Jupitermission JUICE: Doppelankunft in Toulouse

Zeitgleich mit der Raumsonde ist das JUICE-Instrument SWI in Toulouse eingetroffen. Beide werden dort auf die Reise zum Jupiter vorbereitet. Start ist in etwa einem Jahr. Eine Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung.

Quelle: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung.

SWI ist fertiggestellt und bereit, die Reise nach Toulouse anzutreten! Den wichtigen Meilenstein halten (von links) Prof. Dr. Laurent Gizon (Geschäftsführender Direktor des MPS), Dr. Ali Ravanbakhsh (Assembly, Integration, Verification and Test Manager), Dr. Paul Hartogh (wissenschaftlicher Leiter des SWI-Teams), Dr. Juan-Pablo Garcia (SWI-Projektmanager) und Prof. Dr. Sami K. Solanki (Direktor am MPS) im Foto fest. Für den Transport sind die Antenne mit der Empfängereinheit (links) und die Elektronikeinheit (rechts) in stabile Metallrahmen verpackt. Weitere Schutzhüllen, die vor dem Start der Sonde entfernt werden müssen, sind rot gekennzeichnet. (Bild: MPS)

12. August 2021 – Das Submillimetre Wave Instrument (SWI), das im nächsten Jahr an Bord des Jupiter Icy Moon Explorers (JUICE) der europäischen Weltraumagentur ESA zu einer Forschungsmission ins Jupitersystem aufbricht, hat einen wichtigen Meilenstein erreicht. Nach achtjähriger Bau- und Entwicklungszeit am Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung (MPS) in Göttingen ist das Instrument gestern im französischen Toulouse bei der Firma Airbus Defence and Space angekommen. Zeitgleich wurde dort ein weiterer, deutlich größerer Neuankömmling begrüßt: die Raumsonde selbst, die auf dem Luftweg eingetroffen ist. In den nächsten Monaten wird sie in Toulouse auf ihren Start ins All vorbereitet; der Einbau von SWI beginnt in wenigen Wochen. Im Jupitersystem wird das Göttinger Instrument unter anderem die Atmosphäre des Jupiters sowie einige seiner lebensfreundlichen Monde untersuchen.

Für den riesigen Gasplaneten Jupiter ist irdischer Besuch nichts Neues: Die Raumsonden Voyager 1 und 2, Cassini und New Horizons flogen auf ihrem Weg ins äußere Sonnensystem an ihm vorbei, die amerikanische Raumsonde Galileo war von 1995 bis 2003 vor Ort und seit fünf Jahren kreist die NASA-Sonde Juno um den Planeten. JUICE wird 2031 eintreffen. Mit ihren zehn leistungsfähigen Instrumenten ist die Raumsonde in der Lage, genauer und umfassender hinzuschauen als ihre Vorgänger – nicht nur auf den Planeten selbst, sondern auch auf Ganymed, Kallisto und Europa, drei seiner größten Monde. JUICE wird die ultraviolette, sichtbare und infrarote Strahlung vor Ort untersuchen, geophysikalische Messungen durchführen, magnetische Eigenschaften bestimmen und einen Blick auf die hochenergetischen Teilchen in der Umgebung des Planeten und seiner Monde werfen.

SWI besteht aus einer schwenkbaren Antenne, die an eine kleine Satellitenschüssel erinnert, mit angeschlossener Empfängereinheit (oben) sowie einer Elektronikeinheit (unten), die im Innern der Raumsonde Platz finden wird. Über Kabel wird die Elektronikeinheit mit Antenne und Empfängereinheit verbunden. (Bild: MPS)

Einige der Messinstrumente wie etwa das Particle Environment Package (PEP), zu dem das MPS den Jovian Electron and Ion Sensor (JEI) beigetragen hat, wurden bereits im Europäischen Weltraumforschungs- und Technologiezentrum (ESTEC) der ESA in den Niederlanden in die Raumsonde integriert. Dort wurde JUICE in den vergangenen Jahren getestet. Andere Instrumente kommen erst jetzt nach dem Umzug der Sonde nach Toulouse dazu. Zu diesen gehört auch SWI, das ein Team von mehr als 40 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Ingenieurinnen und Ingenieuren unter Leitung des MPS in den vergangenen Jahren entwickelt, gebaut und auf seine Weltraumtauglichkeit getestet hat. „Das gesamte Team hat sehr hart gearbeitet, um die SWI-Flughardware für den Einsatz in Jupiters extremer Umgebung zu bauen und zu qualifizieren, wobei der letzte Teil der Arbeiten während der Covid19-Pandemie stattfand“, sagt Dr. Ali Ravanbakhsh, SWI Assembly, Integration, Verification and Test Manager.

Das Instrument untersucht die Wärmestrahlung im fernen Infrarotbereich, die der Jupiter und seine Monde ins All abstrahlen und zerlegt sie in ihre einzelnen Wellenlängen.

