JMU: Künstliche Intelligenz aus Würzburg steuert Satelliten im Orbit

Ein Team der Universität Würzburg entwickelt einen KI-basierten Lageregler, der Satelliten selbstständig manövrieren soll. Getestet wird die neue Technologie direkt im All. Eine Pressemitteilung der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU).

Quelle: Julius-Maximilians-Universität Würzburg 3. Juli 2024.

3. Juli 2024 – Herzstück des neuen Lagereglers ist eine Künstliche Intelligenz, die am Boden trainiert wird und später in der Erdumlaufbahn eigenständig Lageänderungen des Satelliten vornehmen kann. Entwickelt wird sie an zwei Informatik-Lehrstühlen der Julius-Maximilians-Universität Würzburg (JMU) mithilfe eines Verfahrens namens Deep Reinforcement Learning.

Eine vereinfachte schematische Darstellung des Trainingsprozesses des KI-basierten Lagereglers: Das Neuronale Netz erhält eine Beobachtung (ein Systemzustand auf Basis von Sensor-Inputs). Hieraus wird eine sogenannte Belohnung erzeugt, eine Bewertung wie gut der aktuelle Systemzustand in Hinblick auf das zu erreichende Ziel ist, und eine Aktion berechnet (Aktuatorbefehle). Diese Aktion wird an den Simulator übergeben, der einen Zeitschritt unter Anwendung dieser Aktion simuliert und einen neuen Systemzustand berechnet, der wieder an den KI-Agenten gesendet wird. Periodisch wird mit den gesammelten Erfahrungen das Netzwerk so angereichert, dass die KI im Verlauf der Trainings Aktionen generiert, die zu Systemzuständen mit möglichst hoher Belohnung führen. (Grafik: Djebko/JMU)
Eine vereinfachte schematische Darstellung des Trainingsprozesses des KI-basierten Lagereglers: Das Neuronale Netz erhält eine Beobachtung (ein Systemzustand auf Basis von Sensor-Inputs). Hieraus wird eine sogenannte Belohnung erzeugt, eine Bewertung wie gut der aktuelle Systemzustand in Hinblick auf das zu erreichende Ziel ist, und eine Aktion berechnet (Aktuatorbefehle). Diese Aktion wird an den Simulator übergeben, der einen Zeitschritt unter Anwendung dieser Aktion simuliert und einen neuen Systemzustand berechnet, der wieder an den KI-Agenten gesendet wird. Periodisch wird mit den gesammelten Erfahrungen das Netzwerk so angereichert, dass die KI im Verlauf der Trainings Aktionen generiert, die zu Systemzuständen mit möglichst hoher Belohnung führen. (Grafik: Djebko/JMU)

„Dabei lassen wir unsere Künstliche Intelligenz mit einem Simulator interagieren, der einen Satelliten im Orbit imitiert“, erklärt Kirill Djebko, Mitarbeiter am Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz und Wissenssysteme (Lehrstuhlinhaber: Frank Puppe) und einer der beiden Teamleiter. „Die KI gibt diesem virtuellen Satelliten immer wieder neue Steuersignale und lernt nach der Trial-and-Error-Methode aus dem Ergebnis. Das geschieht so lange, bis sie verschiedene Einsatzszenarien eigenständig fehlerfrei umsetzen kann“, ergänzt Sergio Montenegro, Leiter des Lehrstuhls für Luft- und Raumfahrtinformationstechnik, ebenfalls Teamleiter.

Neue Maßstäbe für die Entwicklung von Satellitensteuerungen
Eine KI-basierte Lageregelung nach Würzburger Vorbild könnte die Entwicklungszeit solcher Systeme künftig deutlich verkürzen und die Luft- und Raumfahrttechnik dadurch bedeutend voranbringen. „Um einen Lageregler zu produzieren, braucht es momentan noch umfangreiche Tests und Anpassungsschleifen, die viel Zeit und personelle Ressourcen in Anspruch nehmen“, weiß Djebko. „Mithilfe eines selbstlernenden Algorithmus ließe sich dieser Aufwand minimieren.“

Und noch einen weiteren Vorteil hat die Würzburger Technologie: „Manchmal müssen Lageregler für Satelliten im Orbit nachträglich kalibriert werden, weil sich die erwarteten Rahmenbedingungen von den tatsächlichen unterscheiden oder sich physikalische Parameter ändern“, sagt Montenegro. „Bei herkömmlichen Reglern ist das insbesondere durch den erwähnten Kalibrierungsprozess sehr umständlich – unsere KI könnte auch dies beschleunigen.“

Dass KI-basierte Lageregler dazu fähig sind, selbstständig mit derartigen Anpassungen umzugehen, das haben die Forschenden bereits gezeigt: Im Rahmen des Projekts „VeriKI“ zwischen der Universität Würzburg, dem Forschungszentrum Informatik (FZI) aus Karlsruhe und Gerlich System and Software Engineering (GSSE) entwickelten die Würzburger Informatiklehrstühle 2023 bereits einen simplen KI-basierten Lageregler, der mit Variationen der Trägheitsmomente eines Satelliten umgehen konnte und evaluierten diesen simulativ. Jetzt soll ein KI-basierter Lageregler im Orbit an Bord eines echten Satelliten erprobt werden.

Das Qualifikationsmodell des InnoCube-Satelliten. Der KI-basierte Lageregler wird nach seinem Training am Boden auf das Flugmodell im Orbit hochgeladen und dort getestet. (Bild: Montenegro/JMU)
Das Qualifikationsmodell des InnoCube-Satelliten. Der KI-basierte Lageregler wird nach seinem Training am Boden auf das Flugmodell im Orbit hochgeladen und dort getestet. (Bild: Montenegro/JMU)

Bewährungsprobe in 500 km Höhe
Getestet wird der am Boden trainierte KI-Agent erstmals 2025 – und zwar direkt in der Erdumlaufbahn an einem Kleinsatelliten namens InnoCube, der von der Universität Würzburg in Kooperation mit der TU Berlin entwickelt wurde und im Oktober 2024 starten soll. Er dient als Plattform für wissenschaftliche Experimente sowie für technologische Demonstrationen im All und wird den KI-Agenten beherbergen, sobald er seine Primärziele abgeschlossen hat.

Startschuss für das Projekt LeLaR (kurz für: In-Orbit Demonstrator Lernende Lageregelung) war der 1. Juli 2024. Gefördert wird es mit rund 430.000 Euro vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags. Projektträger ist die Deutsche Raumfahrtagentur im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt e.V. (DLR).

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