JGU: Radius des Protons noch genauer berechnet

So genau wie noch nie: Theoretische Physiker des Exzellenzclusters PRISMA+ berechnen den Radius des Protons. In der Diskussion um die Größe des Protons favorisieren die neuen Rechnungen den kleineren Wert. Eine Pressemitteilung der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Quelle: Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

Mit Supercomputern wie dem Hochleistungsrechner MOGON II an der JGU wurde der Radius des Protons berechnet.
(Bild: Stefan F. Sämmer)

Berechnungen auf Basis grundlegender Theorien der Teilchenphysik könnten dazu beitragen, das so genannte Proton-Radius-Rätsel zu lösen. Jetzt ist es theoretischen Physikern der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) um Prof. Dr. Hartmut Wittig erstmals gelungen, ihre Rechnungen hinreichend präzise zu gestalten, um hieraus einen Hinweis abzuleiten: Die aktuellen Ergebnisse sprechen für einen kleineren Proton-Radius.

Sämtliche bekannten Atomkerne bestehen aus Protonen und Neutronen – und doch sind viele Eigenschaften dieser allgegenwärtigen Nukleonen noch nicht verstanden. So gibt insbesondere der Radius des Protons seit einigen Jahren Rätsel auf: Im Jahr 2010 sorgte eine neue Messung des Proton-Radius mithilfe der Laserspektroskopie von myonischem Wasserstoff für Aufsehen – in diesem „besonderen“ Wasserstoff ist das Elektron in der Hülle des Atoms ersetzt durch seinen schweren Verwandten, das Myon, wodurch sich die Genauigkeit der Messung erheblich steigern ließ. Die Forscher ermittelten einen deutlich kleineren Wert, als er aus entsprechenden Messungen an „normalem“ Wasserstoff und der Bestimmung des Protonradius aus Elektron-Proton-Streuexperimenten bekannt war. Die große Frage, die Physikerinnen und Physiker seitdem umtreibt: Verbirgt sich hinter der Abweichung eine neue Physik jenseits des Standardmodells oder handelt es sich „lediglich“ um systematische Unsicherheiten der verschiedenen Messmethoden?

Um Licht ins Dunkel zu bringen und die unterschiedlichen Ergebnisse einzuordnen, spielen theoretische Berechnungen eine wichtige Rolle. Eine Gruppe von Physikern am Exzellenzcluster PRISMA+ zielt dabei insbesondere auf die sogenannten elektromagnetischen Formfaktoren ab. „Diese gilt es, aus der grundlegenden Theorie der Quantenchromodynamik (QCD) heraus zu ermitteln“, erläutert Prof. Dr. Hartmut Wittig. „Das bedeutet, wir berechnen diese Größen ohne dass experimentell gemessene Daten in unsere Rechnung einfließen.“ Die elektromagnetischen Formfaktoren beschreiben die Verteilung von elektrischer Ladung und Magnetisierung innerhalb des Protons. Auf ihrer Messung beruht auch die experimentelle Bestimmung des Proton-Radius aus Elektron-Proton-Streuexperimenten. Sie sind also eine wichtige Größe im Proton-Radius-Rätsel.

Das Kräftespiel im Atomkern beschreiben
Die Quantenchromodynamik beschreibt das Kräftespiel im Atomkern: Dort bindet die starke Wechselwirkung die Quarks als elementare Bausteine der Materie zu Protonen und Neutronen zusammen und wird durch Gluonen als Austauschteilchen vermittelt. Um diese Vorgänge mathematisch simulieren zu können, greifen die Mainzer Wissenschaftler auf die sogenannte Gitterfeldtheorie zurück. Ähnlich wie in einem Kristall werden die Quarks dabei auf die Punkte eines Raum-Zeit-Gitters verteilt. Mit speziellen Simulationsverfahren lassen sich dann die Eigenschaften der Nukleonen unter Einsatz von Supercomputern berechnen.

„In Bezug auf die Größe des Protons gab es in letzter Zeit sehr viele Aktivitäten bei solchen Gitterrechnungen, aber bis dato reichte deren Präzision nicht aus, um zwischen der Messung an myonischem Wasserstoff und dem Ergebnis aus der Elektron-Proton-Streuung zu unterscheiden“, so Hartmut Wittig. „Wir haben die elektromagnetischen Formfaktoren nun erstmals so genau berechnet, dass sie uns erlauben, uns in die Diskussion um den Proton-Radius einzuschalten.“

Denn aus den Formfaktoren wiederum lässt sich der Proton-Radius in mehreren Schritten bestimmen. Das Ergebnis ist ein weiterer Hinweis auf ein kleineres Proton – und das erstmals auf Basis einer von den bisherigen Messungen unabhängigen Methode. Ganz ausschließen können die Physiker den größeren Wert nach wie vor nicht. „Der Fehler in unseren Berechnungen ist zwar klein genug, um den kleineren Wert zu bevorzugen, aber immer noch zu groß, um den größeren Wert endgültig verwerfen zu können“, resümiert Hartmut Wittig. „Wir haben aber bereits Ideen, wie wir die Genauigkeit unserer Rechnungen noch weiter steigern können.“

Veröffentlichung:
D. Djukanovic, T. Harris, G. von Hippel, P.M. Junnarkar, H B. Meyer, D. Mohler, K. Ottnad, T. Schulz, J. Wilhelm, and H. Wittig,
Isovector electromagnetic form factors of the nucleon from lattice QCD and the proton radius puzzle
arXiv:2102.07460 [hep-lat]

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