Bereits seit längerem wird vermutet, dass sich unter der Oberfläche des Jupitermondes Europa in 10 bis 20 Kilometern Tiefe ein gigantischer Ozean aus flüssigem Wasser befindet. Neue Forschungsergebnisse legen nahe, dass dieser Ozean für die Entstehung der zerfurchten Oberfläche des Mondes mitverantwortlich sein könnte.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.
Mit einem Durchmesser von 3.121 Kilometern ist der Jupitermond Europa zwar der kleinste der vier Galileischen Monde, mit etwa 3 Gramm pro Kubikzentimeter verfügt er jedoch zugleich über eine ungewöhnlich hohe Dichte. Über einen Kern aus Eisen und Nickel, so die allgemein anerkannte Theorie über den inneren Aufbau dieses Mondes, befindet sich ein Mantel aus Silikatgestein. Die Oberfläche Europas wird dagegen von einem 15 bis 20 Kilometer dicken Panzer aus Wassereis gebildet, welcher aufgrund der sehr niedrigen Temperaturen auf der Mondoberfläche – minus 160 Grad Celsius am Äquator, bis zu minus 220 Grad Celsius in den Polarregionen – steinhart gefroren ist. Die Oberfläche des Mondes wird dabei von einem filigranen Netz aus kilometerlangen Furchen geprägt, welches diese äußere Eisschicht regelrecht zerschneidet.
Noch faszinierender als die auffällig zerklüftete Eisschicht des Jupitermondes ist jedoch, was sich unmittelbar darunter verbirgt: Ein unterirdischer Salzwasserozean, welcher durch Gezeitenkräfte und die im Inneren des Mondes gespeicherte Wärme eisfrei gehalten wird und der laut aktuellen Berechnungen über eine Tiefe von bis zu 100 Kilometern verfügen könnte. Sollte dies zutreffen, so würde sich auf Europa mehr als die doppelte Menge des in den irdischen Ozeanen enthaltenen Wassers befinden. Dieser den ganzen Mond umspannende Ozean ist der Grund dafür, dass die Eiskruste mechanisch von dem Kern des Mondes und von dessen Mantel aus Silikatgestein abgekoppelt ist.
Bereits im Jahr 1998 legten die Messungen eines Magnetometers an Bord der von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebenen Jupitersonde Galileo die Existenz dieser schwer zugänglichen Wassermassen nahe. Bis heute sind jedoch viele der Eigenschaften dieses unterirdischen Ozeans unbekannt – etwa, ob dort Bedingungen herrschen, welche eventuell die Entstehung und Weiterentwicklung von primitiven Lebensformen ermöglichen könnten.
Neue Computermodelle, welche von Wissenschaftlern der University of Texas in Austin/USA und dem Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) im niedersächsischen Katlenburg-Lindau erstellt wurden, erlauben jetzt jedoch einen ersten „Blick“ unter die Eisdecke. Die Simulationen der Wissenschaftler zeigen, welche Strömungen in diesem Ozean vorherrschen.
„Die Bewegungen in Europas Ozean werden durch Temperaturunterschiede angetrieben“, so Dr. Johannes Wicht vom MPS. Wärmeres und somit leichteres Wasser steigt nach oben, kälteres Wasser sinkt dagegen in die Tiefe. Diese Bewegung, welche in vergleichbarer Weise zum Beispiel auch beim Erhitzen von Wasser in einem Kochtopf auftritt, wird als Konvektion bezeichnet. Durch sie wird Wärme aus den Tiefen des Ozeans in dessen höheren Schichten transportiert.
In ihren Berechnungen berücksichtigten die Wissenschaftler, dass im Wesentlichen zwei Effekte die Wasserströmungen in dem unterirdischen Ozean bestimmen. Zum einen steigt durch die Konvektion wärmeres Wasser aus dem Inneren des Mondes nach oben, zum anderen wirkt sich jedoch auch die Rotation des Mondes auf das Strömungsverhalten des Wassers aus, welches dabei durch die Corioliskraft abgelenkt wird.
„Wie genau das Wasser fließt, ergibt sich aus dem Zusammenspiel beider Einflüsse“, so Dr. Wicht. „In Europas Ozean scheint sich die Corioliskraft weniger stark auszuwirken, als bisher angenommen. Darum unterscheiden sich unsere neuen Computermodelle entscheidend von ihren Vorgängern“.
„Unsere Computersimulationen zeigen, dass die Konvektion in der Äquatorregion stärker ist als an den Polen. Darum ist das Wasser in niedrigen Breiten wärmer und die Eisdecke wird effektiver geheizt“, fasst Dr. Wicht die Ergebnisse zusammen. Ob und wie genau diese in Richtung Oberfläche transportierte Wärme auch für die Entstehung der Rissmuster in der Eisschicht auf der Oberfläche verantwortlich ist, konnte bisher jedoch noch nicht endgültig geklärt werden. Auffällig ist jedoch, dass diese Muster speziell im Bereich des Äquators besonders stark ausgeprägt sind. Möglicherweise, so die Wissenschaftler, spielt dabei aber nicht nur die höhere Temperatur eine Rolle, denn das von unten erwärmte Eis verfügt zusätzlich über einen geringeren Salzgehalt.
„Beides sorgt dafür, dass dieses Eis leichter ist als die darüber liegende Schicht und zur Oberfläche drängt“, so Dr. Wicht weiter. Diese Bewegungen im Eis führen wahrscheinlich zu den diversen Brüchen und Rissen.
Neben den Wasserbewegungen in radialer Richtung stießen die Planetenforscher auch auf drei ausgeprägte Strömungen, welche weitestgehend parallel in West- beziehungsweise Ostrichtung verlaufen. Am Äquator fließt das Wasser nach Westen, in den Polregionen dagegen nach Osten. Ob auch diese sogenannten Jetstreams Auswirkungen auf die darüber liegende Eisdecke haben, ist allerdings unklar. Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse wurden kürzlich in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ unter dem Titel „Ocean-driven heating of Europa’s icy shell at low latitudes“ publiziert.
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Fachartikel bei Nature Geoscience:
- Ocean-driven heating of Europa’s icy shell at low latitudes (Abstract, engl.)