäischen Raumfahrtagentur (ESA), genannt ESTRAC. Mit der 5,5 Meter durchmessenden Antenne leistet Santa Maria grundlegende Unterstützung bei der Starts von Ariane-5-Raketen, wie zum Beispiel beim bevorstehenden Ariane-Flug Nr. V200, bei dem das ATV 2 auf den Weg zur Internationalen Raumstation (ISS) gebracht werden soll.
Mit einem Startgewicht von etwas über 20 Tonnen, Treibstoffe, Nahrungsmittel und weitere Fracht für die ISS eingeschlossen, ist das ATV das größte und ausgeklügeltste Raumfahrzeug, das in Westeuropa je gebaut wurde. Johannes Kepler, das zweite aus der Serie dieser Transportschiffe, ist für einen Start am 15. Februar 2011 vorgesehen. Am 23. Februar 2011, also 8 Tage später, soll es an die ISS ankoppeln. Bis Juni 2011 unterstützt es die ISS dann nicht nur durch die mitgebrachten Versorgungsgüter, sondern auch durch mit eigenen Triebwerken ausgeführten Anhebungen der Bahn der Station.
Die ISS kreist auf einer Bahn mit einer Neigung von 51,6 Grad gegen den Äquator um die Erde. Auf eine ebensolche Bahn muss ein ATV gebracht werden, wenn es die ISS anfliegen soll. Um ein ATV in einen Orbit zu bringen, aus dem es die ISS erreichen kann, muss die Ariane 5 eine Flugbahn verfolgen, die sie wenige Minuten nach dem Start in Kourou auf Französisch-Guayana fast direkt über Santa Maria führt.
Wegen dieses Weges, den die Ariane mit ihrer Nutzlast nimmt, war es erforderlich, ein neues Netzwerk von Bahnverfolgungsstationen einzurichten, um in Echtzeitdaten über den Flugverlauf an die Kontrollzentren übermitteln zu können. Bei ATV-Starts geben Bahnverfolgungsstationen der ESA in Übersee Daten an die französische Raumfahrtagentur (CNES) weiter.
In der kommenden Woche wird eine Ariane 5 mit Kepler an Bord in 130 Kilometern Höhe über Santa Maria hinweg ziehen und dabei für rund 8 Minuten im Sichtfeld der Antenne der Bahnverfolgungsstation auf der Insel sein. Während des Überflugs wird die Station sekundengenaue Informationen über den Zustand der Systeme der Ariane 5, beispielsweise aus den Bereichen Antrieb, Lenkung und Navigation, empfangen.
Nach dem Passieren der Insel wird V200 Europa und Südostasien überfliegen. Ist erst einmal Australien erreicht, überwachen eine mit einer 15 Meter durch-messenden Antenne ausgestattete Station im australischen Perth und eine mobile Station bei Awaroa, Neuseeland, den Flug.
Wurde die Erde dann einmal umrundet, befindet sich das ATV bereits im Alleinflug. In 250 Kilometern Höhe zieht es, wieder im Empfangsbereich von Santa Maria, über die Erde, während die abgetrennte Raketenoberstufe auf dem Weg zurück zur Erde ist. Im Verlauf ihres zweiten Erdumlaufs wird sie wieder in die Erdatmosphäre eintreten und dabei zerstört werden.
Im August und September 2010 waren in einer Reihe von Tests die technischen Anlagen auf Santa Maria überprüft worden, im Januar 2011 konnte die volle Betriebsbereitschaft in zusätzlichen Tests bestätigt werden. Auf der Azoreninsel ist man also vorbereitet. Laut Gerhard Billig, ESAs leitendem Ingenieur für die Bahnverfolgung bei Raketenstarts, erwartet man am 15. Februar einen intensiven, erfolgreichen Arbeitstag. Kepler kann kommen!