Am 2. Februar veröffentlichte die NASA weitere Erkenntnisse des von ihr betriebenen Weltraumteleskops Kepler, welches für die Suche nach Exoplaneten ausgelegt ist. Neben der Entdeckung von 1.235 möglichen, aber bisher noch nicht bestätigten Exoplaneten konnte die Existenz eines Sonnensystems mit sechs Exoplaneten bekannt gegeben werden.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: NASA, JPL, Kepler, Nature.
Bis zum 1. Februar 2011 gelang den Astronomen der Nachweis von 519 Exoplaneten – Planeten, welche außerhalb unseres Sonnensystems ihre jeweiligen Muttersterne umrunden. Eine der dabei angewandten Nachweismethoden für diese Planeten ist die Transitmethode. Sobald ein Exoplanet von der Erde aus gesehen direkt vor seinem Mutterstern vorbeizieht, nimmt die Helligkeit des beobachteten Sterns um einen winzigen Bruchteil ab, da der Planet einen Teil des von seinem Zentralgestirn ausgehenden Lichts abschirmt. Je größer der dabei beobachtete Exoplanet ausfällt beziehungsweise je enger seine Umlaufbahn um den Stern ist, umso größer wird auch der Anteil der dabei verdeckten Sternoberfläche und umso stärker nimmt dadurch die Helligkeit des bedeckten Sterns ab.
Auf der Suche nach bisher unentdeckten Exoplaneten beobachtet das Weltraumteleskop Kepler mittlerweile seit dem Mai 2009 systematisch einen kleinen Himmelsausschnitt der nördlichen Himmelshemisphäre und überwacht dabei über 156.000 Sterne im Bereich der Sternbilder Schwan und Leier. Mittels eines Fotometers registriert das Weltraumteleskop im Abstand von 30 Minuten die Helligkeit der Sterne in diesem Blickfeld. Dabei halten die Forscher in erster Linie Ausschau nach periodisch auftretenden Schwankungen der Sternhelligkeiten, welche auf solche Planetentransits hindeuten.
Die meisten der bisher im Rahmen der Kepler-Beobachtungen nachgewiesenen periodischen Helligkeitsveränderungen gehen dabei allerdings auf die Sterne selbst zurück, welche beispielsweise aufgrund physikalischer Vorgänge in ihrem Inneren variabel sind. Ein weiterer Grund für Helligkeitsschwankungen kann darin bestehen, dass es sich bei den beobachteten Sternen um Doppel- oder Mehrfachsysteme handelt, welche sich bei ihren Umläufen umeinander wechselweise bedecken.
Nach einer eingehenden Analyse der auffällig gewordenen beobachteten Sterne bleibt nach der Eliminierung dieser „Fehlerquellen“ jedoch immer noch eine gewisse Anzahl von Sternsystemen übrig, bei denen der Verdacht besteht, dass sie von einem oder sogar von mehreren Planeten umrundet werden. Gestern stellte das Kepler-Team im Rahmen einer Pressekonferenz weitere Erkenntnisse der Mission vor, welche auf den Analysen der im Zeitraum zwischen dem 12. Mai und dem 17. September 2009 durchgeführten Beobachtungen basieren.
Demzufolge konnten die Astronomen in den ersten vier Monaten der Mission 1.235 sogenannte Planetenkandidaten aufspüren. Von diesen Kandidaten verfügen 68 über die ungefähre Größe der Erde, 288 werden der Kategorie der Super-Erden zugeordnet, weitere 662 sind in etwa so groß wie die Planeten Uranus und Neptun, 165 sind so groß wie Jupiter und 19 größer als Jupiter.
Insgesamt 54 der neuen Planetenkandidaten umrunden ihre Zentralsterne innerhalb der habitablen Zone, einen Abstandsbereich innerhalb eines Sonnensystems, in welchem sich ein Planet von seinem Zentralstern aufhalten muss, damit auf dessen Oberfläche Wasser dauerhaft im flüssigen Aggregatzustand vorkommen kann. Flüssiges Wasser gilt als eine Grundvoraussetzung für die Entwicklung von Leben. Von diesen 54 Kandidaten verfügen fünf in etwa über die Größe der Erde. Die restlichen 49 Kandidaten bewegen sich in ihrer Größe in der Kategorie der Supererden, welche über etwa den doppelten Erddurchmesser verfügen, bis hin zu einem Durchmesser, der den des Jupiters übersteigt.
„Mit diesen Entdeckungen haben wir die Zahl der erdgroßen Kandidaten von Null auf 68 und die Zahl der Kandidaten in der habitablen Zone von Null auf 54 gesteigert. Einige der Kandidaten könnten zudem auch über Monde verfügen“, so William Borucki vom Ames Research Center der NASA in Kalifornien/USA. „Die Tatsache, dass wir so viele Planetenkandidaten in einem so kleinen Ausschnitt des Himmels gefunden haben, deutet darauf hin, dass es unzählige Planeten geben muss, welche die Sterne in unserer Galaxie umkreisen“, so Borucki weiter.