Bevor das Instrument verpackt werden kann, sucht das SWI-Team nach Verunreinigungen. Im ultravioletten Licht werden kleinste Partikel sichtbar. (Bild: MPS)

Im Fall des Gasriesen entsteht diese Strahlung vornehmlich in seiner mittleren Atmosphäre und erlaubt so einen umfassenden Zugang zu dieser dynamischen und komplexen Region. Die SWI-Messdaten vom Jupiter werden Informationen über die chemische Zusammensetzung, Spurengase, Temperaturverteilung und Windgeschwindigkeiten der Atmosphäre enthalten. Bei den Monden mit ihren ausgesprochen dünnen Atmosphären stammt ein Teil der Infrarotstrahlung von der Oberfläche. Auf diese Weise kann das SWI-Team unter anderem die Verteilung des Wassers auf diesen Monden von der Oberfläche bis in die Atmosphäre nachverfolgen.

Das Instrument wird am MPS im Reinraum für den Transport in Kisten verpackt. Erst die geschlossenen Kisten dürfen den Reinraum verlassen. (Bild: MPS)

„Das Wasser im Jupitersystem interessiert uns besonders“, erklärt Dr. Paul Hartogh vom MPS, wissenschaftlicher Leiter des SWI-Teams. SWI kann das genaue Verhältnis von so genanntem halbschwerem Wasser, bei dem ein Wasserstoffatom durch ein schwereres Wasserstoff-Isotop ersetzt ist, zu „normalem“ Wasser ermitteln. Dieses Verhältnis gilt als Indikator, wo im Sonnensystem ein Körper entstanden ist. „Unsere Untersuchungen helfen zu verstehen, wie sich der Jupiter mit seinen 80 Monden und zahlreichen Ringen zu der einzigartigen Welt entwickeln konnte, die er heute ist“, so MPS-Wissenschaftlerin Dr. Miriam Rengel. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gilt der Jupiter zudem als Modellsystem für die zahlreichen, ähnlichen Gasplaneten außerhalb unseres Sonnensystems.

Um die Infrarotstrahlung einzufangen, besitzt SWI eine schwenkbare Antenne mit einem Durchmesser von 29 Zentimetern, die an eine kleine Satellitenschüssel erinnert. Die Antenne sowie das mit ihr verbundene Empfängermodul werden an der Außenseite der Sonde angebracht. Über Kabel sind sie mit der Elektronikeinheit im Innern der Sonde verbunden.

SWI ist wohlbehalten bei Airbus Defence and Space in Toulouse angekommen. (Bild: Airbus)

„Das Besondere an SWI ist unter anderem die sehr hohe spektrale Auflösung“, so Hartogh. Das Instrument kann zwischen Strahlung sehr eng benachbarter Wellenlängen unterscheiden. Um dies zu erreichen, setzt das SWI-Team auf das so genannte Heterodyn-Prinzip: Die Frequenz des empfangenen Signals wird durch Überlagern mit einer Referenzwelle in den klassischen Radiobereich verschoben, wo die weitere Signalverarbeitung erfolgt.

Bis SWI erste Messungen durchführt, werden noch Jahre vergehen. Nach dem Start im August oder September nächsten Jahres wird JUICE fast neun Jahre unterwegs sein, bevor sie ihr Ziel erreicht. Auf dem Weg stehen mehrere Vorbeiflüge an der Erde und ein Vorbeiflug an der Venus an.

Die Raumsonde JUICE trifft in den Reinräumen von Airbus in Toulouse ein. (Bild: Airbus)

Für das SWI-Team am MPS wird die Wartezeit bestimmt nicht langweilig. „Jetzt haben wir uns erst einmal eine Verschnaufpause verdient“, so SWI-Projektmanager Juan Pablo Garcia vom MPS. „Ab Mitte September, wenn SWI in die Raumsonde eingebaut wird, sind wir aber wieder vor Ort in Toulouse um mitanzupacken“, fügt er hinzu. Und auch danach gehen die Arbeiten weiter. Dann entsteht am MPS die Flugersatzeinheit von SWI, ein baugleicher Zwilling der jetzt ausgelieferten Flugeinheit, die während der gesamten Missionsdauer als Referenz am MPS verbleiben wird.

SWI wurde von einem internationalen Konsortium unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Deutschland entwickelt und gebaut. Mitglieder des Konsortiums sind das Laboratory for Studies of Radiation and Matter in Astrophysics (LERMA, Frankreich), das Space Research Centre der Polnischen Akademie der Wissenschaften (CBK, Polen), Chalmers University of Technology (Schweden), das Institut für Angewandte Physik der Universität Bern (IAP, Schweiz), das National Institute of Information and Communications Technology (NICT, Japan) und die französische Weltraumagentur CNES. Beteiligt waren zudem das Laboratoire d’études spatiales et d’instrumentation en astrophysique des Observatoire de Paris (LESIA, Frankreich), das Laboratoire d’Astrophysique de Bordeaux (LAB, Frankreich), die RPG Radiometer Physics GmbH (Deutschland) und Omnisys Instrument AV (Schweden). Entwicklung und Bau wurden von den nationalen Förderagenturen unterstützt unter anderem vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

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