„Kepler hat jetzt etwa die Hälfte seiner ursprünglich vorgesehenen Missionsdauer erreicht“, so Roger Hunter, der Projekt-Manager der Kepler-Mission. „Die heutige Veröffentlichung lässt hoffen, dass noch viele Entdeckungen folgen werden. Es scheint, als sei die Galaxie mit Planeten übersät.“
Bevor aus diesen Kandidaten dann eventuell auch bestätigte Planeten werden, sind noch umfangreiche Nachbeobachtungen notwendig. Hierfür sollen sowohl erdgestützte Teleskope als auch das Weltraumteleskop Spitzer eingesetzt werden. Allerdings wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis die Kandidaten auch bestätigt werden können, denn der von Kepler beobachtete Himmelsausschnitt in den Sternbildern Schwan und Leier kann mit erdgestützten Teleskopen lediglich vom Frühling bis zum frühen Herbst beobachtet werden.
Die Beobachtungsdaten von Kepler deuten darauf hin, dass von den beobachteten Sternen 170 über mehr als einen Exoplaneten verfügen. Für eines dieser Systeme konnte bereits gestern die Existenz von Planeten bekannt gegeben werden. Der Stern Kepler-11, ein Zwergstern in rund 2.000 Lichtjahren Entfernung zur Erde, wird sogar gleich von sechs Exoplaneten umrundet. „Das Planetensystem von Kepler-11 ist faszinierend“, so Jack J. Lissauer vom Ames Research Center. „Es ist außerordentlich kompakt und sehr flach. Die Planeten umkreisen ihren Stern in sehr dichten Abständen. Wir haben keine Ahnung, auf welche Weise ein solches System eigentlich existieren kann.“
Kepler-11 ist zugleich das erste Sonnensystem, welches gleich sechs Planeten besitzt, die durch die Transitmethode entdeckt wurden. „Es sind bisher nur ganz wenige Sternsysteme mit mehr als einem Transitplaneten bekannt und Kepler-11 ist das erste System mit mehr als drei Transitplaneten“, so Jack J. Lissauer. Der bisherige Rekordhalter war das ebenfalls vom Kepler-Teleskop entdeckte System Kepler-9, wo zwei Gasplaneten und ein etwa erdgroßer Planet den Zentralstern umrunden.
Die fünf inneren Planeten von Kepler-11 benötigen für einen Umlauf um ihren Stern lediglich 10 bis 47 Tage. Würde man sie in unser Sonnensystem versetzen, so befänden sich deren Bahnen alle innerhalb der Umlaufbahn des Merkurs, des sonnennächsten Planeten unseres heimischen Planetensystems. Der sechste Planet liegt etwas weiter außerhalb und benötigt 118 Tage für einen kompletten Umlauf. Auch er umrundet seinen Stern somit auf einem Orbit, welcher sich noch innerhalb der Venus-Umlaufbahn befinden würde.
Die Transits eines einzelnen Planeten erfolgen in periodischen Abständen. In einem Mehrfachplanetensystem bewirken die gegenseitigen gravitativen Einflüsse des Sterns und der verschiedenen Planeten, dass die Planeten minimal beschleunigt beziehungsweise verlangsamt werden. Diese Wechselwirkungen führen zu Abweichungen von den periodischen Transits. Anhand dieser Abweichungen lassen sich die Masse der Planeten und ihrer Bahnverläufe berechnen.
Demzufolge verfügen die fünf inneren Planeten von Kepler-11 über die 2,3-fache bis 13,5-fache Masse der Erde. Sie gehören somit zu den kleinsten bisher bekannten Exoplaneten außerhalb unseres Sonnensystems. Auch ihre Dichte ist vergleichsweise gering und liegt teilweise lediglich bei etwa 0,5 Gramm pro Kubikzentimeter. Die Orbitbahnen der sechs Planeten liegen alle fast genau auf einer Ebene. Lediglich die Bahnen der beiden Planeten Kepler-11e und Kepler-11g sind um einen Winkel von 0,6 Grad geneigt. Auch die Exzentrizität der Umlaufbahnen ist minimal. Die Planeten umrunden ihren Stern somit auf fast kreisrunden Bahnen. „Die Planeten bestehen aus Gestein und Gas, eventuell sogar aus Wasser. Das Gestein ist dabei für den Großteil der Planetenmasse verantwortlich, die Gase wiederum für deren Volumen“, so Jack J. Lissauer.
Der Exoplanetenjäger Kepler soll seine Arbeit noch bis mindestens zum November 2012 fortsetzen. Bis dahin wird man auch das System Kepler-11 weiter beobachten und dabei die dortigen Planeten und ihre gegenseitigen Wechselwirkungen noch genauer untersuchen. Und vielleicht gelingt es den Astronomen im weiteren Verlauf der Mission auch, tatsächlich einen erdähnlichen Exoplaneten innerhalb der habitablen Zone nachzuweisen. Allerdings ist ein solcher Nachweis sehr zeitaufwändig. Solche Planeten benötigen für einen kompletten Umlauf um ihren Stern einen Zeitraum von bis zu über einem Jahr und es bedarf mindestens drei Transits, um die Existenz von einem Exoplaneten zu bestätigen.
Mit der gestrigen Bekanntgabe, welche auch in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature“ publiziert wurde, konnte die Anzahl der bisher bekannten Exoplaneten auf 525 gesteigert werden. Von diesen wurde 15 durch das Weltraumteleskop Kepler entdeckt.
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